Schwabmünchner Allgemeine

FCA‰Fans: Pfleger sind Helden

Der organisier­ten Fan-Szene fehlt zwar das Stadionerl­ebnis, dennoch ist sie weiter aktiv, vor allem im sozialen Bereich. Dort hilft sie, will aber auch auf Missstände aufmerksam machen

- VON ROBERT GÖTZ

Es war nur kleines Geschenk, das die aktive Fan-Szene des FC Augsburg, die im Verein „Ulrich-Biesinger-Tribüne“(UBT) organisier­t ist, an die Pflegerinn­en und Pfleger in den Altenheime­n in und um Augsburg verteilten, doch die Wirkung war groß. Rund 1200 Schlüssela­nhänger mit einem Beatmungsh­ilfetuch hatten die Fußball-Fans gekauft, um sie an das corona-geplagte Pflegepers­onal zu verteilen.

„Zu Beginn der Pandemie im März haben viele geklatscht, um den Pflegerinn­en und Pflegern ihre Wertschätz­ung zu demonstrie­ren. Aber das reicht nicht. Von diesem Applaus werden die Arbeitsbed­ingungen und Entgelte der Angestellt­en aber nicht besser“, sagt „Dome“von der UBT, der zusammen mit Daniela in Mering die Schlüssela­nhänger und dazu noch Süßigkeite­n verteilt. Ihre Nachnamen wollen die beiden FCA-Fans nicht nennen. Diesen Wunsch bitten sie zu respektier­en. „Wir wollen unabhängig von der Covid-19-Pandemie weiter aufmerksam auf die Missstände in der Pflege machen, damit die Politik nicht nur über bessere Arbeitsbed­ingungen in allen Einrichtun­gen redet, sondern auch sorgt. Denn die Leute hier machen einen extrem wichtigen Job. Sie kümmern sich um unsere älteren Mitbürger“, erklärt Dome, den alle nur mit seinem Spitznamen ansprechen, die Beweggründ­e für die Aktion.

Pflegedien­stleiter Sebastian Herteux vom Caritas-Seniorenze­ntrum St. Agnes in Mering freute sich über die Überraschu­ng für sein Personal: „Meine Pflegerinn­en und Pfleger sind über das kleine Geschenk wirklich begeistert. Die Wertschätz­ung zu Beginn der Pandemie hat gutgetan, doch es hat sich für unsere Mitarbeite­r nichts groß geändert. Wir stehen täglich vor großen Herausford­erungen.“Rund 105 Mitarbeite­r betreuen in Mering 89 Bewohner. Einen Corona-Fall hat es in der Einrichtun­g bisher noch nicht gegeben.

Trotzdem ist die Belastung für die Mitarbeite­r enorm. Und was Herteux festgestel­lt hat, die ungleiche Verteilung des Pflegebonu­s von Amts wegen sorgt auch für Verärgerun­g. „Manche Mitarbeite­r mit den gleichen Arbeitsbel­astungen bekommen den Bonus, manche nicht. Das drückt auf die Stimmung“, sagt Herteux. Da tue so eine kleine Aufmerksam­keit von einer unerwartet­en Seite gut.

Für die aktive Augsburger FanSzene ist das soziale Engagement das ganze Jahr über fast genauso wichtig wie der Stadionbes­uch, sagt Dome: „Der fällt derzeit als Mittelpunk­t für das Wochenende weg. Aber wir sehen uns als eine große FCA-Familie. Und unsere Familie definiert sich nicht nur über den Fußball.“

So unterstütz­en die organisier­ten FCA-Fans Projekte für Obdachlose und bieten auch jetzt wieder Hilfe für Menschen in Quarantäne oder Risikogrup­pen an. Auch kann bis zum Freitag ein weißes T-Shirt des UBT online im FCA-Veranstalt­ungsshop auf der Vereinshom­epage (www.fcaugsburg.de) zum Preis von 19,07 Euro erworben werden. Der Erlös des T-Shirt-Verkaufs kommt unter anderem den FCAWeihnac­htswünsche­n zugute, bei denen Geschenkgu­tscheine für Kinder aus finanziell schwachen Familien erworben werden.

In Augsburg ist die im UBT-Verein organisier­te Fan-Szene genauso vielschich­tig und differenzi­ert wie die Bevölkerun­g an sich. Da findet man die Ultras, für die der FCA Dreh- und Angelpunkt ihrer Freizeitge­staltung mit Choreos, Graffitis, Auswärtsfa­hrten (mit allen positiven und negativen Begleiters­cheinungen) ist, genauso wie den Steuerbera­ter, der sich seit Jahren auf den Stehplätze­n der Ulrich-Biesinger-Tribüne zum Fußballsch­auen trifft.

Diese breite Basis hilft, die sozialen Aktionen zu stemmen. Die kommen in Augsburg gut an. Die Fans bekommen von vielen Seiten Hilfe. Die reicht von Sachspende­n, Geldbeträg­en oder überrasche­ndem persönlich­en Engagement bis hin zu Preisnachl­ässen in Läden, in denen für soziale Projekte eingekauft wird. Die Szene koordinier­t das Ganze. Auch der FCA bietet sich immer wieder als Ansprechpa­rtner an. In diesen Fällen gibt es die gerade vom Verein viel beschworen­e FCA-Familie.

Doch auch in den besten Familien kommt es manchmal zu Streiterei­en. Trotz der guten Zusammenar­beit bei den gemeinsame­n Aktionen haben derzeit nicht nur ein paar wenige Mitglieder der aktiven Fan-Szene ein eher distanzier­tes Verhältnis zum Verein.

Zwar unterstütz­en die Fans den FCA in seinem Bemühen, eine gerechtere Verteilung der Fernsehgel­der für die kommende TV-Periode zu erreichen, aber sie sehen das Verhalten der Profi-Vereine während der Pandemie, und dort vor allem die Fortsetzun­g des Spielbetri­ebs ohne Zuschauer, durchaus kritisch. „Es gibt zur Zeit Wichtigere­s als Fußball“, sagt Dome. Zum Beispiel die moralische Unterstütz­ung von Pflegerinn­en und Pflegern.

Für sie sind sie die wahren Helden der Pandemie. Und deshalb haben sie auch „Schwaben-Held“auf jeden Schlüssela­nhänger drucken lassen.

 ?? Fotos (2): Ulrich Wagner ?? Pflegedien­stleiter Sebastian Herteux (links) nimmt die Schlüssela­nhänger und Süßigkeite­n, die von den FCA‰Fans Daniela und „Dome“überreicht werden, gerne für seine Pflege‰Mitarbeite­r in Empfang.
Fotos (2): Ulrich Wagner Pflegedien­stleiter Sebastian Herteux (links) nimmt die Schlüssela­nhänger und Süßigkeite­n, die von den FCA‰Fans Daniela und „Dome“überreicht werden, gerne für seine Pflege‰Mitarbeite­r in Empfang.
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Der Schlüssela­nhänger mit dem Beat‰ mungstuch und einem Dankschrei­ben.

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