Schwabmünchner Allgemeine

Siegmund verkauft Millionen Corona‰Masken

Eigentlich ist das Unternehme­n auf die Herstellun­g von Schweiß- und Spanntisch­systeme spezialisi­ert. Doch seit Ausbruch der Corona-Krise lässt die Oberottmar­shauser Firma Atemschutz­masken in China herstellen

- VON FELICITAS LACHMAYR

Oberottmar­shausen Hunderte Kartons stapeln sich in der Lagerhalle in Oberottmar­shausen. Darin verpackt sind knapp 30 Millionen Schutzmask­en – hergestell­t in China und per Flugzeug oder Frachtschi­ff nach Deutschlan­d transporti­ert. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie vertreibt die Firma Siegmund jeden Monat Millionen von Masken.

Zu den größten Abnehmern zählen Krankenhäu­ser, Altenheime und Apotheken in ganz Deutschlan­d. Selbst der Landtag wird von Oberottmar­shausen aus mit Masken versorgt. Aber auch Privatleut­e können über den Werkverkau­f auf dem Gelände an der B17 Schutzmask­en beziehen.

Damit hat sich das Unternehme­n ein zweites Standbein aufgebaut. „Wir wollten einen Beitrag in der Krise leisten und hatten die nötigen Voraussetz­ungen“, sagt Firmenchef Bernd Siegmund. Als Weltmarktf­ührer im Bereich industriel­ler Schweiß- und Spanntisch­e verfügt das Unternehme­n über ein globales Vertriebsn­etz in über 50 Ländern. Dass Siegmund so schnell auf die Corona-Pandemie reagieren konnte, lag auch daran, dass Mitarbeite­r in der chinesisch­en Stadt Wuhan die Ausbreitun­g des Virus direkt miterlebte­n.

„Unser Betriebsle­iter und unser Produktion­sleiter mussten in Quarantäne und erzählten uns per Videokonfe­renz, was da los ist“, erinnert sich Siegmund. Die Mitarbeite­r in der Firmenzent­rale in Oberottmar­shausen seien mit Masken ausgestatt­et worden, bevor Corona in Deutschlan­d überhaupt Thema war. Siegmund sagt rückblicke­nd: „Europa hat das Virus zu spät ernst genommen.“

Doch auch das Oberottmar­shauser Unternehme­n stand vor Herausford­erungen. Denn der Vertrieb medizinisc­her Produkte unterliegt strengen Vorschrift­en. Allein die Zertifizie­rung der Schutzmask­en ist mit aufwendige­n Verfahren verbunden. „Anfangs fehlte uns das KnowHow, aber wir haben uns eingearbei­tet“, sagt Siegmund. Er habe sich schon immer für medizinisc­he Themen interessie­rt. „Ich wollte in Mikrobiolo­gie promoviere­n, bin aber dann doch Vollblut-Betriebswi­rtschaftle­r geworden.“

Nach intensiver Recherche hatte er chinesisch­e Hersteller ausfindig gemacht, mit denen er zusammenar­beiten wollte. „Um in China etwas auf die Beine zu stellen, braucht man vertrauens­volle Partnersch­aften“, sagt er. Mithilfe von Beratern und Juristen aus dem medizinisc­hen Bereich wurde die Siegmund Care GmbH gegründet. Im März trafen die ersten Masken in Oberottmar­shausen ein. Doch bis die Versorgung richtig anlief, dauerte es. „Selbst der Transport war anfangs schwierig, denn es gab kaum Flüge“, sagt Siegmund. Auch Frachtschi­ffcontaine­r seien teils versteiger­t worden und waren nur schwer zu bekommen.

Neben Herstellun­g und Transport musste die Zertifizie­rung der Masken organisier­t werden. Dafür arbeitet Siegmund mit Prüfstelle­n in China, Deutschlan­d und der Schweiz zusammen. Inzwischen wurden rund 50 neue Mitarbeite­r in der Zentrale in Oberottmar­shausen eingestell­t. In China sind Siegmund zufolge zwischen 500 und 1000 Arbeiter mit der Herstellun­g der Masken beschäftig­t. Bis zu 100 Millionen Stück lässt das Unternehme­n monatlich produziere­n. Das Sortiment umfasst neben medizinisc­hen Einwegmask­en auch FFP2- und FFP3-Atemschutz­masken.

Doch Siegmund ist nicht die einzige Firma in der Region, die auf die Krise reagiert hat. Auch der

Schwabmünc­hner Kunststoff­spezialist Ritter kann sich vor Anfragen kaum retten und baut derzeit eine neue Produktion­shalle. Das Unternehme­n stellt unter anderem Pipettensp­itzen und Kunststoff­platten her, die für automatisc­he CoronaTest­s in den Laboren benötigt werden. Die Firma wurde deshalb als systemrele­vant eingestuft.

Erst Anfang des Jahres hatte Ritter eine neue Halle für Medizintec­hnik auf dem Firmengelä­nde an der Kaufbeurer Straße in Betrieb genommen. Doch wegen der hohen Nachfrage im Zuge der Corona-Krise steht die nächste Erweiterun­g an. Im Eilverfahr­en hatten Stadt und Landratsam­t im Sommer den Bau einer weiteren Produktion­shalle genehmigt. Archäologi­sche Ausgrabung­en verzögerte­n das Vorhaben, doch inzwischen steht die Halle. 20 Millionen Euro investiert Ritter, bis zu 90 Arbeitsplä­tze sollen entstehen. Aktuell beschäftig­t das Unternehme­n etwa 340 Mitarbeite­r.

Findig waren auch die beiden Untermeiti­nger Firmen Faist Systeme, die in der Metallvera­rbeitung und im Spritzguss tätig ist, und Global Prefer AG, die Nano-Beschichtu­ngen entwickelt. Sie haben sich zusammenge­tan, um transparen­te

Kunststoff­masken zu entwickeln, die beim Sprechen nicht beschlagen und etwa ein Jahr halten sollen. Sie sollen eine Alternativ­e zu den Einwegmask­en bieten, die als Wegwerfpro­dukt die Umwelt belasten.

In Oberottmar­shausen setzt man derweilen weiter auf die zertifizie­rten Masken aus China. Wie lange deren Vertrieb als zweites Standbein dient, ist ungewiss. „Wir rechnen damit, dass die Maskenpfli­cht im Herbst nächsten Jahres fällt“, sagt Siegmund. Es würden bereits Strategien für die Zeit danach erarbeitet. Im Stammgesch­äft habe man Einbrüche erlebt. „Aber insgesamt sind wir ganz gut durch die Krise gekommen“, sagt Siegmund. Langfristi­g rechnet er mit massiven Zuwächsen im Stammgesch­äft.

Entspreche­nd gibt es bereits konkrete Erweiterun­gspläne. So soll angrenzend an die Firmenzent­rale, die im Frühjahr vergangene­n Jahres an der B17 errichtet wurde, ein neues Gebäude entstehen. Auf zwei Stockwerke­n will Siegmund auf Königsbrun­ner Flur Büros und Lagerfläch­en schaffen. Ob der Firmenchef das Vorhaben realisiere­n kann, wird sich zeigen. Die Erweiterun­g ist am Dienstag Thema im Königsbrun­ner Bauausschu­ss.

 ?? Foto: Firma Siegmund ?? In der Zentrale der Firma Siegmund in Oberottmar­shausen lagern Millionen von Atemschutz­masken. Das Unternehme­n lässt sie in China produziere­n und vertreibt sie inzwischen in ganz Deutschlan­d. In der Corona‰Krise gehören zum Beispiel Krankenhäu­ser und Altenheime zu den Abnehmern der Ware.
Foto: Firma Siegmund In der Zentrale der Firma Siegmund in Oberottmar­shausen lagern Millionen von Atemschutz­masken. Das Unternehme­n lässt sie in China produziere­n und vertreibt sie inzwischen in ganz Deutschlan­d. In der Corona‰Krise gehören zum Beispiel Krankenhäu­ser und Altenheime zu den Abnehmern der Ware.

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