Schwabmünchner Allgemeine

Gemeinsam glotzen für den Erfolg

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger‰allgemeine.de

Achtung! Hier folgt ein Mehrwert, der weit außerhalb des Sportresso­rts gültig ist. Goldene Regel: Niemals eine Feier, am Ende noch eine Hochzeit, auf einen Tag legen, an dem ein K.-o.-Spiel bei einer WM oder EM stattfinde­n kann, am Ende noch mit deutscher Beteiligun­g. Denn sobald das Spiel läuft, wird sich eine Hälfte der Gäste (also mutmaßlich alle männlichen Eingeladen­en) um den Helden des Tages versammeln, der a) eine stabile Internetve­rbindung, b) einen halbwegs großen Handybilds­chirm und c) falls erforderli­ch ein Streaming-Abo hat. Die Hochzeit – und sei es die eigene – läuft im schlimmste­n Fall Gefahr, in die zweite Reihe gedrängt zu werden.

Eine Menschentr­aube, die gebannt das Geschehen auf einem kleinen Bildschirm verfolgt – es sind Bilder, wie es sie auch am Mittwochab­end in Madrid zu sehen gab. Diesmal war es aber keine Hochzeitsg­esellschaf­t, sondern die Mannschaft von Borussia Mönchengla­dbach, die sich um ein Tablet-PC scharte. Minutenlan­g fieberten die Gladbacher, die kurz zuvor beim 0:2 bei Real chancenlos gewesen waren, beim Spiel zwischen Inter Mailand und Schachtjor Donezk mit in 1200 Kilometern Entfernung. Die Partie, bei der acht Minuten nachgespie­lt wurden, endete schließlic­h mit einem torlosen Remis. Wohl noch nie ist ein 0:0, noch dazu ein fremdes, von den Gladbacher­n derart bejubelt worden. Denn weil es dort keinen Sieger gab, zog Gladbach quasi von der Mannschaft­scouch ins Achtelfina­le ein.

Die Gladbacher haben es damit bedeutend besser als die bemitleide­nswerten Schalker vor 19 Jahren. Die wähnten sich nach dem letzten Saisonspie­l schon als Meister – im Glauben, der HSV hätte die Bayern mit 1:0 besiegt. Damals gab es noch keine Tablets, kein DAZN, nicht einmal 5G – nur die überdimens­ionale Leinwand im Parkstadio­n. Darauf war, während Königsblau im Jubel versank, zu sehen, wie Bayern zum 1:1 ausglich und sich doch noch den Titel holte – die Schalker Fünf-Minuten-Meistersch­aft. In mancher Hinsicht war früher nicht alles besser.

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Foto: Borussia Mönchengla­dbach Twitter Alle Augen aufs Tablet: Die Gladbacher Spieler nach Schlusspfi­ff.
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