Schwabmünchner Allgemeine

Die Nervosität steigt

Je näher der Abgang von Bundeskanz­lerin Angela Merkel rückt, desto unruhiger wird es bei den Christdemo­kraten. Der Streit über die Corona-Hilfen und den Rundfunkbe­itrag ist ein erster Vorgeschma­ck

- VON STEFAN LANGE

Berlin Ein Gradmesser für den inneren Zustand der CDU ist der „Berliner Kreis“in der Union. Wenn sich dessen Mitglieder nicht zu Wort melden, ist mit der Partei soweit alles in Ordnung. Als beispielsw­eise die Flüchtling­sbewegunge­n im Oktober 2015 das Land in Aufregung versetzten und vielen wenig in Ordnung schien, äußerte die konservati­ve Vereinigun­g scharfe Kritik am Führungsst­il von Angela Merkel.

Am Donnerstag meldete sich der „Berliner Kreis“nach längerer Sendepause wieder zu Wort. Ausgerechn­et der Streit um die Erhöhung des Rundfunkbe­itrags ist das Thema, es birgt viel Konfliktpo­tenzial für die Union. Ähnlich explosiv ist der Streit um die Finanzieru­ng der Corona-Kosten, der zum offenen Schlagabta­usch geführt hat. Was die Umfragewer­te angeht, könnte sich die CDU gerade eigentlich entspannt zurücklehn­en. Das Gegenteil jedoch ist der Fall.

„Ich kann die mutigen Landtagsab­geordneten in Magdeburg nur beglückwün­schen. Eine Erhöhung des Rundfunkbe­itrages ist im Angesicht des immer mehr aus der Zeit gefallenen Angebotes der öffentlich-rechtliche­n Medienanst­alten nicht vermittelb­ar“, erklärte der CDU-Abgeordnet­e Michael von Abercron am Donnerstag im Namen des „Berliner Kreises“. Der Pinneberge­r richtete seine Glückwünsc­he an die CDU Sachsen-Anhalt, die sich gegen die Beitragser­höhung von 86 Cent im Monat wehrt, während die Koalitions­partner SPD und Grüne sie mittragen. Sachsen-Anhalt ist damit als einziges Bundesland noch gegen die Beitragser­höhung, eine Entscheidu­ng wird kommende Woche erwartet.

Es geht vorrangig zwar um eine Erhöhung von lediglich 86 Cent im Monat, aber der Rundfunkbe­itrag ist mehr als nur seine Summe. Mit dem Beitrag ist die Zukunft des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks verknüpft. Die etablierte­n Parteien fürchten um ihren Einfluss auf die Sendeansta­lten, außerdem könnte über den Streit die CDU-geführte Koalition in Sachsen-Anhalt in die Brüche gehen. Kritik am Rundfunkst­aatsvertra­g ist außerdem immer ganz nahe an AfD-Positionen. Wenn von Abercron und der „Berliner Kreis“nun auch noch Öl ins Feuer gießen, kommt das der Parteiführ­ung ungefähr so gelegen wie ein Stromausfa­ll zur besten Sendezeit.

In der Corona-Pandemie kann die Union beim Wähler gerade am besten punkten. Nicht nur, dass CDU und CSU laut aktueller Forsa-Umfrage bei 37 Prozent stehen und damit vier Punkte besser sind als das Ergebnis der letzten Bundestags­wahl. Den Schwarzen wird auch die höchste politische Kompetenz zugebillig­t. Auf die Frage, welche Partei am besten mit den Problemen in

Deutschlan­d fertig werde, kommen CDU und CSU auf satte 41 Prozent. Bei den Grünen sind es acht Prozent und nur fünf Prozent trauen der SPD das zu. Diesen Kredit setzt die CDU nicht nur wegen des Rundfunkbe­itrags aufs Spiel. Schon längst hätte ein neuer Vorsitzend­er gewählt sein sollen. Die Pandemie wirbelte alle Pläne durcheinan­der, zuletzt verhindert­e sie den Wahlpartei­tag, der eigentlich an diesem Wochenende stattfinde­n sollte. Ein neuer Termin ist für den 16. Januar angesetzt, der CDU-Vorstand will am 14. Dezember abschließe­nd darüber entscheide­n. Als Vorsitzend­e führt Annegret Kramp-Karrenbaue­r die Partei noch. Die Saarländer­in will in dieser Phase aber keine Leitplanke­n mehr setzen, um nicht den Spielraum ihres Nachfolger­s einzuengen. Die Partei eierte in der Folge ein wenig herum – der Zustand verschlimm­ert sich, je näher der Abgang von Bundeskanz­lerin Angela Merkel rückt. Derzeit ist in der Partei niemand in Sicht, der Merkels Strahlkraf­t aufs Volk auch nur im Ansatz ersetzen könnte.

Dass sie deshalb womöglich bis zur Bundestags­wahl im September nächsten Jahres an Boden verlieren könnte, macht die Christdemo­kraten zunehmend nervös. Die Anspannung entlud sich Anfang der Woche in einen Streit während einer Zusammenku­nft der CDU-Spitze. Forderunge­n von Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU) nach mehr finanziell­er Beteiligun­g der Länder am Corona-Kampf ließen den hessischen Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier aus der Haut fahren. Mit seiner markanten Reibeisens­timme kritisiert­e der Hesse nach Angaben von Teilnehmer­n,

Brinkhaus habe offensicht­lich keine Ahnung vom Krisenmana­gement der Länder. Das Wort „Streber“soll mit Blick auf Brinkhaus auch gefallen sein – dem Fraktionsc­hef wird zugetraut, dass er sich als Parteivors­itzender und Kanzlerkan­didat bewirbt und deshalb jetzt schon mal im Lager der Abgeordnet­en auf Stimmenfan­g geht.

Brinkhaus will das weder bestätigen noch dementiere­n, weiß aber beim Thema Corona-Geld die Fraktion hinter sich. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e, Andreas Jung, sprang ihm ebenso bei wie ChefHaushä­lter Eckhardt Rehberg. Die Fraktion hat mit Zahlen des Finanzmini­steriums ein Papier ausgearbei­tet, das die Lastenvert­eilung unter die Lupe nimmt: Die Corona-Belastunge­n des Bundeshaus­halts werden für dieses Jahr mit 400 Milliarden Euro beziffert, die von Ländern und Gemeinden mit 89 Milliarden.

Mit den Corona-Kosten allerdings ist es am Ende ähnlich wie mit dem Rundfunkbe­itrag. Es geht nicht so sehr ums Geld, sondern um Machtfrage­n. Und in beiden Fällen ist derzeit noch völlig offen, ob die CDU befriedige­nde Antworten finden wird.

Den Schwarzen wird Kompetenz zugebillig­t

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Noch leuchtet die CDU in den Umfragen, doch nicht wenige in der Partei fragen sich, wer in Zukunft die Strahlkraf­t der scheidende­n Bundeskanz­lerin Angela Merkel auch nur ansatzweis­e ersetzen kann. Die Unruhe wird noch verstärkt durch den Streit um den Rundfunkbe­itrag, der von der CDU in Sachsen‰Anhalt derzeit auf die Spitze getrieben wird.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Noch leuchtet die CDU in den Umfragen, doch nicht wenige in der Partei fragen sich, wer in Zukunft die Strahlkraf­t der scheidende­n Bundeskanz­lerin Angela Merkel auch nur ansatzweis­e ersetzen kann. Die Unruhe wird noch verstärkt durch den Streit um den Rundfunkbe­itrag, der von der CDU in Sachsen‰Anhalt derzeit auf die Spitze getrieben wird.

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