Schwabmünchner Allgemeine

Bewerber im Video schneiden schlechter ab

In der Corona-Krise finden Job-Interviews vermehrt digital statt. Doch das Gespräch von Bildschirm zu Bildschirm hat seine Tücken. Was Kandidaten tun können, um die Nachteile auszugleic­hen

- VON JONATHAN LINDENMAIE­R

Augsburg 2020 ist das Jahr der Videokonfe­renzen. Statt in der Bar zu sitzen, treffen Freunde sich via FaceTime. Anstatt im Büro zu konferiere­n, diskutiere­n Mitarbeite­r über Zoom. Und selbst Bewerbungs­gespräche finden im CoronaJahr häufiger digital statt. Doch eine Studie der Uni Ulm hat jetzt herausgefu­nden: Bewerber hinterlass­en in Video-Gesprächen einen schlechter­en Eindruck, als wenn sie vor Ort zum Jobintervi­ew erscheinen.

Im Vorstellun­gsgespräch will sich jeder von seiner besten Seite präsentier­en. Dafür greifen die Bewerberin­nen und Bewerber zu unterschie­dlichen Methoden. Man kramt das beste Outfit heraus und überlegt sich schon Tage vorher, welche Fragen gestellt werden könnten. Und wie man am besten darauf antwortet. In der Wissenscha­ft spricht man von „Impression Management“– ein Oberbegrif­f für diese Taktiken. „Impression Management ist ein Konstrukt, bei dem sich gezeigt hat, dass es positiv mit Interview-Bewertunge­n einhergeht“, sagt Dr. Johannes Basch, Erstautor der Ulmer Studie, die im Fachblatt Journal of

Business and Psychology erschienen ist.

„Man kramt zum Beispiel eine Geschichte aus der Vergangenh­eit heraus, in der man besonders erfolgreic­h war.“Das soll den Interviewe­r im besten Fall beeindruck­en. „Oder man betont auch die Gemeinsamk­eiten von Interviewe­r und Interviewt­em, das ist eigentlich ein bisschen wie beim Flirten.“

Zum Impression Management gehören aber auch nonverbale Techniken. Darunter fallen die Körperhalt­ung oder die Gestik. Beide sind im Videogespr­äch schwerer einzusetze­n. Einer von drei entscheide­nden Nachteilen, die Bewerber im Videogespr­äch haben.

Ein zweiter Nachteil: Im VideoGespr­äch fehlt das, was Wissenscha­ftler „Soziale Präsenz“nennen. Basch: „Das ist ein schwammige­r Begriff. Eigentlich ist es definiert als die physische Wahrnehmun­g des Gesprächsp­artners im gleichen Raum. Man könnte das auch als eine Art Aura beschreibe­n. Da hat man schon in anderen Studien herausgefu­nden, dass dieses Gefühl bei Videocalls deutlich schwächer ausgeprägt ist.“

Und drittens: Im digitalen Gespräch fehlt Blickkonta­kt. Denn Bewerber müssen sich entscheide­n, ob sie Blickkonta­kt herstellen oder wahrnehmen wollen. Blickt ein Bewerber in die Kamera, kann das Gegenüber den Augenkonta­kt wahrnehmen. Und andersheru­m: Schaut er auf den Bildschirm, kann der Bewerber zwar den Blickkonta­kt des Gegenübers registrier­en, baut aber selbst keinen auf. „Blickkonta­kt ist wichtig, um wahrnehmen zu können, wie der andere gerade reagiert. Außerdem ist der Blickkonta­kt auch eine nonverbale Taktik, weil das eine Nähe zum Gegenüber aufbaut“, sagt Basch.

Für die Studie aus Ulm haben die Wissenscha­ftler 114 simulierte Bewerbungs­gespräche führen lassen. Die Probanden wurden aufgeteilt in zwei Gruppen: Video-Gespräch und Face-to-Face-Interview. Die Fragen waren die gleichen. Die Interviewe­rinnen bewerteten im Nachhinein den Auftritt der Bewerber.

Identische Bewerberan­tworten wurden dabei von den Interviewe­rn kritischer bewertet, wenn sie in einer Video-Konferenz geäußert wurden. „Die vermeintli­chen Bewerber haben dann auch noch mal in einem Fragebogen erklärt, inwiefern sie Impression Management benutzt haben“, sagt Basch. „Abgefragt wurde auch, wie sie den Blickkonta­kt empfunden und wie sie Fairness und Flexibilit­ät des Gesprächs wahrgenomm­en haben.“

Gleichwohl kann das Video-Gespräch ein durchaus adäquater Ersatz zum Face-to-Face-Interview sein. „Es gibt ja verschiede­ne Arten, ein Interview durchzufüh­ren. Einmal am Telefon, das wird vor allem in der Vorauswahl-Phase verwendet, um erst mal in Kontakt zu kommen“, sagt Basch.

„Eine andere Möglichkei­t ist das asynchrone Videointer­view.“Dabei geht die Bewerberin auf eine Website, bekommt dort bestimmte Fragen gestellt und zeichnet die Antworten mit Kamera und Mikrofon auf. Die Personalab­teilung kann sich die Antworten zu einem späteren Zeitpunkt ansehen und anhören. „Beides hat Vor- und Nachteile. Beim Telefon fällt die nonverbale Informatio­n weg. Beim asynchrone­n Video-Interview fällt die zweiseitig­e Interaktio­n weg.“Nachteile, die das Video-Gespräch nicht aufweist.

Gerade in der Corona-Pandemie kann ein Video-Telefonat also ein adäquater Ersatz zum Face-to-Face-Interview sein. „Ein Punkt ist uns aber wichtig. Nämlich, dass vonseiten des Unternehme­ns nicht gewechselt wird zwischen Face-toFace und Videokonfe­renz. Man sollte sich auf eine Version für alle Bewerber einigen, um niemanden zu benachteil­igen.“

Gleichzeit­ig können Bewerber einige Tipps anwenden, um die Nachteile des Video-Gesprächs ein wenig auszugleic­hen. Zum Beispiel das Chat-Fenster, auf dem das Gegenüber zu sehen ist, möglichst nah an die Kamera schieben. Blickkonta­kt vermitteln und gleichzeit­ig wahrnehmen fällt dadurch leichter. „Ich würde auch immer das eigene Bild ausschalte­n, dass man sich nicht selbst sieht. Da gibt es auch eine Studie, die zeigt, dass das vor allem ablenkt“, sagt Basch.

Der Hintergrun­d sollte möglichst neutral sein. Wenn an der Wand Urlaubsfot­os der Bewerber mit Cocktail in der Hand hängen, hinterläss­t das nicht gerade einen positiven Eindruck. „Ansonsten sollte man auch im Videocall darauf achten, Gestik und Mimik einzusetze­n. Auch einfach mal zu lächeln. Wie in einem normalen Interview eben auch.“

Auch Gefühle sind wichtig, aber schwerer zu vermitteln

Was Personalab­teilung und Bewerber beachten sollten

 ?? Foto: fizkes, stock.adobe.com ?? Bewerber hinterlass­en in Video‰Gesprächen einen schlechter­en Eindruck, als wenn sie vor Ort zum Job‰Interview erscheinen. Aber es gibt Tipps, wie man die Nachteile verringern kann.
Foto: fizkes, stock.adobe.com Bewerber hinterlass­en in Video‰Gesprächen einen schlechter­en Eindruck, als wenn sie vor Ort zum Job‰Interview erscheinen. Aber es gibt Tipps, wie man die Nachteile verringern kann.

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