Es gärt weiter
Bundestrainer Joachim Löw hat hinter den Kulissen resolut um seinen Job gekämpft. Öffentlich schweigt er
Frankfurt am Main Verbandschef Fritz Keller wollte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Bekenntnis des DFB zum LangzeitBundestrainer über das Thema Nationalmannschaft „nicht reden“. Die Causa Joachim Löw aber erzeugt weiter Aufregung. DFB-Direktor Oliver Bierhoff, verantwortlich für den sportlichen Bereich, soll am Freitag vor dem DFB-Präsidium ein halbes Jahr vor EM-Start nochmals über die wichtigsten Belange der Nationalmannschaft und die Perspektiven mit Löw referieren. Wann sich der Bundestrainer selbst öffentlich zur Aufarbeitung des Spanien-Debakels, möglichen Konsequenzen und den Diskussionen mit der Verbandsspitze äußert, bleibt offen.
Die Fans, deren heiße Liebe zum Nationalteam aus den Tagen des WM-Triumphes von 2014 immer mehr erkaltet (ist), erleben weiterhin einen von ihnen entrückten Löw. Der nächste Pflichttermin für den 60-Jährigen steht am Montag an, wenn in Zürich die Gruppen für die WM-Qualifikation für Katar 2022 ausgelost werden. Da dies wegen der anhaltenden Corona-Pandemie virtuell passiert, wird es auch keine direkten Kontakte geben. Um so mehr wird weiter über die Hintergründe der „einvernehmlichen“DFB-Entscheidung diskutiert, „den seit März 2019 eingeschlagenen
Weg“der Erneuerung mit Löw „uneingeschränkt fortzusetzen“.
Löw selbst hat nie an der Fortsetzung seiner Mission gezweifelt und zeigte sich beim Auftritt mit seinen Assistenten Marcus Sorg und Andreas Köpke vor dem Präsidialausschuss irritiert über das Vorgehen seines Arbeitgebers. Dass die Vertrauens-Bestätigungen
von Bierhoff noch in Spanien und von Keller am Tag danach in München noch einmal in Zweifel gezogen wurden, wertete er als respektlos. Das 0:6 sieht Löw als einen punktuellen Systemabsturz, der reparabel sei. Entsprechend resolut und kämpferisch trat Löw vor der DFB-Spitze auf, wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen Teilnehmer der Konferenz berichtete. Der Bundestrainer verwies auf seine Verdienste mit dem Höhepunkt WM-Erfolg und die schwierigen Umstände für den Re-Start seines Teams nach zehn Monaten Corona-Pause. Löws größte Motivation aber ist: Mit so einer empfindlichen Schlappe wie dem WM-Vorrunden-Aus 2018 oder jetzt dem 0:6 in Spanien will er auf keinen Fall von der internationalen Fußball-Bühne abtreten.
Für den seit 2006 amtierenden Bundestrainer ist nicht einmal ein Abschied nach der Europameisterschaft, also ein Jahr vor Vertragsablauf, eine aktuelle Option. Diese Möglichkeit hatte Präsident Keller nach Informationen der Bild in den Gesprächen zu Löws Zukunft ausgelotet. „Wenn jeder gesund ist, ist unsere Mannschaft, auch wenn sie jung und unerfahren ist, absolut gefährlich“, hatte Löw schon vor den jüngsten Debatten um seinen Job zu den deutschen EM-Aussichten bemerkt.