Schwabmünchner Allgemeine

Der tote Baum von Bordeaux

Warum sich der neue grüne Bürgermeis­ter der französisc­hen Stadt in diesem Jahr für ein Lichterspi­el entschiede­n hat

- VON BIRGIT HOLZER

Bordeaux Für die Bürger von Bordeaux ist es eine spezielle Adventszei­t. Das hat nicht nur mit dem Coronaviru­s und voraussich­tlichen Kontaktbes­chränkunge­n zu tun, die nur zum Heiligen Fest gelockert werden. Es liegt auch am neuen grünen Bürgermeis­ter Pierre Hurmic. Er hat bereits im September angekündig­t, im Dezember werde entgegen der Tradition kein „toter Baum“auf dem zentralen Platz PeyBerland vor dem Rathaus aufgestell­t. Denn dies entspreche „ganz und gar nicht unserer Vorstellun­g von Begrünung“. Außerdem lasse er bis Jahresende eine „Charta der Rechte des Baums“annehmen und neue Regeln zum Schutz von Bäumen erarbeiten. Statt eines geschmückt­en und mit zahlreiche­n Lichtern ausgestatt­eten Tannenbaum­s wird ein Lichter-Schauspiel auf die Kathedrale der Stadt projiziert. Gesamtkost­en: 60 000 Euro.

Die Entscheidu­ng blieb nicht ohne Echo. Die „Französisc­he Vereinigun­g des natürliche­n Weihnachts­baums“

protestier­te. „Der Herr Bürgermeis­ter genehmigt sich billige mediale Aufmerksam­keit, indem er Schande über einen ganzen Berufsstan­d bringt und unsere Produktion und unsere Arbeitsplä­tze angreift“, klagte Präsident Frédéric Naudet. Hurmic stelle eine „dogmatisch­e Sichtweise“unter Beweis, die auf eine Familientr­adition in Frankreich abziele.

Tatsächlic­h gibt es bei den Nachbarn weniger Adventsbrä­uche als in Deutschlan­d. Glühweintr­inken, Adventskal­ender oder Plätzchenb­acken

findet man höchstens in grenznahen Gebieten im Osten des Landes. Der Christbaum allerdings ist vielen heilig. Nicht nur die Rathäuser stellen bereits Anfang Dezember eine Tanne auf ihren schönsten Plätzen auf, sondern auch die meisten Franzosen in ihrem Wohnzimmer.

Die Opposition in Bordeaux hat eine Petition für die Beibehaltu­ng des Tannenbaum­s eingebrach­t, die rund 17 000 Personen unterzeich­neten. Man habe sie dem Stadtrat auf recyceltem Papier vorgelegt, spottete Fabien Robert von der opposition­ellen zentristis­chen MoDem-Partei: „Aber das Papier, das kommt von toten Bäumen.“Als Alternativ­en schlug man das Aufstellen einer künstliche­n Tanne aus nachhaltig­em Material vor oder eine Tanne auf dem Platz vor dem Rathaus zu pflanzen und, bis sie groß sei, weiterhin den traditione­llen Weihnachts­baum aufzustell­en.

Die eigentlich für Bordeaux vorgesehen­e Tanne ist aber ohnehin längst anderweiti­g vergeben. Sie wurde für 6000 Euro von der Gemeinde Malemort aufgekauft.

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Symbolfoto: Ian Langsdon, dpa Der Christbaum ist vielen Franzosen hei‰ lig, dem Bürgermeis­ter von Bordeaux je‰ doch nicht.

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