Prüfung mit OnlineÜberwachung?
Corona stellt Studium und Lehre auf den Kopf. Der Freistaat lässt an den Hochschulen neue Prüfungsformen über Internet zu, viele Studenten und Professoren sind allerdings skeptisch. So laufen die Tests in Augsburg
In Zeiten von Corona ist Studieren kompliziert. Die meisten der 26.000 Augsburger Studenten lernen daheim am Computer, weil sie nicht auf den Campus dürfen. Bald kommt eine neue Herausforderung auf sie zu: die Prüfungszeit mit neuen Reglungen. In Bayern sind seit der Pandemie Online-Prüfungen an den Hochschulen erlaubt. Das sorgt bei vielen Studierenden nicht für Begeisterung. Auch Professoren haben Bedenken. Wie gehen Universität und Hochschule damit um?
Sophia Kastl, 20, studiert an der Uni Augsburg Katholische Theologie im ersten Semester. Sie hatte noch keine Prüfung, sagt aber zu Online-Klausuren: „Ich stelle mir das einfach schwierig vor, das an dem Platz zu machen, an dem ich sonst lerne.“Normalerweise gebe es eine besondere Atmosphäre bei Prüfungen. Dieser Druck, der positiv für die Konzentration sein kann, sei daheim nicht so vorhanden.
Die Augsburgerin Ariane Lamberti, die an der TU München Mathematik studiert, kann dies bestätigen. Sie hatte im Sommersemester sechs Online-Prüfungen. „Ich hätte sie lieber in Präsenz geschrieben. Der normale Ablauf fällt weg, man macht sich nicht auf den Weg, steht nicht mit den anderen vor dem Prüfungssaal und geht noch mal seine Notizen durch. Stattdessen chillt man fünf Minuten vorher mit der Familie am Esstisch und geht dann hoch zur Prüfung.“Informatikstudent Florian Hölz meint jedoch, alles, was man als Einzel- oder Gruppenprojekt machen muss, sei als Online-Prüfung vorstellbar.
Online-Prüfungen sind für die Hochschulen auch technisch und rechtlich eine Herausforderung. Im war vor allem die OnlineÜberwachung der Prüflinge umstritten. Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler sprach im Herbst jedoch von einer Pionierleistung: Ihm sei wichtig, auf diesem Gebiet Rechtssicherheit bieten zu können. Deshalb sei die Verordnung schnell, mit großer fachlicher Tiefe und begleitet von hoher wissenschaftlicher Expertise erarbeitet worden.
Die neuen Möglichkeiten sind da, an der Uni Augsburg geht man damit aber zurückhaltend um. Im Sommersemester fanden geschätzt über 95 Prozent der Prüfungen in Präsenz statt, so Pressesprecherin Manuela Rutsatz. Online-Prüfungen habe es nur vereinzelt und nur bei mündlichen Prüfungen gegeben. Ähnlich soll es im Wintersemester laufen: Aus technischen und rechtlichen Gründen werde die überwiegende Zahl der Prüfungen in Präsenz stattfinden. Ein Problem: Online-Prüfungen dürfen nur als freiwilliges Angebot vorgehalten werden, parallel muss ein Prüfungsangebot in Präsenz angeboten werden.
Deshalb will die Uni in der kommenden Prüfungszeit wieder die Messehalle nutzen. Dort könnten die Corona-Hygieneregeln eingehalten werden, es gebe auch stabile Prüfungsbedingungen für die Studierenden. Parallel will man an der Uni einen Testballon starten: Erstmals wird es Online-Klausuren geVorfeld ben. „Wir probieren dies im kleinen Rahmen aus und sind zur Entwicklung von Online-Prüfungsformaten im engen Austausch mit den anderen bayerischen Universitäten.“
Auch an der Hochschule geht man vorsichtig mit dem Thema um. Zwar wurden mit Studentenvertretern mehrere Angebote beschlossen. Dazu zählen etwa benotete Online-Präsentationen, in denen Studenten ihre Projekte vorstellen. Dazu zählt auch das „Takehome-Examen“. Studierende müssen dabei eine Aufgabe zu Hause in einer kurzen Zeitspanne lösen und das Ergebnis online einreichen. Sie dürfen Unterrichtsunterlagen verwenden. Das Thema ist allerdings so gewählt, dass sie ein komplexes Hintergrundwissen haben müssen, um richtig zu antworten.
An der Hochschule sind jetzt auch videoüberwachte mündliche und schriftliche Prüfungen möglich. Professor László Kovács, Vizepräsident für Studium und Lehre, meint jedoch: Die schriftliche überwachte Online-Prüfung wird in der Praxis an der Hochschule wohl nicht zum Einsatz kommen – mit Ausnahme bei einzelnen Studierenden im Ausland. Die Hürden seien zu hoch: „Was ist, wenn die Internetverbindung bei einem Studenten abbricht?“, so Kovács. Die Hochschule dürfe und wolle auch nicht mit einer Kameraüberwachung in die Privatsphäre von Studierenden eindringen.
Trotz der neuen Vielfalt an Prüfungsformen werden an der Hochschule 80 Prozent der Tests in Präsenz stattfinden. Dies gilt insbesondere für mathematische und naturwissenschaftliche Fächer. Dort will man sich gegen mögliche Schummeleien bei Online-Prüfungen absichern. Die technischen Möglichkeiten des Betrugs seien leicht zugänglich und schwer zu überwachen, sagen Professoren. Der Dekan der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Joachim Voßiek, nennt Gründe für den strikten Kurs: „Unsere Gesellschaft kann sich keine Ingenieure leisten, die Kompetenzen nicht besitzen, denn das Flugzeug muss oben bleiben.“An der Wirtschaftsfakultät will man die neuen Angebote dagegen testen.
Für die Prüfungen von 18. Januar bis 5. Februar 2021 werden wieder Messezelte für Massenprüfungen unter Corona-Regeln auf dem Campus aufgebaut. Die Zelte kamen bereits im Sommersemester zum Einsatz. Viele Studenten waren mit dieser Lösung damals sehr zufrieden.