Schwabmünchner Allgemeine

Löw widerspric­ht dem DFB deutlich

Der Bundestrai­ner nutzt seinen ersten öffentlich­en Auftritt nach dem 0:6 in Spanien zur Rechtferti­gung, aber auch zu einer Abrechnung mit internen Vorgängen beim deutschen Verband. Er selbst sei „maßlos enttäuscht“

- VON FLORIAN EISELE

Frankfurt am Main Die erste Erkenntnis steht nach sieben Minuten Pressekonf­erenz fest: Joachim Löw ist kein Freund von Powerpoint­Präsentati­onen. Im Gegensatz zum DFB-Direktor Oliver Bierhoff, der zuletzt mit einer Präsentati­on Argumente für die Führung der Nationalma­nnschaft zu sammeln versucht, geht Löw nach einer kurzen Einleitung in den Nahkampf über. Bei der Pressekonf­erenz ist das die Fragerunde. Und eben die nutzt Löw einerseits dazu, Stellung zu nehmen zur historisch­en 0:6-Packung in Spanien – anderersei­ts aber auch dazu, den DFB zu attackiere­n.

Vor allem der Umstand, dass Inhalte aus der internen Sitzung nach außen gedrungen sind, missfällt dem 60-Jährigen. „Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass viele Dinge an die Öffentlich­keit gedrungen sind. Das hat mich maßlos enttäuscht.“

Zumal vieles nicht der Wahrheit entspreche – was genau, wollte Löw nicht sagen. Zu den delikatest­en Details, die es in der vergangene­n Woche zu lesen gab, gehörte aber der angebliche Versuch von DFB-Präsident Fritz Keller, Löw nach der EM 2021 zum Rücktritt zu bewegen. Der Bundestrai­ner soll den Vorstoß Kellers brüskiert abgelehnt haben. Der Vorsitzend­e selbst will sich seitdem öffentlich nicht mehr zur Nationalel­f äußern.

Der erzürnte Löw suchte danach das Gespräch, wie er selbst sagte: „Ich habe Fritz Keller deutlich gemacht, was mich gestört hat an der Sache. Aber mehr gibt es dazu nicht zu erzählen.“

Auch mit der Öffentlich­keitsabtei­lung des DFB ging Löw hart ins Gericht, widersprac­h der Darstellun­g in einer Pressemitt­eilung, wonach er eine „emotionale Distanz“benötige“und deswegen vorerst nicht zur Verfügung stehe. „Das

für mich unverständ­lich, weil emotionale Distanz brauche ich nicht.“Er sei lange dabei und habe viel erlebt. „Ich habe gesagt, gebt mir einen Tag Zeit und dann stehe ich für jedes Gespräch bereit.“Der Darstellun­g, er sei abgetaucht, widersprac­h Löw mit dem Verweis auf den internen Zeitplan des DFB.

An seiner sportliche­n Ausrichtun­g will Löw indes nichts ändern – auch wenn er die Enttäuschu­ng über die jüngsten Ergebnisse und den Frust der Fans nachvollzi­ehen könne: „Wir folgen unserer roten Linie und sind überzeugt, dass es eine gute Entwicklun­g geben wird.“Anhand der Niederlage gegen Spanien nun seine Arbeit infrage zu stellen, halte er für ungerechtf­ertigt und verwies auf die souveräne Qualifikat­ion zur EM.

„Deswegen gibt es keinen Grund, jetzt alles über den Haufen zu werfen. Wir werden das aufarbeite­n und die richtigen Lehren daraus ziehen“, so Löw weiter. Vor allem das durch die Corona-Pause geprägte Länderspie­ljahr 2020 mache es für ihn nicht einfacher, seine Mannwar schaft einzustell­en. „Es gibt nur Spiel, Regenerati­on und wieder Spiel. Wenn eine junge Mannschaft wie die unsere keine Trainingse­inheiten hat, kann man nicht erwarten, dass sie alles wie gewünscht umsetzt.“

Etwas einfacher wäre es wohl mit der Erfahrung der drei Aussortier­ten Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels. Dass dieses Trio künftig wieder das Trikot mit dem Bundesadle­r tragen könnte – eher unwahrsche­inlich. Löw sagte dazu: „Unsere jungen Spieler brauweiter chen Gelegenhei­t zu spielen und sich zu entwickeln.“Als Vorbild gelte bei ihm die Mannschaft, die sich bei der WM 2010 entfaltete und vier Jahre später den WM-Titel holte – ohne die zuvor aussortier­ten Altstars. An Rücktritt dachte Löw nach eigenen Aussagen nicht – trotz der Blamage von Sevilla.

Rückendeck­ung verspüre er nicht zuletzt beim DFB selbst. Allen Dissonanze­n zum Trotz habe ihm sein Arbeitgebe­r in der Sitzung vergangene Woche „ganz klar das Vertrauen ausgesproc­hen“, so Löw.

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Foto: Stefan Matzke, sampics Joachim Löw: „Es gibt keinen Grund, alles über den Haufen zu werfen.“

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