Patienten in der Uniklinik schlagen Alarm
Zwei Betroffene berichten über Warteschlangen bei Operationen im Klinikum. Wegen der Pandemie sind auch Intensivbetten für Nicht-Corona-Patienten so knapp, dass sogar Notfälle davon betroffen sind
Johann Schwarz ist Tumorpatient in der Uniklinik Augsburg. Was ihm dort passierte, das möchte er nicht noch einmal erleben. Schwarz lag vergangene Woche in der Neurochirurgischen Station und sollte operiert werden. Doch dann wurde der zeitnah anberaumte Eingriff um vier Tage verschoben, nur deshalb, weil kein Intensivbett für ihn frei war, wie der 61-Jährige unserer Redaktion berichtet. Schwarz geht jetzt mit seinem Fall an die Öffentlichkeit. Er will die Bevölkerung wachrütteln, wie er sagt. „Die Leute sollen erfahren, was sie verursachen, wenn sie sich nicht an die Corona-Vorgaben unserer Politiker halten und Patienten im Uniklinikum für Intensivbetten zur Nachsorge Schlange stehen müssen.“
Im Großkrankenhaus wird derzeit hart an der Belastungsgrenze gearbeitet. Es geht längst nicht mehr allein darum, dass ausreichende Kapazitäten für Covid-19-Patienten zur Verfügung stehen. Auch Patienten mit anderen Krankheiten sind zunehmend davon betroffen, dass genügend Intensivbetten und Personal vorgehalten werden müssen, um die Pandemie medizinisch noch bewältigen zu können.
Johann Schwarz hatte einen bösartigen Tumor hinter dem Auge, der bereits bis ins Gehirn reichte. Vergangene Woche sollte er in der Uniklinik operiert werden. Am Mittwoch fand ein vorbereitender Eingriff statt, am Donnerstag war die Operation terminiert, erzählt er. Doch dann sei ihm mitgeteilt worden, dass kein Intensivbett zur Nachsorge frei sei. Der Eingriff musste auf Montag dieser Woche verschoben werden. Dazwischen lagen für ihn und seine Frau bange Stunden des Wartens und Hoffens, den Tumor endlich loszuwerden. „Das ist kein Kinderspiel“, sagt Schwarz. Deshalb sei es mehr als fahrlässig, wenn Menschen ohne Corona-Maske herumlaufen und für andere zum Infektionsrisiko werden. Der Augsburger betont, dass er keine Kritik am Uniklinikum üben will. Das medizinische Personal und die Pflegekräfte hätten alles getan, was machbar ist. Wegen hoher Infektionszahlen seien sie jedoch am Limit. Er kann die Lage gut einschätzen. Beruflich war er früher in leitender Funktion beim BRK.
Die Situation in der Uniklinik war zuletzt so angespannt, dass nicht einmal mehr alle Notfälle sofort behandelt werden konnten. Eine Patientin aus Stadtbergen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, wurde nach eigenen Angaben am 20. November mit einer akuten Blinddarmentzündung als Notfall ins Großkrankenhaus eingewiesen. Ihr Mann berichtet, sie hätte noch am gleichen Tag operiert werden sollen und sei fertig vorbereitet für den OP-Saal gewesen. Doch dann sei ein anderer Notfall vorgezogen worden, der Eingriff bei seiner Frau erst mehr als 24 Stunden später erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei der Blinddarm durchgebrochen gewesen. Was, wenn es zu einer Sepsis gekommen wäre? Das hätte für seine Frau schlimme Folgen haben können, kritisiert der Stadtberger.
Eine Sprecherin der Uniklinik bestätigte, dass derzeit sogar akute Fälle teilweise warten müssen. Das Augsburger Großkrankenhaus könne zwar weiterhin seinen Versorgungsauftrag erfüllen. Was chirurgische Intensivbetten angeht, müsse aber auch bei Notfällen priorisiert werden.
Die Lage hat sich zuletzt so zugespitzt, dass ein vorübergehender Aufnahmestopp für Patienten verhängt wurde, die nicht zwingend sofort behandelt werden müssen. Die Behandlung von Tumorpatienten operativ sowie konservativ ist von dieser Regelung ausgenommen. Und auch die Entbindungsstation bleibt offen. Zuvor hatte der Ärztliche Direktor Prof. Michael Beyer die Situation im Intensivbereich für NichtCorona-Patienten in einem internen Lagebericht als „katastrophal“beRettungsassistent zeichnet. Nur „mühsam“habe man pro Tag ein bis zwei Intensivpatienten zu- beziehungsweise abverlegen können.
Schon seit Wochen ist es auf den Intensivstationen der Uniklinik eng. Eine Sprecherin sagte am Mittwoch, dass wegen der Pandemie mehr als die Hälfte der Intensivbetten im Krankenhaus für die Versorgung intensivpflichtiger Covid-19-Patienten zur Verfügung stehen. Das führe zu Einschränkungen. Nicht alle Notfälle könnten im Moment der Einlieferung versorgt werden. „Ein interdisziplinäres Komitee aus Fachvertretern entscheidet jeden Tag und jede Minute nach Dringlichkeit.“Insgesamt stehen für Non-Covid-19-Patienten derzeit 76 Intensivbetten zur Verfügung, davon 18 für Notfälle und geplante Eingriffe. Für intensivpflichtige Covid-19-Patienten sind es insgesamt
KlinikChef appelliert an die Bevölkerung
42 Intensivbetten, von denen, Stand Mittwochmorgen, 32 belegt waren.
In dem Zeitraum, den die beiden betroffenen Patienten unserer Zeitung beschrieben haben, hat nach Angaben der Uniklinik ein interdisziplinäres Team von bis zu 42 Ärzten und Pflegekräften Notfälle und dringende große Operationen versorgt, um Leben zu retten. Die längste Operation dauerte 13 Stunden. Das Licht im OP konnte in dieser Zeit nie ausgeschaltet werden. Was die beiden verzögerten OPs angeht, habe es jeweils lebensbedrohliche Notfälle gegeben, die noch schneller versorgt werden mussten.
Klinik-Vorstandschef Beyer appelliert an die Bevölkerung, sich an die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu halten. Damit könnten die Menschen Einfluss auf die Krankenversorgung nehmen. Die Wirklichkeit sieht offenbar anders aus, sogar direkt vor dem Krankenhaus. In den sozialen Netzwerken wird viel darüber spekuliert, dass immer wieder Patienten die Uniklinik verlassen, um sich auf dem Parkplatz mit Angehörigen zu treffen. Dadurch steige das Infektionsrisiko. Im Krankenhaus gilt wegen der Pandemie derzeit ein Besuchsverbot. »Kommentar