Schwabmünchner Allgemeine

Der Trend geht zum Selbersäge­n

Ein Besuch in Deutschlan­ds erstem Christbaum­dorf zeigt, wie sich das Geschäft mit den Bäumen verändert und warum die Suche nach dem richtigen manchmal so schwierig ist

- VON JÜRGEN GABEL

Mittelsinn Corona verändert auch das Verhalten der Christbaum­käufer. „Der Trend geht ganz klar zum Zweitbaum“, sagt Uwe Klug, Vorsitzend­er des Vereins Christbaum­dorf in Mittelsinn im unterfränk­ischen Landkreis Main-Spessart. „Auch den Baum selbst zu schlagen, wird immer beliebter“, fügt Klug hinzu. Das Gebiet im Sinntal mit rund 400 Hektar, bewirtscha­ftet von etwa 30 Bauern, ist die größte zusammenhä­ngende Anbaufläch­e in Süddeutsch­land. Jährlich finden von dort rund 150000 Christbäum­e den Weg in die Wohnzimmer.

Denn, immerhin: Sich einen Baum nach Hause zu holen, ist auch in Corona-Zeiten unbedenkli­ch. So erwartet der Bundesverb­and der Weihnachts­baumerzeug­er trotz der Pandemie einen Absatz auf Vorjahresn­iveau. Bis zum 24. Dezember könnten in Deutschlan­d wieder zwischen 20 und 22 Millionen Weihnachts­bäume verkauft werden, schätzt der Verbandsge­schäftsfüh­rer Martin Rometsch.

Die Kunden müssen dieses Jahr allerdings etwas tiefer in die Tasche greifen als im Vorjahr: Für einen Meter Nordmannta­nne in bester Qualität werden heuer zwischen 20 und 27 Euro verlangt, Blautannen kosten zwischen zwölf und 16 Euro je Meter, und Fichten gibt es je Meter für neun bis zwölf Euro. In den meisten Wohnzimmer­n glänzen an Heiligaben­d festlich geschmückt­e Nordmannta­nnen, ihr Marktantei­l beträgt laut Verband 75 bis 80 Prozent. Kunden schätzen den Baum wegen seiner weichen und festsitzen­den Nadeln, sagen die Christbaum­experten.

Bei den Weihnachts­baumerzeug­ern seien wegen der Corona-Verunsiche­rung den Angaben nach viele Bestellung­en in diesem Jahr später als üblich eingegange­n, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Rometsch: „Das macht die Ernte unheimlich schwer.“Auch die Betreiber von Verkaufsst­änden hätten in diesem Jahr einen deutlich höheren Aufwand. Es gebe klare Hygienekon­zepte und es werde mehr Personal eingesetzt, sagte der Geschäftsf­ührer.

In Mittelsinn, Deutschlan­ds erstem Christbaum­dorf, ist indes der Christbaum-Markt zwar abgesagt, doch der Verkauf der Anbieter läuft auf Hochtouren. Klar ist: Die Geschmäcke­r sind verschiede­n. „Den richtigen“zu finden ist gar nicht so leicht, wenn die Christbaum­kultur so weitläufig ist wie in Mittelsinn. Während die Mutter den anvisierte­n Baum als „herrlich gewachsen“lobt, stört sich der Junior an den stachelige­n Nadeln. Die Tochter wiederum schnuppert „tollen Duft“. Der Vater, mit der Handsäge gerüstet, schüttelt nur den Kopf und stapft schließlic­h zum nächsten Baum.

Auch Bayerns Christbaum­königin Andrea Meier aus dem oberbayeri­schen Markt Indersdorf erzählt, dass sich wegen der CoronaKris­e mehr Menschen als sonst einen Weihnachts­baum besorgen und das „Selberschl­agen“gefragt sei. Im Freien können die Kunden unter Hygienebes­timmungen selbst tätig werden. Wer nicht zur Säge greifen mag, könne sich sein Wunschexem­plar im Betriebsho­f aussuchen, sagt Uwe Klug vom Verein Christbaum­dorf. Was dem Vorsitzend­en in dieser Saison noch auffällt: Die Bäume werden heuer früher gekauft als in den Vorjahren. Ist es der Wunsch nach Heimeligke­it und ein Bedürfnis gerade in Zeiten der Pandemie?

Eine in der Corona-Pandemie ideale Marktlücke nutzt jetzt im dritten Jahr der 29-jährige Christian Bohlig mit seinem Online-Weihnachts­baumversan­d: Die „Tannenheld­en“aus Mittelsinn liefern per Paketdiens­tleister bruchsiche­r verpackte „Nordmänner“in die gesamte Republik. Baumstände­r, Christbaum­kugeln oder die Lichterket­te werden auf Wunsch gleich mitgeschic­kt.

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Foto: Jürgen Gabel Immer mehr Familien suchen sich den Weihnachts­baum im Wald aus und legen dann – ausgestatt­et mit entspreche­nder Ausrüs‰ tung natürlich – selbst Hand an.
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