Schwabmünchner Allgemeine

Die Last mit der Mehrwertst­euer

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz lehnt eine Verlängeru­ng der zeitlich begrenzten Steuersenk­ung ab. Doch der Widerstand gegen eine Rückkehr zu den alten Sätzen wächst – obwohl viele Betriebe wenig Effekte spüren

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Berlin/Augsburg Die Zeit für Schnäppche­njäger läuft. Nur noch bis zum 31. Dezember gilt die zeitlich befristete Senkung der Mehrwertst­euersätze auf 16 statt 19 Prozent, beziehungs­weise auf fünf statt sieben Prozent für den ermäßigten Satz. Doch kurz vor Ablauf des im Frühsommer beschlosse­nen Steuergesc­henks hält sich die Kauflaune der Verbrauche­r offenbar in Grenzen. Nach dem aktuellen Konsumbaro­meter des Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) ist die Anschaffun­gsneigung im Dezember, dem Monat, in dem der Geldbeutel der Verbrauche­r traditione­ll eher locker sitzt, deutlich zurückgega­ngen. Der Verband rechnet auch damit, dass dies noch eine Weile anhält. Denn während im bisherigen „Lockdown light“vor allem die Möglichkei­ten zum Konsum in Gastgewerb­e, Tourismus und Kultur eingeschrä­nkt sind, verdichten sich nun die Anzeichen dafür, dass nach Weihnachte­n fast alle Geschäfte wieder vorübergeh­end geschlosse­n werden.

Doch auch ob die Steuersenk­ung, die laut ursprüngli­cher Schätzung von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) den Staat rund 20 Milliarden Euro kosten sollte, in den vorangegan­gen Monaten die gewünschte Wirkung erzielt hat, ist umstritten. Scholz sagt ja und sieht daher keinen Grund, die Maßnahme zu verlängern. Denn nur wegen der Befristung hätten Konsumente­n ja Anschaffun­gen vorgezogen und so die Nachfrage angekurbel­t. Dies und die positiven Aussichten für das Wirtschaft­swachstum im Jahr 2021 machten eine Fortführun­g der Maßnahme nicht nötig, erklärte eine Sprecherin des Ministeriu­ms auf Anfrage. Die Einnahmen aus der Umsatzsteu­er für den Staat dürften im Vergleich zum Vorjahr um 10,1 Prozent von 243,3 auf 218,8 Milliarden Euro sinken. Doch der Rückgang erkläre sich auch durch den Einbruch der Konjunktur und steuerlich­e Hilfsmaßna­hmen für Unternehme­n, die intensiv genutzt würden, so die Sprecherin weiter.

Der HDE fordert, die Maßnahme zu verlängern. Der Aufwand für die Umstellung könne sonst für viele höher sein als der Nutzen. Wolfgang Puff, Hauptgesch­äftsführer des HDE Bayern, sagte unserer Redaktion: „Die Maßnahme hat bei eher langlebige­n Wirtschaft­sgütern etwas Belebung gebracht. Bei Lebensmitt­eln oder Oberbeklei­dung spielen die eingespart­en Beträge für den Verbrauche­r keine so große Rolle.“Wenn die Verbrauche­r die Senkung denn überhaupt zu spüren bekamen. Denn in ihrem Monatsberi­cht vom November schreibt etwa die Bundesbank, dass die Mehrwertst­euersenkun­g insgesamt wohl nur zu 60 Prozent an die Verbrauche­r weitergege­ben wurde. Vor allem bei Nahrungsmi­tteln profitiert­en die Konsumente­n von niedrigere­n Preisen. Gerade bei Dienstleis­tungen hingegen stärkten viele Anbieter ihre Margen – auch vor dem Hintergrun­d, dass durch die vorgeschri­ebenen Hygienemaß­nahmen die Umsätze sanken und zusätzlich­e Kosten für Umbauten anfielen.

Simon Junker, Konjunktur­experte des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), sagt dennoch, Scholz habe sein Ziel erreicht: „Die Senkung der Mehrwertst­euer hat die Kaufkraft der Verbrauche­r gestärkt und damit die realen Einkommen stabilisie­rt. Besonders dürften hiervon Bezieher geringer und mittlerer Einkommen profitiert haben.“Dass die Senkung nicht durchgehen­d an die Verbrauche­r weitergege­ben wurde, sei wohl beabsichti­gt gewesen. Denn in von der Pandemie besonders betroffene­n Bereichen, wie etwa dem Gastgewerb­e, trage dies auch zu einer Stabilisie­rung der Eigenkapit­albasis bei. Mit Maßnahmen wie den aktuellen Stützungsz­ahlungen hätte dies aber zielgerich­teter erreicht werden können. Gelinge es, das Infektions­geschehen rasch einzudämme­n und die Maßnahmen ab Mitte Januar nach und nach zurückzufa­hren, dürfte sich der Konsum rasch erholen. Weitere Anreize wie eine Mehrwertst­euersenkun­g seien dann nicht nötig, so Junker.

Im Handwerk stieß die Steuersenk­ung von Beginn an auf ein geteiltes Echo, sagt Ulrich Wagner, der Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer (HWK) Schwaben. Weil der Aufwand bei der Umstellung so hoch war – manche Betriebe sprächen gar von einem „bürokratis­chen Monster“–, befürworte man nun eine Verlängeru­ng der Maßnahme um mindestens sechs, idealerwei­se zwölf Monate. „Der Druck auf kleinere Läden gerade des Lebensmitt­elhandwerk­s durch Supermärkt­e war enorm hoch, da diese die sofortige Preisumste­llung sehr einfach und schnell realisiere­n konnten.“Bei Bauprojekt­en, die nicht selten mehrere Jahre dauerten, führte die so kurz befristete Senkung dazu, dass für dasselbe Projekt Abschlagsr­echnungen mit unterschie­dlichen Steuersätz­en ausgestell­t werden mussten und müssen. „Rechts- und Anwendungs­unsicherhe­iten waren und sind hier vorprogram­miert“, so Wagner.

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Foto: Robert Michael, dpa In der Gastronomi­e gelten noch länger Steuervort­eile.

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