Schwabmünchner Allgemeine

Kreide‰Schriftzug löst umstritten­en Einsatz aus

Junge Aktivistin­nen prangern in Augsburg Anmachsprü­che mit Kreide auf der Straße an. Das hat am Rathauspla­tz für einen Einsatz von Polizei und Feuerwehr gesorgt – und für eine politische Debatte

- VON JÖRG HEINZLE

Die Sache sorgt vor allem im Internet für Aufregung. Polizei und Feuerwehr waren am Montagaben­d in Augsburg wegen eines Schriftzug­s im Einsatz, der mit Kreide auf das Pflaster vor dem Augsburger Rathauspor­tal gemalt worden war. Die Polizei hatte die Feuerwehr gerufen, damit diese den Kreide-Schriftzug mit Wasser wegwäscht. In sozialen Netzwerken wird gemutmaßt, die Polizei habe sich damit „politisch“verhalten. Denn es handelte sich um einen Schriftzug, der von Frauenrech­ts-Aktivistin­nen angebracht worden ist. Sie wollten damit sexuelle Belästigun­gen von Frauen in der Öffentlich­keit anprangern.

Hinter der Aktion steht die Gruppe „Catcalls of Augsburg“, die von zwei jungen Frauen ins Leben gerufen worden ist. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Belästigun­gen durch sexistisch­e Sprüche, die Frauen hinterherg­erufen werden, am Ort des Geschehens anzuprange­rn. Dazu schreiben sie die Sprüche mit Kreide auf den Boden – jeweils an der Stelle, an der es passiert ist. Mit einem Hinweis auf ihre Seite im sozialen Netzwerk Instagram. Der Spruch vor dem Rathaus bezog sich auf eine Frau, die dort belästigt worden ist. Ein Mann hatte der Frau dort 50 Euro angeboten, weil er schon immer mal Sex mit einer Schwarzen haben wollte, wie er sagte. Gespickt war seine Anmache mit Beleidigun­gen.

Der Spruch sorgte für Irritation­en. Polizeispr­echer Siegfried Hartmann sagt auf Anfrage unserer Redaktion, die Polizei sei von Passanten über den Kreide-Schriftzug informiert worden. Die Passanten hätten darauf aufmerksam gemacht, weil sie den Spruch für rassistisc­h und sexistisch gehalten hätten. Die Polizeibea­mten hätten deshalb im benachbart­en Klimacamp nachgefrag­t, was es damit auf sich habe und was dahinterst­ecke. Ingo Blechschmi­dt vom Klimacamp bestätigt das und erklärt, er habe die Polizisten an „Catcalls of Augsburg“verwiesen. Die Beamten hätten ihn dennoch gebeten, den Schriftzug zu entfernen, weil sich Passanten beläsfühlt­en. Dem sei er aber nicht nachgekomm­en. Deshalb holte die Polizei dann die Feuerwehr zur Entfernung um Hilfe.

Der Polizeispr­echer erklärt, die Beamten hätten sich für die Entfernung entschiede­n, um weitere Missverstä­ndnisse und Aufregung um den an prominente­r Stelle angebracht­en Spruch zu vermeiden. Konsequenz­en müsse die Person, die den Spruch dort aufgeschri­eben habe, aber keine befürchten. Es handle sich um keine Straftat – weder um eine Beleidigun­g, da es ja um das Anprangern derselben gegangen sei, noch um eine Sachbeschä­digung, da sich die Kreide mit Wasser entfernen ließ – und spätestens beim nächsten Regen ohnehin verschwund­en wäre. Eine politische Motivation für das Vorgehen der Polizei gebe es jedenfalls nicht.

In der Stadtpolit­ik sorgt der Polizeiund Feuerwehre­insatz dennoch für Wirbel. Die Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i will von Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) wissen, warum es zu solch einem „unverhältn­ismäßigen Einsatz“getigt kommen sei – obwohl sie in diesem Fall die falsche Adressatin ist, weil die Stadt damit nichts tun hatte. Die Berufsfeue­rwehr gehört zwar zur Stadt, rückte aber auf Anforderun­g durch die Polizei an.

Die Sozialfrak­tion kritisiert auch, dass Kreide-Schriftzüg­e von Abtreibung­sgegnern im Herbst am Königsplat­z nicht sofort entfernt worden seien. SPD-Stadträtin Anna Rasehorn schreibt: „Ich schäme mich für das Handeln der Sicherheit­sbehörden.“Der Freie-Wähler-Stadtrat Peter Hummel ärgert sich auf Facebook über das Vorgehen der Polizei – und CSU-Rat Bernd Zitzelsber­ger stimmt ihm zu: „Die Entfernung war übertriebe­n. Die Bemalung des Gehweges ist grundsätzl­ich weder strafbar noch eine Ordnungswi­drigkeit.“

Die Aktivistin­nen von „Catcalls of Augsburg“wollen damit weitermach­en, „die Täter anzukreide­n und der Stimme von Betroffene­n noch mehr Gehör zu verschaffe­n“. Sie werten den Polizeiein­satz als Versuch, Betroffene mundtot zu machen. Das wollten sie nicht hinnehmen, schreiben sie in einer Botschaft im sozialen Netzwerk Instagram. Es gebe, das zeige der Vorfall, in der Gesellscha­ft „akuten Handlungsb­edarf“.

Rechtlich ist das Anbringen von Kreide eine Grauzone - es gibt Städte, die es tolerieren, andere sehen darin eine Ordnungswi­drigkeit. Die parteilose Stadträtin Margarete Heinrich will erreichen, dass die Stadt die „Ankreidung“durch „Catcalls of Augsburg“als legal ansieht und toleriert - sie hat einen entspreche­nden Antrag eingereich­t.

 ?? Foto: Catcalls of Augsburg, Instagram ?? Polizei und Feuerwehr waren am Montagaben­d in Augsburg wegen eines Schriftzug­s im Einsatz, der mit Kreide auf das Pflaster vor dem Augsburger Rathauspor­tal gemalt worden war.
Foto: Catcalls of Augsburg, Instagram Polizei und Feuerwehr waren am Montagaben­d in Augsburg wegen eines Schriftzug­s im Einsatz, der mit Kreide auf das Pflaster vor dem Augsburger Rathauspor­tal gemalt worden war.

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