Schwabmünchner Allgemeine

Wilde Provinzker­le mit gekränkter Eitelkeit

Detlev Bucks „Wir können nicht anders“nimmt augenzwink­ernd und surreal das ostdeutsch­e Hinterland aufs Korn

- VON MARTIN SCHWICKERT

Auch wenn er in Filmen wie „Knallhart“oder „Asphaltgor­illas“die Härten des Berliner Großstadtl­ebens beschwört, bleibt Regisseur Detlev Buck im Herzen ein bekennende­s Landei. Auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein aufgewachs­en, hat es den gelernten Landwirt immer wieder in die Provinz zurückgezo­gen – von frühen Werken wie „Karniggels“bis hin zu Kinderfilm­en wie „Hände weg von Mississipp­i“, in denen er das Leben auf dem Lande lustvoll idyllisier­t.

Eine ganz andere Richtung schlägt Buck nun in seinem neuen Film „Wir können nicht anders“ein, der ursprüngli­ch fürs Kino produziert jetzt auf Netflix zu sehen ist. Hier wird die Provinz zur Kulisse für eine schwarze Komödie, in der Liebe, Eifersucht, Rache und Mord eine durchaus blutige Handlung vorantreib­en. Der Titel ist natürlich eine augenzwink­ernde Hommage ans eigene Werk. In „Wir können auch anders“(1993) schickte Buck vier Jahre nach der Wende Joachim Król und Horst Krause als westdeutsc­he Analphabet­en auf Abenteuerr­eise in die ehemalige DDR, wo die von Helmut Kohl versproche­nen „blühenden Landschaft­en“auf sich warten ließen. Heute, fast dreißig Jahre später, wartet hier keiner mehr.

Die meisten sind abgehauen. Vor allem die Jüngeren. Und die Frauen. So wie Edda (Alli Neumann), die ihr Glück in Berlin versucht hat und nun samt frisch rekrutiert­em Lover Samuel (Kostja Ullmann) zum 65. Geburtstag ihres Vaters zurückkehr­t. Kaum haben die beiden die Landkreisg­renze überfahren, beginnt der Schlamasse­l. Der angehende Anglistik-Professor Samuel wird im Wald Zeuge einer versuchten Hinrichtun­g und greift ins Geschehen ein. Und schon startet eine wilde Verfolgung­sjagd durch die illustre Sozialstru­ktur in der Provinz.

Hier treibt der selbst ernannte Gangsterbo­ss Herrmann (Sascha Alexander Gersack) mit den Männern von der freiwillig­en Feuerwehr sein Unwesen. Als seine Frau Katja (Sophia Tomalla), der er hoffnungsl­os verfallen ist, etwas mit dem jungen Brandbekäm­pfer Rudi (Merlin Rose) anfängt, sieht der Dorfpate rot. „Auf vier Männer kommt hier eine Frau“, erklärt der Polizist Frank (Frederic Linkemann), bevor er sich an Edda ranmacht, was für ihn kein gutes Ende nimmt. Von den geselligen Zeiten damals schwärmt der Hausmeiste­r (Peter Kurth), der das ehemalige LPG-Gelände samt Kultursaal und Sauna mit seiner „ruhmreiche­n“ AK-47 bewacht. Derweil summt im Wald ruhig die funkelnage­lneue Gaspipelin­e, durch die Milliarden von Dollar am Dorf vorbeiflie­ßen. Den sanft lakonische­n Humor von „Wir können auch anders“hat Detlev Buck in „Wir können nicht anders“zu einer rabenschwa­rzen Komödie weiterentw­ickelt. Das ist sicherlich der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g im ostdeutsch­en Hinterland geschuldet, die Buck augenzwink­ernd, aber nie böswillig aufs Korn nimmt. Der Film kippt oftmals in die Klamotte, fängt sich aber immer wieder und erinnert in seinen besten Momenten und den surreal blutigen Exkursen fast ein wenig an die Filme der Brüder Coen. Die gekränkte Männlichke­it der wilden Provinzker­le wird hier zum Motor der unberechen­baren Handlung, die neben absurden Verstricku­ngen hellsichti­ge Einblicke in die emotionale Befindlich­keit der abgehängte­n Provinz bietet.

Netflix ab 4. Dezember

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Foto: Netflix Gangsterbo­ss Hermann (Sascha Alexander Gersack) mischt in Detlev Bucks neuem Film „Wir können nicht anders“die Provinz auf.

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