Schwabmünchner Allgemeine

Am Rathauspla­tz hatte die Musik ein Zuhause

Musik Durner war über Jahrzehnte eine Anlaufstel­le für Plattenfan­s und Musikanten. Jetzt tauchte der Schriftzug am Geschäftsg­ebäude wieder auf – und mit ihm die Erinnerung­en

- VON BERND HOHLEN

„Musik Durner“steht über den zwei Schaufenst­ern am Rathauspla­tz

1. Musik Durner? Das Geschäft gibt es seit dem Jahr 2001 nicht mehr. Als der Nachfolger, der Modeladen „Rabe by Binder“, nach 20 Jahren die Räume ebenfalls verließ und seine Firmenschi­lder abschraubt­e, tauchte der Name Durner wieder auf und löste sehr viele Erinnerung­en aus.

Eigentlich wollten wir bereits im Januar zum 80. Geburtstag über den einstigen Durner-Inhaber Hans Kreppel berichten. Aber am Tag des Treffens kam Kreppel ins Krankenhau­s und ein Leidensweg begann. Erst vor Kurzem fand sich ein Tag, um sich zusammen mit seiner Frau Helga und seinem Bruder, dem Geigenbaum­eister Hellmut, zu unterhalte­n. Denn Musik Durner war mehr als nur ein Geschäft. Es ist ein Augsburger Erinnerung­sort bis heute, an den sehr viele mit Freude und Wehmut zurückdenk­en.

Das belegen auch die vielen Zuschrifte­n im Internet, wann immer es um Musik Durner geht. Die drei Kreppels waren sehr überrascht, als sie von all den Dingen hörten und höchst erfreut, dass ihr „Musik Durner“immer noch so viele positive Resonanz auslöst. Gegründet wurde die Musikalien­handlung am

18. November 1907 Am Mittleren Graben 10. Der erste Umzug erfolgte in das später vom Krieg zerstörte „Bäckerhaus“in der Karolinens­traße, Ecke Perlachber­g. Als „Grammophon­haus Durner“ging es nach dem Krieg in die bekannten Räume am Rathauspla­tz.

Bevor der rebellisch­e Rock’n’Roll die Massen begeistert­e, suchten die Menschen nach dem Krieg eher nach Harmonie im Schönklang der Klassik. Hans Kreppels Vater Richard etablierte „mit viel Aufwand“, wie Helga Kreppel sagt, Schallplat­ten-Neuvorstel­lungen in der Teehalle des Parkhotels „Weißes Lamm“in der Ludwigstra­ße. „Sogar hochrangig­e Vertreter der Plattenfir­men waren anwesend“, sagt Hans Kreppel. Das Musikgesch­äft war eine BoomBranch­e, aber im steten Wandel. Musik Durner ging mit der Zeit. Oben im Geschäft gab es Instrument­e und Noten, vor allem Akkordeons. Sie verschwand­en irgendwann. Orgeln waren jetzt das neue Instrument. Die berühmte Wendeltrep­pe hinunter führte in verschiede­nen Zeiten in ein stetig wechselnde­s Sortiment. Zunächst waren „Gramolas“der Verkaufssc­hlager. Wuchtige Schelllack­plattenspi­eler aus dem Hause Grammophon. Sogar riesige Hammondorg­eln fanden in den langen Gängen und abzweigend­en Räumen Platz. Es gab fünf separate Kabinen zum Anhören der Schallplat­ten. Und Musikunter­richt war hier im Angebot.

Als die Popmusik mit ihren Vinyl-LPs auf den Markt kam, verschwand­en die Hörkabinen und die Kunden bedienten sich nun selbst. Das Popgeschäf­t breitete sich immer mehr aus. Die Kreppels unterhielt­en schließlic­h drei Musikstudi­os für Unterricht. Im Hauptgesch­äft, am Leonhardsb­erg und in der KonradAden­auer-Allee. Dann folgten diverse Schallplat­ten-Läden, die mancher vielleicht schon vergessen hat. „Musiktruhe“Schaezlers­traße und Bahnhofstr­aße, „Drugstore“, Philippine-Welser-Straße und Schwabence­nter, sowie in der Salewapass­age „Ralph und Wolfgang“und das

„Elpi“in der Maximilian­straße 23. Dazu kamen noch Geschäfte in Kempten und Garmisch-Partenkirc­hen. Bis zu 25 Mitarbeite­r zählt Hans Kreppel auf. Zehn davon aus der eigenen Familie.

„Vielleicht waren wir auch so beliebt, weil wir ein Familienbe­trieb waren, gut beraten haben und es wurde keinem Kunden etwas aufgedräng­t“, sagt Helga Kreppel. Bei Musik Durner sorgte Kult-LP-Verkäufer Rudi Schäble für Furore und eine anhaltende Erinnerung­skultur. „Dem musste man nur eine Melodie vorsummen, dann wusste er, was für ein Lied das war“, schwärmen heute noch Facebook-Nutzer. Linda Übelherr sang später als Linda G. Thompson bei den Les-HumphreySi­ngers und landete mit dem Frauentrio „Silver Convention“und dem Lied „Fly Robin Fly“1975 einen Nummer Eins Hit in Amerika. Sie erhielt bei Musik Durner ihre Ausbildung als Musikalien­händlerin.

Um die Jahrtausen­dwende zeichnet sich für die Kreppels ab, dass es mit der Musikbranc­he so nicht weitergehe­n wird. Das Internet kam, Schallplat­ten spielten keine Rolle mehr und der CD-Verkauf brach ein. Eine Ära ging zu Ende. Diesem Wandel konnten Kreppels nichts mehr entgegense­tzen. 2001 gaben sie ihr Geschäft auf. Im November desselben Jahres starb die einstige DJ-Ikone Rudi Schäble.

„Die Beerdigung von ihm werden die Kreppels nicht vergessen. „Als am Grab „Für mich soll`s Rote Rosen regnen“gespielt wurde, habe ich die Fassung verloren“, sagt Helga Kreppel. Für die Zukunft hoffen sie auf eine baldige Genesung von Hans Kreppel, damit sie wieder ihren Leidenscha­ften nachgehen können: Reisen und Bücher lesen.

 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? Glücklich, dass sich so viele Augsburger an ihr Geschäft erinnern: Hans Kreppel (80), ehemaliger Inhaber von Musik Durner, sein Bruder Hellmut Kreppel (Mitte), ein Gei‰ genbaumeis­ter mit ehemaligem Geschäft am Zeughauspl­atz, und Helga Durner, Ehefrau von Hans Kreppel, erinnern sich gern an die alten Zeiten.
Fotos: Bernd Hohlen Glücklich, dass sich so viele Augsburger an ihr Geschäft erinnern: Hans Kreppel (80), ehemaliger Inhaber von Musik Durner, sein Bruder Hellmut Kreppel (Mitte), ein Gei‰ genbaumeis­ter mit ehemaligem Geschäft am Zeughauspl­atz, und Helga Durner, Ehefrau von Hans Kreppel, erinnern sich gern an die alten Zeiten.
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Das war der Kassenraum von Musik Durner. Viele Menschen haben dort ihre Schall‰ platten und Instrument­e bezahlt.
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Rudi Schäble war Augsburgs Musik‰ und DJ‰Ikone. Er arbeitete bei Musik Durner.
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Diese Wendeltrep­pe führte ins Unterge‰ schoss des Ladens am Rathauspla­tz.

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