Gemeinsam glotzen für den Erfolg
Achtung! Hier folgt ein Mehrwert, der weit außerhalb des Sportressorts gültig ist. Goldene Regel: Niemals eine Feier, am Ende noch eine Hochzeit, auf einen Tag legen, an dem ein K.-o.-Spiel bei einer WM oder EM stattfinden kann, am Ende noch mit deutscher Beteiligung. Denn sobald das Spiel läuft, wird sich eine Hälfte der Gäste (also mutmaßlich alle männlichen Eingeladenen) um den Helden des Tages versammeln, der a) eine stabile Internetverbindung, b) einen halbwegs großen Handybildschirm und c) falls erforderlich ein Streaming-Abo hat. Die Hochzeit – und sei es die eigene – läuft im schlimmsten Fall Gefahr, in die zweite Reihe gedrängt zu werden.
Eine Menschentraube, die gebannt das Geschehen auf einem kleinen Bildschirm verfolgt – es sind Bilder, wie es sie auch am Mittwochabend in Madrid zu sehen gab. Diesmal war es aber keine Hochzeitsgesellschaft, sondern die Mannschaft von Borussia Mönchengladbach, die sich um ein Tablet-PC scharte. Minutenlang fieberten die Gladbacher, die kurz zuvor beim 0:2 bei Real chancenlos gewesen waren, beim Spiel zwischen Inter Mailand und Schachtjor Donezk mit in 1200 Kilometern Entfernung. Die Partie, bei der acht Minuten nachgespielt wurden, endete schließlich mit einem torlosen Remis. Wohl noch nie ist ein 0:0, noch dazu ein fremdes, von den Gladbachern derart bejubelt worden. Denn weil es dort keinen Sieger gab, zog Gladbach quasi von der Mannschaftscouch ins Achtelfinale ein.
Die Gladbacher haben es damit bedeutend besser als die bemitleidenswerten Schalker vor 19 Jahren. Die wähnten sich nach dem letzten Saisonspiel schon als Meister – im Glauben, der HSV hätte die Bayern mit 1:0 besiegt. Damals gab es noch keine Tablets, kein DAZN, nicht einmal 5G – nur die überdimensionale Leinwand im Parkstadion. Darauf war, während Königsblau im Jubel versank, zu sehen, wie Bayern zum 1:1 ausglich und sich doch noch den Titel holte – die Schalker Fünf-Minuten-Meisterschaft. In mancher Hinsicht war früher nicht alles besser.