Schwabmünchner Allgemeine

„Stärkste Woche aller Zeiten“

Corona befeuert den Online-Handel und beschert der Post Arbeit wie nie zuvor. Zustell-Chef Thomas Schneider erklärt, wie sich das Unternehme­n darauf einstellt und wann die Päckchen für Weihnachte­n spätestens aufgegeben sein müssen

- Interview: Michael Kerler

Herr Schneider, in der Zeit vor Weihnachte­n gibt es für die Paketdiens­te jede Menge zu tun, wenn die Geschenke bestellt werden. Wie sieht es derzeit bei Ihnen angesichts der Corona-Pandemie aus?

Thomas Schneider: Wir stehen als Deutsche Post DHL vor den stärksten Tagen im Jahr. In der letzten Woche hatten wir die mengenmäßi­g stärkste Woche aller Zeiten! Kunden bestellen im Internet, da sie derzeit nicht in die Innenstädt­e gehen wollen, um einen Bogen um das Virus zu machen. Wir liegen bei der Paketmenge rund 15 Prozent über dem Vorjahr – aktuell sogar bei circa 20 Prozent. Die Zahl von 1,6 Milliarden Paketen, die wir in Deutschlan­d 2019 ausgeliefe­rt hatten, hatten wir dieses Jahr schon Ende November erreicht.

Haben Sie genug Personal, um dies alles zu stemmen?

Schneider: Wenn die Zahl an Paketen steigt, braucht man mehr Hände. Wir haben 10 000 zusätzlich­e Mitarbeite­r eingestell­t. Unsere Paketzentr­en arbeiten an sechs Tagen in der Woche, 24 Stunden am Tag. In der Paketausli­eferung haben wir eine zusätzlich­e Schicht eingeführt, sodass Pakete nun von sechs Uhr morgens bis in den späten Abend hinein zugestellt werden. Die Menge an Briefen ging dagegen dieses Jahr um rund zehn Prozent zurück. Einen Rückgang gibt es hier schon seit Jahren. Zur besseren Auslastung bearbeiten wir in den Briefzentr­en nun erstmals auch bis zu eine Million kleinforma­tiger Pakete am Tag.

Vor Weihnachte­n wird es also ganz schön stressig, oder?

Schneider: Ja, die Zahl der Pakete wird nochmals deutlich steigen. Im Jahresschn­itt transporti­eren wir pro Tag 5,4 Millionen Pakete. Derzeit, in der Vorweihnac­htszeit, sind es im Schnitt 9,5 Millionen am Tag. Ich denke, dass wir am stärksten Tag vor Weihnachte­n auf 11 Millionen Pakete kommen werden. Das ist eine Verdopplun­g der Menge im Vergleich zum Jahresschn­itt!

Schaffen Sie es, alle Sendungen pünktlich zuzustelle­n? Manchmal hört man ja auch von Verspätung­en ...

Schneider: Die Corona-Vorsichtsm­aßnahmen verändern natürlich den Betriebsab­lauf. Trotzdem schaffen wir es, 80 Prozent der Pakete und 90 Prozent der Briefe am nächsten Tag zuzustelle­n. Damit übertreffe­n wir das regulatori­sche Ziel deutlich. Wir erleben gerade in der Corona-Pandemie bei den Kunden eine große Dankbarkei­t, dass wir die Zustellung von Briefen und Paketen zuverlässi­g die ganze Pandemie über aufrechter­halten konnten. Unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r leisten hier Großartige­s! Kommt ein Paket wirklich einmal später an, ist der Hintergrun­d häufig die nötige Vorsicht in der Corona-Pandemie.

Bis wann muss ein Kunde denn ein Paabschick­en, damit es den Beschenkte­n noch rechtzeiti­g vor Weihnachte­n erreicht?

Schneider: Wer bis Samstag, 19. Dezember, um 12 Uhr ein Paket in einer Filiale oder Packstatio­n aufgibt, kann davon ausgehen, dass es bundesweit bis Heiligaben­d zugestellt ist. Bei Karten und Briefen reicht es, sie bis 22. Dezember einzuwerfe­n. Wir wissen aber nicht, was noch an Corona-Beschränku­ngen kommt. Deshalb lautet unsere Bitte: Bestellen Sie Ihre Geschenke in diesem Jahr so früh wie möglich.

Wie schützen Sie denn Ihre Mitarbeite­r vor Corona?

Schneider: Um Ansteckung­en zu vermeiden, reduzieren wir die Kontakte zum Beispiel bei der täglichen Vorbereitu­ng der Zustellung. Hier haben wir die Schichten geteilt: Die eine Hälfte fängt dann zum Beispiel um 7 Uhr an, die andere Hälfte um 9 Uhr. Dann hat die erste Hälfte bereits das Gebäude verlassen. Daneben verfolgen wir eine umfangreic­he Teststrate­gie: So haben wir in den vergangene­n Wochen zum Beispiel Reihentest­s in allen Paketzentr­en für die die komplette Mannschaft durchgefüh­rt, um Corona-Ansteckung­en zu vermeiden. Im gesamten Post- und Paketbetri­eb sind das mittlerwei­le mehr als 30000 Tests, deren Kosten wir als Unternehme­n im Übrigen selbst aufkommen. Daneben gelten die Hygiene- und Abstandsre­geln. Falls ein Mitarbeite­r positiv auf Corona getestet wird, geht seine Schicht in Quarantäne. Diese Anstrengun­gen zahlen sich aus. Wir haben bisher in keiner Betriebsst­ätte die Arbeit einstellen müssen.

Und was unternehme­n Sie zum Schutz der Kunden, wenn Pakete zum Beispiel an der Haustür übergeben werden?

Schneider: Damit der Abstand zum Kunden gewahrt wird, haben wir dieses Jahr auf die kontaktlos­e Zustellung umgestellt. Früher musste der Empfänger auf dem Scanner unterschre­iben, heute macht dies der Zusteller. Zudem haben wir unsere Packstatio­nen massiv aufgerüste­t, an denen Pakete aufgegeben und abgeholt werden können. Letztes Jahr gab es 4000 Packstatio­nen, inzwischen sind es bereits über 6000, am Jahresende werden es 6500 sein. Auch im Raum Augsburg werden wir bis Jahresende sechs neue Packstatio­nen eröffnen, derzeit sind es 30.

Wenn der Pakethande­l so zunimmt, droht dann den Innenstädt­en nicht eine starke Zunahme des Lieferverk­ehrs und damit auch der Abgas- und Lärmket

belastung? Wie handhaben Sie das Thema? Die Produktion des Streetscoo­ters als elektrisch­es Postfahrze­ug wollen Sie ja beenden ...

Schneider: Wir setzen auch in Zukunft weiter auf E-Mobilität. Mit 13000 Streetscoo­tern hat die Deutsche Post DHL derzeit die größte E-Auto-Flotte Deutschlan­ds auf der Straße. Zudem muss man sich ausrechnen, was die Umwelt stärker belastet: Ein Päckchen zu bestellen – oder selbst mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Unseren Berechnung­en nach entspricht die Lieferung eines Päckchens dem CO2-Ausstoß von drei Kilometern Autofahrt. Ein Zustellerf­ahrzeug fasst rund 200 Pakete. Wenn stattdesse­n alle mit dem Auto in die Stadt fahren, wäre die Umweltbela­stung vermutlich größer. Der Anteil des Lieferverk­ehrs am Gesamtverk­ehr in den Städten liegt Schätzunge­n zufolge im Übrigen je nach Studie zwischen einem und drei Prozent.

Die Zunahme der Pakete bedeutet auch für Ihre Zusteller viel Arbeit. Wie stellen Sie sicher, dass diese nicht überlastet werden?

Schneider: Gerade mit einer Maske zu arbeiten, ist nicht einfach, vor allem, wenn die Pakete schwer sind. Unsere Mitarbeite­r leisten hier Außergewöh­nliches! Die Pausen müsfür sen entspreche­nd angepasst werden. Ich bin überzeugt, dass Deutsche Post DHL in der Branche die besten Arbeitsbed­ingungen bietet. Diese sind tarifvertr­aglich geregelt. Wir haben ein Altersteil­zeitmodell, in dem jetzt Geld angespart werden kann, um bis zu sechs Jahre früher in den Ruhestand gehen zu können Zudem passen wir das Zustellgeb­iet je nach Jahreszeit an. Im Sommer, wenn weniger Pakete verschickt werden, ist das Gebiet größer, vor Weihnachte­n ist es kleiner. Wir experiment­ieren auch mit Tragehilfe­n, sogenannte­n Exoskelett­en. Das alles zahlt sich aus: Unser Krankensta­nd ist niedriger als im Vorjahr.

Eine Zeit lang haben Sie versuchswe­ise Pakete per Drohne zugestellt. Was ist daraus geworden?

Schneider: Wir haben die Insel Juist per Drohne mit Medikament­en beliefert und sind bei Bonn über den Rhein geflogen, ebenfalls in Reit im Winkl zur Winklmoosa­lm. Diese Versuche sind jedoch abgeschlos­sen. In Südchina nutzt unsere Expressspa­rte weiterhin eine Drohne: auf der Strecke vom Verteilzen­trum in der Millionens­tadt Guangzhou zu einem Kunden. Das hat sich dort bewährt.

Der US-Händler Amazon stellt inzwischen vermehrt mit einem eigenen Dienst zu. Haben Sie damit noch genug Auslastung zum Beispiel an den Standorten in Graben, Neusäß und Augsburg?

Schneider: Obwohl Amazon selbst zustellt, wachsen wir dieses Jahr um 15 Prozent und damit dreimal so stark wie gedacht. In Graben bearbeiten wir Pakete von Amazon, das Paketzentr­um ist ausgelaste­t. Unsere mechanisie­rte Zustellbas­is in Neusäß ist stark beanspruch­t, sodass wir in eine noch stärkere Mechanisie­rung investiere­n wollen. Gut ist, dass es das Briefzentr­um in Augsburg in der Nähe gibt. Es kann kleinere Pakete bearbeiten und damit das Paketzentr­um in Augsburg entlasten. Sonst könnte die Menge an Paketen kaum mehr bearbeitet werden. Der Laden brummt. Im Großraum München planen wir gerade ein weiteres Paketzentr­um, um den steigenden Mengen Herr werden zu können. Dieser Trend wird ja nach Corona nicht nachlassen.

Eine letzte Frage noch: Bei dem brummenden Geschäft liegt es vielleicht nahe, die Preise zu erhöhen. Steigt bald das Porto?

Schneider: Das Briefporto ist staatlich reguliert. Bis Ende 2021 kostet der Standardbr­ief 80 Cent. Bei Privatkund­enpaketen planen wir im nächsten Jahr keine Preiserhöh­ung.

Thomas Schneider, 42, ist bei der Deutschen Post als Betriebsch­ef zuständig für die Zustellung von Brie‰ fen und Paketen in Deutschlan­d sowie 160 000 Mitarbeite­r.

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Foto: DPDHL „Bestellen Sie Ihre Geschenke in diesem Jahr so früh wie möglich“, lautet der Tipp von Thomas Schneider, Chef bei der Post für die Zustellung von Briefen und Paketen in Deutschlan­d.

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