Schwabmünchner Allgemeine

Mann gibt sich im Internet als Frau aus und zockt ab

Ein 31-Jähriger fällt auf die Masche herein und schickt mehrmals Geld und Computerzu­behör. Wer hinter der Tat steckt

- VON KLAUS UTZNI

Alles begann harmlos: Thomas, 31, (alle Namen der Betroffene­n geändert), lernte auf einer Spiele-Plattform im Internet Fatma kennen, eine junge, türkischst­ämmige Frau aus Augsburg. Beide freundeten sich an. Fatma schickte ihm Fotos, sie unterhielt­en sich stundenlan­g auf einer Chat-Plattform über Gott und die Welt. Aus der Internetfr­eundschaft, die im Juni 2018 begann, wurde für Thomas die große Liebe.

Fatma postete weitere Fotos, auch intimer Art. Dass diese Bilder nur den Körper, aber nicht den Kopf zeigten, fiel Thomas, der aus dem nordbayeri­schen Raum stammt, nicht auf. Auch wunderte er sich nicht, als Fatma ihn mit der Zeit um finanziell­e Hilfe bat. Er überwies ihr nicht nur Geld, sondern schickte per Post auch einen Spiele-PC, eine Soundanlag­e, einen PC-Bildschirm und diverse Computerte­ile im Gesamtwert von etlichen tausend Euro.

Immer wieder bat Thomas seine Freundin um ein Telefonat. Sie lehnte mit vagen Begründung­en ab. Auch ein von ihm sehnlich gewünschte­s Treffen kam nie zu Stande. Die Liebe im Internet endete für Thomas mit einer tiefen Enttäuschu­ng. Denn Fatma war in Wahrheit ein Mann – der 24-jährige Michael aus Augsburg. Das Foto, das er Thomas zu Beginn der Freundscha­ft zugeschick­t hatte, zeigte seine Ex-Freundin Fatma, die anderen – „kopflosen“Bilder waren wahllos aus dem Internet herunter geladene Abbildunge­n fremder Frauen.

Dass die Polizei überhaupt gegen Michael wegen Betrugs und eines Verstoßes nach dem Kunsturheb­erGesetz ermittelte, war einer kleinen Nachlässig­keit geschuldet. Denn Michael hatte nicht nur Fotos seiner Ex verschickt, sondern auf der Spiele-Plattform auch deren tatsächlic­hen Vornamen benutzt. Was die Ex-Freundin schließlic­h entdeckte. Sie ging zur Polizei.

Michael musste seine wahre Identität lüften. Er telefonier­te mit Thomas, entschuldi­gte sich. Er bot ihm ein „Schmerzens­geld“an, wollte ihm 1500 Euro „Abschlag“zahlen. Doch Thomas antwortete nicht. Die ungewöhnli­che, wenn auch einseitige Liebesgesc­hichte, endete für Michael auf der Anklageban­k vor Amtsrichte­rin Ulrike Ebel-Scheufele. Michael (Verteidige­rin: Mandana Mauss), kein Beruf, kein Job, saß teils bis zu 16 Stunden vor dem PC, vertrieb sich die Zeit mit Computersp­ielen. „Ich wollte einfach Abstand zur Realität gewinnen“, begründete er nun im Prozess, warum er sich als Frau ausgegeben und sich auf eine Internet-Beziehung mit Thomas eingelasse­n hatte. Aber, so beteuerte er, der Fake sei von Anfang an nicht auf Betrug ausgelegt gewesen.

Er habe Schulden gehabt und deshalb um Geld und Computerte­ile gebeten, die er dann billig verkauft habe. „Es gab eine Eigendynam­ik, die nicht vorauszuse­hen war“, versuchte Michael zu erklären, warum sich die seltsame Beziehung immer mehr hinzog, er immer öfter lügen musste, um einem persönlich­en Treffen aus dem Weg zu gehen. „Ich wollte die Wahrheit vermeiden, irgendwie aus dem Internet verschwind­en“, sagte er dem Gericht, wie er sich eine Lösung des Problems vorgestell­t hatte. „Mir tut alles sehr leid. Ich habe auch einen Freund verloren“, ließ der Angeklagte durchblick­en, dass er für seine Internet-Bekanntsch­aft zumindest freundscha­ftliche Gefühle gehegt hatte.

Richterin Ebel-Scheufele hatte das Opfer nicht als Zeugen geladen. Thomas hatte inständig gebeten, nicht zum Prozess kommen zu müssen, er habe überhaupt kein Interesse an einer Bestrafung. Weil der Angeklagte ein Geständnis in Aussicht gestellt hatte, konnte das Gericht dem Wunsch des Opfers nachkommen. Die Richterin verlas allerdings einige Aussagen, die Thomas vor der Kripo gemacht hatte. Darin schildert das Opfer, wie er seine große Liebe, also Fatma, nicht verlieren wollte. „Als ich die Wahrheit erfuhr, war ich furchtbar geschockt. Ich war verzweifel­t, ich habe Monate gebraucht, um das zu verarbeite­n“. Im Nachhinein sei ihm alles „furchtbar peinlich“, erzählte Thomas der Polizei.

Am Ende fragte die Richterin den Angeklagte­n, wie es derzeit mit einer Beziehung stehe. „Ich habe eine Freundin“, antwortete Michael. Sie lebe in Norwegen. „Haben sie sich mit ihr schon einmal getroffen?“wollte das Gericht wissen. „Nein“, sagte der Angeklagte. Das laufe alles über das Internet. Mit dem Urteil des Gerichts wird Michael leben können: Drei Monate auf Bewährung und 200 Sozialstun­den. Er muss Wertersatz von 1800 Euro leisten. Wie von Verteidige­rin Mandana Mauss beantragt, wird Michael einen Bewährungs­helfer zur Seite gestellt bekommen – auch damit er in der realen Welt einen Ansprechpa­rtner hat.

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Symbolfoto: Henrik Josef Boerger, dpa Aus einer Internetfr­eundschaft wurde für einen Mann die große Liebe. Deshalb dachte er sich nichts dabei, als Fatma ihn um Geld bat.

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