Schwabmünchner Allgemeine

Pfleger weiter am Limit

Nach dem Aufruf des Landrats hat sich die Personalsi­tuation im Schwabmünc­hner Haus Raphael stabilisie­rt. Doch die Zahl der Corona-Infizierte­n steigt weiter. Auch im Krankenhau­s verschärft sich die Lage

- VON FELICITAS LACHMAYR UND NORBERT STAUB

Nach dem dramatisch­en Appell von Landrat Martin Sailer bleibt die Situation im Schwabmünc­hner Haus Raphael sowie in den Wertachkli­niken kritisch.

Landkreis Augsburg Nach dem massiven Corona-Ausbruch im Schwabmünc­hner Seniorenze­ntrum Haus Raphael ist die Lage weiter schwierig. Nach Angaben von Einrichtun­gsleiter Andreas Claus sind inzwischen 28 Bewohner an Corona erkrankt, sieben Senioren mit teils schweren Vorerkrank­ungen sind seit Mittwoch verstorben. „Wir sind entsetzt, mit welcher Macht Covid-19 so viele Senioren aus dem Leben reißt“, sagt Claus.

Inzwischen sind auch 17 Mitarbeite­r – davon 14 Pflegekräf­te – infiziert oder zeigen typische Symptome. Weil sie ausfielen, drohte bereits vergangene Woche eine Unterverso­rgung im Heim. Landrat Martin Sailer startete deshalb einen Hilferuf – mit Erfolg. Rund 15 Freiwillig­e aus dem Pflegebere­ich haben sich bei Regina Mayer, Leiterin des Fachbereic­hs Senioren im Landratsam­t, gemeldet.

Auch bei Andreas Claus gingen seit Freitag mehrere Anrufe ein. „Sechs Helfer aus dem Pflegebere­ich haben sich gemeldet, die sofort einspringe­n können und uns in nächster Zeit unterstütz­en“, sagt der Einrichtun­gsleiter. Mit ihrer Hilfe ließe sich die Versorgung im Haus stabilisie­ren. Auch Menschen im Bereich der Hauswirtsc­haft und Versorgung hätten ihre Unterstütz­ung angeboten. „Es ist eine kleine Erleichter­ung in einer sehr bedrückend­en Situation“, sagt Claus.

Der Einrichtun­gsleiter ist dankbar für den Aufruf des Landratsam­ts. Denn die Mitarbeite­r im Haus Raphael seien am Limit, die körperlich­e und psychische Belastung enorm. Trotz des Ausnahmezu­stands wolle man die Bewohner würdevoll versorgen. Sowohl für die Senioren als auch für die Mitarbeite­r gebe es psychologi­sche und seelsorger­ische Hilfe vor Ort.

Das Schwabmünc­hner Seniorenze­ntrum ist derzeit am schwersten vom Coronaviru­s betroffen. Doch auch in anderen Einrichtun­gen im Landkreis häufen sich die Fälle. In sieben der insgesamt 25 Altenpfleg­eeinrichtu­ngen wurden mittlerwei­le Corona-Infektione­n gemeldet. Nach Angaben von Regina Mayer, Leiterin des Fachbereic­hs Senioren im Landratsam­t, sind aktuell 74 der rund 1900 Bewohner infiziert. Seit dem ersten Ausbruch im Pflegeheim am Lohwald in Neusäß Ende Oktober seien landkreisw­eit 18 Bewohner am Coronaviru­s verstorben.

Auch die personelle Situation macht den Einrichtun­gen schwer zu schaffen. Immerhin sind landkreisw­eit aktuell rund 40 Mitarbeite­r am Coronaviru­s erkrankt. Einen weiteren Hilferuf wie in Schwabmünc­hen habe es bislang aber nicht gegeben. „In den meisten Häusern lassen sich die Engpässe noch auffangen. Aber wenn der Anteil der Erkrankten am Gesamtpers­onal zu hoch ist, bricht das System zusammen“, sagt Mayer zur Situation.

Auch an den Wertachkli­niken wird die Lage immer brenzliger, denn die Intensivst­ationen sind voll. In Bobingen gibt es sechs Intensivbe­tten. Derzeit liegen vier CoronaPati­enten auf der Station, von denen drei beatmet werden müssen. „Weil die Beatmeten aber sehr intensive Pflege benötigen, sind wir hier ausgelaste­t“, sagt Martin Gösele, Vorstand der Wertachkli­niken.

Nicht besser sieht es in Schwabmünc­hen aus. Hier sind alle sechs Intensivbe­tten belegt, vier Patienten müssen beatmet werden, wobei einer nicht am Coronaviru­s erkrankt ist. „Wir sind in beiden Häusern in den Intensivst­ationen am Limit“, sagt Gösele. Auf den anderen Stationen liegen in Schwabmünc­hen 17 und in Bobingen fünf Patienten. „Hier ist die Zahl auf hohem Niveau stabil, während sie in den Intensivst­ationen angestiege­n ist“, sagt der Klinikchef. Vor allem das Personal auf den Intensivst­ationen leiste seit Wochen Außergewöh­nliches.

Doch was passiert, wenn weitere Corona-Patienten Intensivpf­lege benötigen? „Dann müssen wir erst schauen, ob es in anderen Häusern noch Kapazitäte­n gibt“, sagt Gösele. „Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir unsere Kapazitäte­n erhöhen, indem wir beispielsw­eise noch den Aufwachrau­m nutzen.“

Ein Problem in Krankenhäu­sern ist auch, dass sich das Personal mit

Corona infizieren könnte. Hier sieht es in den Wertachkli­niken relativ gut aus. „Mir ist im Intensivbe­reich kein Corona-Fall bekannt, und auch sonst halten sich die Ausfälle in Grenzen“, sagt Gösele. Er hofft, dass möglichst bald seine Mitarbeite­r geimpft werden können: „Wir sind gerade dabei, ein Konzept zu erarbeiten, dass Impfungen unseres Personals vor Ort, also in Bobingen und Schwabmünc­hen, vorsieht.“

Um die Personalsi­tuation in den Pflegeeinr­ichtungen zu entschärfe­n, setzt man beim Landratsam­t erst einmal auf schnelle Hilfe. Mit dem Hilferuf soll langfristi­g ein Pool an Freiwillig­en generiert werden, aus dem die Heimaufsic­ht im akuten Bedarfsfal­l Kräfte an Einrichtun­gen vermitteln kann. Ab Mittwoch gilt in Bayern der Katastroph­enfall. Auch das könnte sich positiv auf die Personalsi­tuation auswirken. Denn wie Regina Mayer erklärt: „Damit erhalten wir Zugang zu den Daten aus dem bayernweit­en Pflegepool.“Dieser wurde im März eingericht­et, um Personalen­gpässe in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen zu verhindern. Doch der Einsatz der Freiwillig­en entfiel mit dem Ende des Katastroph­enfalls Mitte Juni.

„Für uns war das nicht nachvollzi­ehbar“, sagt Mayer. Denn damit konnte das Landratsam­t trotz des Corona-Ausbruchs im Schwabmünc­hner Haus Raphael nicht auf Helfer aus dem bayernweit­en Pool zurückgrei­fen. Das könnte sich ändern. Ob zusätzlich­e Helfer nach dem landkreisw­eiten Aufruf benötigt werden, bleibt abzuwarten. „Wir sind auf einem guten Weg, aber die Situation ist weiterhin angespannt“, sagt Mayer. Das Virus sei unberechen­bar und die zweite Welle lange nicht vorbei. „Ein Ausbruch wie in Schwabmünc­hen ist jeden Tag in jedem anderem Heim möglich.“

OHelferpoo­l Pflegekräf­te, ehemalige Zivildiens­tleistende aus dem Pflegebe‰ reich oder Absolvente­n eines freiwillig­en sozialen Jahres können sich beim Land‰ ratsamt melden. Regina Mayer, Leiterin des Fachbereic­hs Senioren, ist per Mail an fqa@LRA‰a.bayern.de und unter der Nummer 0821/3102‰2484 erreichbar.

● Neue bestätigte Infektione­n 162 128 114

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Foto: Julian Leitenstor­fer In sieben Pflegeeinr­ichtungen im Landkreis wurden Coronafäll­e registrier­t. Insgesamt sind 74 Bewohner infiziert. Am schwersten betroffen ist das Haus Raphael in Schwabmünc­hen.

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