Ex-Präsident Sarkozy sagt vor Gericht aus
Frankreichs ehemaliger Präsident muss sich vor Gericht in einem Korruptionsprozess verantworten. Er selbst vermutet ein „juristisches Komplott“hinter der Anklage. Die Staatsanwälte halten ihn für einen „versierten Kriminellen“
Paris Der Mann, der noch vor Beginn seines Prozesses dem meistgesehenen Info-TV-Sender Frankreichs ein Exklusiv-Interview gab, hatte gute Gründe für seinen Schritt. Er wollte seine „kalte Wut und Sprachlosigkeit“zum Ausdruck bringen, die öffentliche Meinung auf seine Seite ziehen. „Ist es normal, dass ein ehemaliger Präsident durch den Dreck gezogen wird?“, fragte Nicolas Sarkozy mit ruhiger Stimme, aber verkniffenem Blick. Eine Schande für ganz Frankreich sei die Vermutung, er sei korrupt.
Inzwischen hat der Strafprozess begonnen, bei dem es um eben diesen Verdacht geht. In der Anklageschrift ist gar die Rede von dem 65-Jährigen als einem „versierten Kriminellen“. Er selbst wies bei seiner Anhörung am Montag alle Vorwürfe strikt zurück. „Ich will von dieser Schmach reingewaschen werden. Ich will, dass die Fakten herauskommen und das Recht siegt“, so Sarkozy, der sich vor seiner politischen Karriere selbst zum Anwalt hat ausbilden lassen. Warum stehe er überhaupt vor Gericht?, echauffierte er sich. „Ist es, weil ich Nicolas Sarkozy bin?“Ein „juristisches Komplott“sei im Gange.
Korruption und illegale Einflussnahme werden ihm und seinem Anwalt Thierry Herzog vorgeworfen. Sie sollen versucht haben, vom früheren Generalanwalt am Revisionsgericht, dem höchsten Gericht Frankreichs, Gilbert Azibert vertrauliche Informationen über laufende Ermittlungen gegen Sarkozy sowie die Einsicht von Juristen in dessen Terminkalender zu erhalten. Diese befanden sich in den Händen der Justiz, die wegen des Verdachts ermittelte, der Ex-Präsident habe 2007 illegale Wahlkampfspenden der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt angenommen. Das Verfahren wurde eingestellt, aber die Termin
blieben beschlagnahmt – mit offenbar brisanten Inhalten. Im Gegenzug zu Informationen darüber und sogar dem Versuch Aziberts, seine mit dem Fall befassten Kollegen zu beeinflussen, stellten Sarkozy und Herzog diesem einen renommierten Posten in Monaco in Aussicht. „Ich lasse ihn aufsteigen“, versicherte Sarkozy damals. Die Ermittler erfuhren davon, weil sie Gespräche zwischen dem Ex-Staatschef und seinem Anwalt über extra dafür eingerichtete Telefonnumabgehört hatten. Sie liefen auf den Namen Paul Bismuth, der einem ehemaligen Klassenkameraden Sarkozys gehört. Der echte Bismuth fühlt sich geschädigt und tritt als Zivilkläger in dem Verfahren auf.
Von der Abhöraktion müssen Sarkozy und Herzog Wind bekommen haben. Aziberts Beförderung blieb letztlich aus und Sarkozy argumentiert, schon deshalb seien die Vorwürfe haltlos. Der Staatsanwaltschaft reichte aber das klar ausgesprochene Versprechen. Die Verteiplaner digung der Angeklagten beklagt eine Verletzung des Berufsgeheimnisses durch die Ermittler, die einen Anwalt und seinen Mandanten abgehört haben. Allen drei Angeklagten drohen theoretisch Haftstrafen von bis zu zehn Jahren und eine Geldbuße bis zu einer Million Euro. Doch sie werden alles dafür tun, dies abzuwenden und haben hinter sich die Empörung von Anwälten, die eine Verletzung des Berufsgeheimnisses beklagen.
Für Sarkozy stellt die Affäre eimern nen tiefen Fall dar. Er ist der erste ehemalige Staatschef der Fünften Republik, der sich persönlich vor Gericht verantworten muss. Zwar kam auch der 2019 verstorbene Jacques Chirac 2011 auf die Anklagebank und wurde wegen der Schaffung fiktiver Stellen in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Doch ein persönliches Erscheinen blieb dem damals bereits erkrankten Chirac erspart.
Nicht aber Sarkozy. Es handelt sich nicht um die einzige Justiz-Affäre, in die er verstrickt ist. Ermittlungen laufen außerdem wegen des Vorwurfs, er habe vom früheren libyschen Machthaber Muammar alGaddafi Millionenhilfe für seinen Wahlkampf erhalten. Diesen hatte er 2007 noch in großem Pomp in Paris empfangen, um 2011 dann Luftangriffe auf al-Gaddafis Regime zu befehlen. Auch diese Vorwürfe, so Sarkozy in seinem Interview, seien haltlos: Politische Gegner wollten ihm schaden.
Und das ist noch nicht alles. Weil auch Sarkozys Präsidentschaftskampagne 2012 illegal finanziert worden sein soll, beginnt im März noch ein Prozess. Um zu vertuschen, dass die Wahlkampfausgaben die erlaubten 22,5 Millionen Euro bei weitem überstiegen, sollen Sarkozys konservative UMP-Partei, die er später in die Republikaner umbenannte, und die Kommunikationsagentur Bygmalion mit einem System gefälschter Rechnungen operiert haben.
Der Bewunderung seiner Anhänger kann Sarkozys Ärger mit der Justiz allerdings nichts anhaben, die in ihm weiterhin den idealen Kandidaten der bürgerlichen Rechten für die nächsten Wahlen 2022 sehen. „Viele hoffen auf sein Comeback“, sagte der konservative Abgeordnete Éric Ciotti. Eine Verurteilung wegen Korruption würde das freilich massiv behindern. Der Prozess soll am Donnerstag enden.