Mehr Personal und dicker Bonus
Die Koalition sattelt noch mal drauf: 2450 Planstellen mehr als geplant. Kritik kommt von den Grünen. Parlamentsbeschäftigte wundern sich über unerwartete Corona-Sonderzahlung
Berlin Während Millionen von Bundesbürgern in der Corona-Krise um ihre Arbeitsplätze bangen, durch Kurzarbeit oder fehlende Umsätze empfindliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, gibt die Politik das Geld mit vollen Händen aus. So erhalten die Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten einen CoronaBonus, der sie selbst eher befremdet als entzückt. Tenor: Da gibt es doch Berufsgruppen, die das deutlich mehr verdient hätten – etwa Pfleger, Verkäuferinnen oder Erzieherinnen. Gleichzeitig stockt der Bund sein Personal kräftig auf.
Im vergangene Woche verabschiedeten Haushaltsplan finden sich im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf darüber hinaus insgesamt rund 2450 zusätzliche Planstellen, davon allein 700 in den Ministerien. Besonders groß ist offenbar der Bedarf an gut dotierten Führungsposten. Das geht aus einer Auswertung der Personallisten der einzelnen Ressorts durch die Grünen-Haushaltsexpertin Ekin Deligöz hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.
Demnach haben die einzelnen Ministerien in der langen Nacht der Haushaltsbereinigungssitzung Ende vergangener Woche ihre Planstellenzahl noch einmal teils deutlich erhöht. Das Bildungsministerium von Anja Karliczek (CDU) etwa gönnt sich 105 zusätzliche Stellen, davon sind acht Führungspositionen. 111 neue Mitarbeiter bekommt das Auswärtige Amt von Heiko Maas (SPD), einschließlich vier Chefposten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt 53 neue Leute ein und Finanzminister Olaf Scholz 66, darunter vier in Leitungsfunktionen. Der Verantwortungsbereich von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bekommt sogar 157 zusätzliche Stellen. In die Zuständigkeit von Innenminister Horst Seehofer (CSU) fallen gleich mehrere hundert neue Stellen, etwa 490 beim Bundeskriminalamt und bei der Bundespolizei. Die zusätzlichen Ermittler sollen etwa rechten und islamistischen Terror sowie Clankriminalität bekämpfen. Trotz der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie fällt der Stellenaufwuchs im Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn mit 27 im Vergleich gering aus.
Enthalten sind in der Aufstellung der Neu-Ulmer Grünen-Politikerin auch diverse Stellen, die nach ursprünglicher Planung eigentlich wegfallen sollten, nun aber doch erhalten bleiben. Ekin Deligöz kritisiert: „Auch in diesem Haushaltsverfahren bedient sich die Große Koalition wieder kräftig. Anstatt Arbeitsabläufe und Prozesse zu verbessern und effektiver zu arbeiten, gönnt sich die Regierung einfach mal wieder mehr Stellen.“Deligöz weiter: „Ob beispielsweise das Bildungsministerium sein massives Umsetzungsdefizit im Bereich der digitalen Bildung und Innovation ausschließlich mit mehr Stellen lösen kann, bleibt abzuwarten.“
Spendierfreudig zeigt sich auch der Bundestag, der seinen Mitarbeitern ein steuerfreies Corona-Geschenk gönnt. Alle Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten erhalten im Dezember eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von bis zu 600 Euro. Das Geld, das im Dezember steuerfrei ausbezahlt werden soll, diene der „Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise“. Bei den Empfängern löst das Geschenk indes gemischte Gefühle aus. Denn in den Abgeordnetenbüros, das bestätigen unabhängig voneinander mehrere dort beschäftigte Personen, sei es in den CoronaMonaten teilweise eher ruhiger zugegangen als sonst.
Ende der vergangenen Woche erhielten die rund 4500 Mitarbeiter der insgesamt 709 Abgeordneten Post von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass der Ältestenrat in seiner Sitzung am 19. Dezember beschlossen hat, die Regelungen des
Tarifvertrages für Beschäftigte des Bundes über eine einmalige CoronaSonderzahlung vom Oktober auch auf sie zu übertragen.
Je nach tariflicher Eingruppierung sollen die Abgeordnetenmitarbeiter zwischen 300 und 600 Euro erhalten, Auszubildende immerhin 200 Euro. Die Sonderzahlung wird steuer- und abgabefrei ausbezahlt und geht auch nicht zulasten der sogenannten Mitarbeiterpauschale. Die Bundestagsverwaltung bestätigte die Informationen auf Anfrage unserer Redaktion.
Ein Abgeordnetenmitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte, beschreibt die Reaktion im Kollegenkreis auf den Bonus als „überrascht, aber eher etwas befremdet als erfreut“. Es sei zwar keineswegs so, dass die Abgeordnetenbüros in Zeiten des teils eingeschränkten Parlamentsbetriebes untätig gewesen seien, doch spürbare Mehrbelastungen im Vergleich zu den Vorjahren habe es eher nicht gegeben. Zudem habe oft die Möglichkeit bestanden, vergleichsweise bequem im Homeoffice zu arbeiten. Kein Vergleich jedenfalls zu Krankenoder Altenpflegern oder Verkäuferinnen, die wirklich eine ganz harte Zeit hinter sich hätten. Der Abgeordneten-Mitarbeiter sagt: „Wir haben das nicht gefordert. In unserem Büro überlegen wir jetzt, das Geld für einen wohltätigen Zweck zu spenden.“
Mitarbeiter räumen ein: Es war weniger Arbeit