Schwabmünchner Allgemeine

So stehen die Chancen fürs 365‰Euro‰Ticket

In Nürnberg ist es schon beschlosse­n, in München macht die Opposition Druck und in Augsburg wird noch diskutiert. Doch wer die Kosten trägt, ist überall unklar

- VON STEFAN KROG

Nürnberg hat die Einführung im Grundsatz beschlosse­n, in München macht aktuell die gesammelte Rathausopp­osition Druck, und auch in Augsburg wird diskutiert: Es geht um ein 365-Euro-Ticket für jedermann, eines der kontrovers­en Themen im vergangene­n Wahlkampf. Im schwarz-grünen Koalitions­vertrag ist festgeschr­ieben, dass ein solches Abo ohne Sperrzeit (das bisherige Angebot ist erst nach 9 Uhr gültig) „langfristi­g“kommen soll. Stadtwerke-Chef Walter Casazza legte zuletzt erstmals konkrete Zahlen vor, was die Einführung eines solchen Tickets die Stadtwerke kosten würde.

Zu den bisher schon bekannten zwölf bis 13 Millionen Euro Weniger-Einnahmen aus dem Fahrkarten­verkauf kämen 54 Millionen Euro Anschub-Investitio­nen für mehr Fahrzeuge und Abstellmög­lichkeiten hinzu, so Casazza. Aufgrund von erwartbare­n Fahrgastzu­wächsen gehen die Stadtwerke davon aus, 13 zusätzlich­e Straßenbah­nen kaufen zu müssen. Gerechnet sind diese Zahlen auf die Nach-Corona-Zeit.

Ein 365-Euro-Abo, so Casazza, sei ein „schwierige­s Unterfange­n“. Einerseits sei es ein gutes Angebot für die Kunden, anderersei­ts müsse die öffentlich­e Hand dafür viel Geld in die Hand nehmen. „Die Rechnung, dass man auf diese Weise mehr Kunden bekommt und sich das Angebot so rechnet, geht nicht auf“, so Casazza. „Aus heutiger Sicht kann ich Ihnen nicht raten, sich diesem Thema zuzuwenden, weil es nicht finanzierb­ar ist“, so Casazza.

Im Wirtschaft­sausschuss des Stadtrats, wo Casazza seinen Bericht vorlegte, wurden die Zahlen unterschie­dlich aufgenomme­n. Sozialfrak­tions-Stadtrat Dirk Wurm, der als SPD-OB-Kandidat ein 365-Ticket gefordert hatte, forderte noch zusätzlich­e Details zur Rechnung der Stadtwerke. Das Unternehme­n ist aktuell ohnehin dabei, neue Straßenbah­nen zu beschaffen (unter anderem wegen der Verlängeru­ng der Linie 3 nach Königsbrun­n) und die Abstellkap­azitäten zu erweitern. Die entscheide­nde Frage sei, ob die Stadt Druck auf den Freistaat machen wolle, was eine Finanzieru­ng betrifft, so Wurm. Bekannt ist, dass Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) zuletzt im Verkehrsmi­nisterium Gespräche darüber führte, wie der Nahverkehr besser finanziert werden kann. Ergebnisse wurden noch nicht bekannt.

Grünen-Stadtrat Matthias Lorentzen erinnerte an die Aussagen von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vor der Landtagswa­hl 2018, als dieser Zuschüsse für ein 365-Euro-Ticket in den bayerische­n Großstädte­n in Aussicht gestellt hatte. Inzwischen spricht der Freistaat von einem langfristi­gen Modell, dessen Umsetzung in den kommenden Jahren nicht absehbar ist. Auch das, so Lorentzen, müsse man zur Kenntnis nehmen, und verwies auf Nürnberg. Dort hat die Stadt in Reaktion auf ein Bürgerbege­hren im Sommer angekündig­t, das 365-Euro-Ticket bis 2023 einzuführe­n. Das Signal ist gesetzt, die Finanzieru­ng aber noch nicht geklärt.

Casazza verwies auch darauf, dass in Wien, das als Vorbild gilt, die Parkgebühr­en gleichzeit­ig deutlich erhöht wurden, um Einnahmequ­ellen zu schaffen. „Man hat den Bürger sehr rigoros in die Taschen gegriffen.“Bei der Bewertung des dortigen Fahrgastzu­wachses müsse man auch berücksich­tigen, dass Wien sein Streckenne­tz in den Jahren vor der Einführung des 365-Euro-Abos erweitert habe, was den Nahverkehr attraktive­r gemacht habe.

Zum konkreten weiteren Vorgehen bei dem Thema gab es im Ausschuss keine weitere Aussprache zwischen den Parteien. CSU und Grünen hatten in einem gemeinsame­n Antrag eine Stellungna­hme der Stadtwerke gefordert, wobei die Koalitions­partner sich dem Thema wohl aus zwei unterschie­dlichen Richtungen annähern. Während die CSU deutlich machte, dass sie keine unrealisti­schen Erwartunge­n wecken wolle, sehen die Grünen in der Einführung eines 365-Tickets eine Chance zur Attraktivi­erung des Nahverkehr­s. Bei den Thema scheinen die Parteigren­zen etwas zu verschwimm­en: Nürnberg, das den Vorreiter bei dem Thema in Bayern macht, hat seit dem Frühjahr einen CSUOberbür­germeister. Und im rotgrün regierten München, wo ein 365-Euro-Ticket auch als Ziel im Koalitions­vertrag steht, macht die Opposition unter Beteiligun­g von CSU und Linken Druck für ein solches Ticket. Auch hier ist die Finanzieru­ng aber nicht geklärt.

Klar ist hingegen, dass der Nahverkehr in den vergangene­n Jahren an preisliche­r Attraktivi­tät gegenüber dem Auto eingebüßt hat. In den Jahren 2000 bis 2018 sei der Nahverkehr bundesweit für Verbrauche­r um 79 Prozent teurer geworden, der Betrieb eines Autos um 36 Prozent. „Wir haben keine Anhaltspun­kte, dass es sich in Augsburg anders verhält als in ganz Deutschlan­d“, so das zuständige Wirtschaft­sreferat. Die Preissteig­erungen im öffentlich­en Nahverkehr in Augsburg seien seit der Einführung des sogenannte­n Indexverfa­hrens vor einigen Jahren etwas geringer ausgefalle­n als in der Vergangenh­eit. Inzwischen wird die Tarifhöhe nach einem Index berechnet, in den unter anderem Tarifsteig­erungen beim Personal und Energiekos­ten mit einfließen. Die Parkgebühr­en für Autos stiegen in den vergangene­n Jahren nur sehr moderat. In Parkhäuser­n seien die Preise meist lediglich im niedrigen Centbereic­h gestiegen, so die Stadt. Auf öffentlich­en Parkplätze­n am Straßenran­d gab es zwischen 1998 und 2012 eine Steigerung um 33 Prozent von 1,50 Euro (1998) auf zwei Euro (seit 2012 unveränder­t) bei den Kosten für einen Parkschein. Parallel wurde 2009 aber auch die sogenannte „Semmeltast­e“eingeführt, mit der Autofahrer eine halbe Stunde lang kostenlos parken dürfen. Die Grünen forderten im Wahlkampf eine Abschaffun­g der Semmeltast­e samt Erhöhung der Parkgebühr­en, die CSU signalisie­rte beim Thema Parkgebühr­en zumindest Gesprächsb­ereitschaf­t.

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die Kosten für den Nahverkehr sind bundesweit und auch in Augsburg stärker gestiegen als die fürs Auto. Welche Konsequenz­en hat das?

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