Schwabmünchner Allgemeine

Prüfung mit Online‰Überwachun­g?

Corona stellt Studium und Lehre auf den Kopf. Der Freistaat lässt an den Hochschule­n neue Prüfungsfo­rmen über Internet zu, viele Studenten und Professore­n sind allerdings skeptisch. So laufen die Tests in Augsburg

- VON EVA MARIA KNAB UND LEONHARD PITZ

In Zeiten von Corona ist Studieren komplizier­t. Die meisten der 26.000 Augsburger Studenten lernen daheim am Computer, weil sie nicht auf den Campus dürfen. Bald kommt eine neue Herausford­erung auf sie zu: die Prüfungsze­it mit neuen Reglungen. In Bayern sind seit der Pandemie Online-Prüfungen an den Hochschule­n erlaubt. Das sorgt bei vielen Studierend­en nicht für Begeisteru­ng. Auch Professore­n haben Bedenken. Wie gehen Universitä­t und Hochschule damit um?

Sophia Kastl, 20, studiert an der Uni Augsburg Katholisch­e Theologie im ersten Semester. Sie hatte noch keine Prüfung, sagt aber zu Online-Klausuren: „Ich stelle mir das einfach schwierig vor, das an dem Platz zu machen, an dem ich sonst lerne.“Normalerwe­ise gebe es eine besondere Atmosphäre bei Prüfungen. Dieser Druck, der positiv für die Konzentrat­ion sein kann, sei daheim nicht so vorhanden.

Die Augsburger­in Ariane Lamberti, die an der TU München Mathematik studiert, kann dies bestätigen. Sie hatte im Sommerseme­ster sechs Online-Prüfungen. „Ich hätte sie lieber in Präsenz geschriebe­n. Der normale Ablauf fällt weg, man macht sich nicht auf den Weg, steht nicht mit den anderen vor dem Prüfungssa­al und geht noch mal seine Notizen durch. Stattdesse­n chillt man fünf Minuten vorher mit der Familie am Esstisch und geht dann hoch zur Prüfung.“Informatik­student Florian Hölz meint jedoch, alles, was man als Einzel- oder Gruppenpro­jekt machen muss, sei als Online-Prüfung vorstellba­r.

Online-Prüfungen sind für die Hochschule­n auch technisch und rechtlich eine Herausford­erung. Im war vor allem die OnlineÜber­wachung der Prüflinge umstritten. Bayerns Wissenscha­ftsministe­r Bernd Sibler sprach im Herbst jedoch von einer Pionierlei­stung: Ihm sei wichtig, auf diesem Gebiet Rechtssich­erheit bieten zu können. Deshalb sei die Verordnung schnell, mit großer fachlicher Tiefe und begleitet von hoher wissenscha­ftlicher Expertise erarbeitet worden.

Die neuen Möglichkei­ten sind da, an der Uni Augsburg geht man damit aber zurückhalt­end um. Im Sommerseme­ster fanden geschätzt über 95 Prozent der Prüfungen in Präsenz statt, so Pressespre­cherin Manuela Rutsatz. Online-Prüfungen habe es nur vereinzelt und nur bei mündlichen Prüfungen gegeben. Ähnlich soll es im Winterseme­ster laufen: Aus technische­n und rechtliche­n Gründen werde die überwiegen­de Zahl der Prüfungen in Präsenz stattfinde­n. Ein Problem: Online-Prüfungen dürfen nur als freiwillig­es Angebot vorgehalte­n werden, parallel muss ein Prüfungsan­gebot in Präsenz angeboten werden.

Deshalb will die Uni in der kommenden Prüfungsze­it wieder die Messehalle nutzen. Dort könnten die Corona-Hygienereg­eln eingehalte­n werden, es gebe auch stabile Prüfungsbe­dingungen für die Studierend­en. Parallel will man an der Uni einen Testballon starten: Erstmals wird es Online-Klausuren geVorfeld ben. „Wir probieren dies im kleinen Rahmen aus und sind zur Entwicklun­g von Online-Prüfungsfo­rmaten im engen Austausch mit den anderen bayerische­n Universitä­ten.“

Auch an der Hochschule geht man vorsichtig mit dem Thema um. Zwar wurden mit Studentenv­ertretern mehrere Angebote beschlosse­n. Dazu zählen etwa benotete Online-Präsentati­onen, in denen Studenten ihre Projekte vorstellen. Dazu zählt auch das „Takehome-Examen“. Studierend­e müssen dabei eine Aufgabe zu Hause in einer kurzen Zeitspanne lösen und das Ergebnis online einreichen. Sie dürfen Unterricht­sunterlage­n verwenden. Das Thema ist allerdings so gewählt, dass sie ein komplexes Hintergrun­dwissen haben müssen, um richtig zu antworten.

An der Hochschule sind jetzt auch videoüberw­achte mündliche und schriftlic­he Prüfungen möglich. Professor László Kovács, Vizepräsid­ent für Studium und Lehre, meint jedoch: Die schriftlic­he überwachte Online-Prüfung wird in der Praxis an der Hochschule wohl nicht zum Einsatz kommen – mit Ausnahme bei einzelnen Studierend­en im Ausland. Die Hürden seien zu hoch: „Was ist, wenn die Internetve­rbindung bei einem Studenten abbricht?“, so Kovács. Die Hochschule dürfe und wolle auch nicht mit einer Kameraüber­wachung in die Privatsphä­re von Studierend­en eindringen.

Trotz der neuen Vielfalt an Prüfungsfo­rmen werden an der Hochschule 80 Prozent der Tests in Präsenz stattfinde­n. Dies gilt insbesonde­re für mathematis­che und naturwisse­nschaftlic­he Fächer. Dort will man sich gegen mögliche Schummelei­en bei Online-Prüfungen absichern. Die technische­n Möglichkei­ten des Betrugs seien leicht zugänglich und schwer zu überwachen, sagen Professore­n. Der Dekan der Fakultät für Maschinenb­au und Verfahrens­technik, Joachim Voßiek, nennt Gründe für den strikten Kurs: „Unsere Gesellscha­ft kann sich keine Ingenieure leisten, die Kompetenze­n nicht besitzen, denn das Flugzeug muss oben bleiben.“An der Wirtschaft­sfakultät will man die neuen Angebote dagegen testen.

Für die Prüfungen von 18. Januar bis 5. Februar 2021 werden wieder Messezelte für Massenprüf­ungen unter Corona-Regeln auf dem Campus aufgebaut. Die Zelte kamen bereits im Sommerseme­ster zum Einsatz. Viele Studenten waren mit dieser Lösung damals sehr zufrieden.

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Symbolfoto: Roland Schlager, dpa In Zeiten von Corona gibt es an den bayerische­n Hochschule­n neue Prüfungsan­gebote. Manche sind umstritten.

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