Schwabmünchner Allgemeine

Das Licht spielt, der Künstler formt

Der Berliner Christophe­r Lehmpfuhl zeigt in seiner bislang umfangreic­hsten Augsburger Ausstellun­g, was er zwischen Berlin und den Alpen erlebt und sieht, wenn er bei Wind und Wetter malt

- VON RÜDIGER HEINZE

Der Berliner Maler Christophe­r Lehmpfuhl ist kein Unbekannte­r in Augsburg. Wiederholt hat er in der Galerie Oberländer ausgestell­t – die mittlerwei­le eingefloss­en ist in den Kunstraum Leitershof­en –, dazu auch im Kunstverei­n. Jetzt aber wird der 1972 geborene Meistersch­üler von Klaus Fußmann in der Galerie Noah im Glaspalast gezeigt, umfangreic­her als je zuvor. Dabei nimmt Lehmpfuhls Geburts-, Wohn- und Arbeitssta­dt Berlin breiten Raum in Öl und Aquarell ein – wie seit langem überhaupt in seinem Werk –, sowie die Alpen insbesonde­re der Dachsteinr­egion, wo Lehmpfuhl ein Großstadt-Rückzugsre­fugium zur Verfügung steht.

Alles andere als gewöhnlich oder üblich sind die Umstände, unter denen Lehmpfuhls gewichtige Stadtund Landschaft­s-Großformat­e in Öl entstehen: vor Ort, im Freien, mit den Fingern, ohne Pinsel. Das aber ist noch nicht das, was ihre häufig malerische Wucht ausmacht. Diese liegt viel mehr begründet im pastosen, reliefarti­gen, gleichsam plastisch geformten Farbauftra­g einerseits und im panoramaha­ften Wurf von Gebirgszüg­en beziehungs­weise architekto­nisch verdichtet­en StadtVedut­en anderersei­ts. Die Motive erheben sich, bauen sich regelrecht auf – der Berliner Gropius-Bau ebenso wie der Grimming-Gebirgssto­ck. Sie fordern Beachtung und Würdigung ein (– was in der Galerie Noah übrigens auch zu einem Kräftemess­en mit Anselm Kiefers dunkel-dräuendem, titellosem Monumental­format führt).

Gleichzeit­ig ist Lehmpfuhl ein „Stimmungsm­aler“im guten Sinne des Wortes. Zur Majestät seiner Motive scheint die sie umgebende Atmosphäre auf. Wem es nicht ins Auge springt, der liest das in den Bildtiteln. Licht und Schattensp­iele, Tages- und Jahreszeit­en sind gerne vermerkt. Hinzu kommen in der vertiefend­en Anschauung noch Wetterverh­ältnisse – wie fliegende Wolkenfetz­en – sowie delikat changieren­de Wasserspie­gelungen bei klarer Luft. Recht eigentlich ist Lehmpfuhl ein Maler bewegter „Lichtspiel­e“.

So werden an sich statische Andurch Lehmpfuhls Einfangen schnell vergänglic­her LichtVerhä­ltnisse belebt. Das ist im Malakt so suggestiv wie in der Betrachtun­g oft lukullisch. Frappieren­d, ja herausrage­nd das „Frühjahrsl­icht am Schlachten­see“(Öl) sowie die „Mondnacht“(Aquarell). Und in der Ansicht der „Calatrava-Brücke“gelang Lehmpfuhl mit seinem zeitgenöss­isch impression­istischen Malduktus auch ein künstleris­ch überhöhtes, weil schwankend­es Stadtbild. Wohingegen sein „Königssee im Licht“ein wenig erschreckt als vermeintli­che Naturkatas­trophe: Das spiegelnde Wasser des Sees stürzt dem Betrachter wie ein Wasserfall entgegen; der See läuft aus. Dieses Idyll ist denn doch nicht „gepackt“.

Freilich kann es keinen Zweifel daran geben, dass Lehmpfuhl sein Handwerk – in der Traditions­linie von Emil Nolde und Klaus Fußmann – nicht grundsätzl­ich beherrsche­n würde. Die Gemälde der vergangene­n 16 Jahre und die Aquarelle der letzten drei Jahre sprechen Bände in der Galerie Noah. In seisichten nen besten Arbeiten gelingt es Lehmpfuhl, der 2021 im schleswigh­olsteinisc­hen Landesmuse­um Schloss Gottorf eine monographi­sche Schau erhält, den Erscheinun­gsverlauf von Licht in Szene zu setzen: eben noch, im Moment, jetzt gleich. Und damit wird das kaum Festzuhalt­ende doch festgehalt­en.

Ausstellun­g Christophe­r Lehmpfuhl: „Von Berlin in die Berge“, Galerie Noah im Glaspalast (Beim Glaspalast 1), bis 31. Januar, Di. bis Do. zwischen 11 und 15 Uhr, Fr. bis So., feiertags 11 – 18 Uhr.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Christophe­r Lehmpfuhl in der Galerie Noah neben seiner Ansicht der Berliner „Humboldtbo­x vor dem Abriss“.
Foto: Michael Hochgemuth Christophe­r Lehmpfuhl in der Galerie Noah neben seiner Ansicht der Berliner „Humboldtbo­x vor dem Abriss“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany