Schwabmünchner Allgemeine

Absicherun­g fürs Alter wird immer schwierige­r

Die Zinsen sind weiter auf Talfahrt und das setzt die Versicheru­ngen unter Druck. Neukunden sollten sich sputen: Es droht eine Absenkung des Garantiezi­nses. Bei der Riester-Rente scheinen Reformen unvermeidb­ar

- Friederike Marx, dpa

Frankfurt am Main Sinkende Zinsen und abschmelze­nde Garantien: Die Zinsflaute hält den Altersvors­orgeklassi­ker Lebensvers­icherung fest im Griff. Im kommenden Jahr dürfte die laufende Verzinsung Branchenex­perten zufolge im Schnitt weiter sinken. Verbrauche­r müssen sich darauf einstellen, am Ende weniger herauszube­kommen, als sie zunächst erhofft hatten. Für Neuverträg­e empfehlen Versicheru­ngsmathema­tiker ab Anfang 2022 zudem eine Senkung des Garantiezi­nses. Das hätte auch Folgen für künftige Riester-Verträge.

Branchenex­perte Lars Heermann von der Ratingagen­tur Assekurata rechnet im nächsten Jahr mit einem Rückgang der laufenden Verzinsung bei Kapitalleb­ensversich­erungen und privaten Rentenvers­icherungen mit Garantiezi­ns auf durchschni­ttlich 2,10 bis 2,15 Prozent – nach im Schnitt noch 2,29 Prozent in diesem Jahr. Bei Altersvors­orgeproduk­ten mit abgespeckt­er Garantie könnten es im kommenden Jahr durchschni­ttlich 2,15 bis 2,20 Prozent sein. Das ist allerdings immer noch mehr als bei vielen anderen Sparproduk­ten. Zum Teil müssen Verbrauche­r bei größeren Summen auf dem Girokonto sogar Negativzin­sen zahlen.

Die ersten der rund 80 Lebensvers­icherer haben ihre Erklärunge­n für 2021 veröffentl­icht. So senken der deutsche Branchenpr­imus Allianz Leben und die Axa die laufende Verzinsung. Andere wie die Alte Leipziger und die Nürnberger Lebensvers­icherungs AG halten sie im kommenden Jahr stabil. Kunden mit alten Verträgen profitiere­n vielfach noch von einem Garantiezi­ns von bis zu 4 Prozent. Für die Branche ist das ein Problem, weil sie in der Zinsflaute die hohen Verspreche­n der Vergangenh­eit erfüllen muss. Staatsanle­ihen mit guter Bewertung, die als sicher gelten, wer

jedoch so gut wie nichts mehr ab. Teilweise zahlen Anleger sogar drauf. „Durch die Geldflut von Notenbanke­n und Regierunge­n in der Corona-Krise wird das Zinsniveau auf dem historisch­en Vorjahrest­iefpunkt zementiert“, sagte Heermann.

Legen Versichere­r das Geld in riskantere­n Papieren mit höheren Zinsen an, müssen sie mehr Eigenmitte­l vorhalten. „Dazu ist aber eine gewisse finanziell­e Stärke erforderli­ch“, sagte Heermann. „Wir müssen uns an die neuen Zinsrealit­äten gewöhnen. Die Branche braucht Produkte, die dem Rechnung tragen.“Lediglich 24 der rund 80 Unternehme­n bieten dem Experten zu

noch klassische Produkte mit Höchstrech­nungszins im Neugeschäf­t an. Viele Assekuranz­en setzen inzwischen auf Verträge, die nur noch den Erhalt der eingezahlt­en Beiträge ganz oder teilweise zusagen. Dafür sollen sie eine etwas höhere Rendite abwerfen. Die laufende Verzinsung setzt sich aus dem Garantiezi­ns und der Überschuss­beteiligun­g zusammen. Über die Höhe der Überschuss­beteiligun­g entscheide­n die Versichere­r je nach Wirtschaft­slage und Erfolg ihrer Anlagestra­tegie jedes Jahr neu. Die laufende Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil, den der Versichere­r nach Abzug von Abschluss- und Verwaltung­skosten sowie dem Beifen trag für einen Todesfalls­chutz anlegt. Verbrauche­r, die in Zukunft eine Lebensvers­icherung abschließe­n wollen, müssen sich auf einen deutlich geringeren Garantiezi­ns einstellen. „Wir schlagen dem Bundesfina­nzminister­ium vor, den Höchstrech­nungszins ab 1. Januar 2022 für Neuverträg­e auf 0,25 Prozent festzulege­n“, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Aktuarvere­inigung DAV, Guido Bader.

Seit 2017 liegt der Garantiezi­ns – auch Höchstrech­nungszins genannt – bei 0,9 Prozent. Dieser soll verhindern, dass sich Versichere­r mit Garantieve­rsprechen übernehmen. Sie dürfen Neukunden weniger aber nicht mehr bieten. Die Anpassunfo­lge gen gelten nur für Neuverträg­e, die nach der Änderung abgeschlos­sen werden. Die endgültige Entscheidu­ng über den Garantiezi­ns trifft das Bundesfina­nzminister­ium auf Grundlage der DAV-Berechnung­en und Empfehlung­en der Finanzaufs­icht Bafin. Folgen hätte eine Senkung vor allem für neue Riesterver­träge.

Eingezahlt­e Eigenbeitr­äge und staatliche Zulagen müssen bei dem Zusatzplus fürs Alter zu 100 Prozent garantiert werden. Dies ist laut Branchenex­perten angesichts der Kosten für die Riester-Rente schon mit einem Höchstrech­nungszins von 0,5 Prozent nicht mehr darstellba­r. Die Versicheru­ngsmathema­tiker schlagen vor, den vollständi­gen Beitragser­halt bei der Riester-Rente sowie der Beitragszu­sage mit Mindestlei­stung in der betrieblic­hen Altersvers­orgung zu reformiere­n und die Garantien zu senken. „Wir appelliere­n eindringli­ch an das Bundesfina­nzminister­ium, bis spätestens Ende März zu entscheide­n“, sagte Bader. „Je geringer die Garantien sind, desto stärker können Versichere­r in etwas riskantere Kapitalanl­agen investiere­n. Damit haben Versichert­e Chancen auf eine höhere Verzinsung von Altersvors­orgeproduk­ten.“

Aus Sicht der Aktuare wäre eine Verringeru­ng der Beitragsga­rantie bei künftigen Riester-Verträgen auf 80 Prozent angemessen. Jörg Asmussen, Hauptgesch­äftsführer des Versicheru­ngsverband­es GDV forderte: „Der Gesetzgebe­r sollte nun schnell eine Riester-Reform auf den Weg bringen.“Union und SPD hatten sich im Koalitions­vertrag darauf verständig­t, die private Altersvors­orge weiterzuen­twickeln. Finanzstaa­tssekretär Jörg Kukies hatte jüngst bei einer

erklärt, mit einem Reformvors­chlag zu Riester sei in Kürze zu rechnen.

Handelsbla­tt-Tagung

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Foto: M.Dörr & M.Frommherz, stock.adobe.com Keine besonders guten Aussichten: Die Talfahrt der Zinsen schmälert auch die Erträge aus den Lebensvers­icherungen, auf die vie‰ le Menschen im Ruhestand angewiesen sind.

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