Die Sorgen der kleinen Vereine gehen in der Krise unter Leitartikel
Nie gab es so eine große Kluft zwischen Leistungs- und Profisportlern wie momentan. Die einen sind zum Nichtstun verdammt, die anderen weiterhin aktiv
Telefonische Beschwerden schlagen fast täglich auf in der Sportredaktion. Über die Gruppe von Jugendlichen, die auf der Bezirkssportanlage Fußball spielt, über Fechter, die abends in einer Sporthalle trainieren, oder Kanuten, die weiterhin den Augsburger Eiskanal hinunterpaddeln. Das Unverständnis ist mit der Infektionsschutzverordnung begründet, nach der seit Mitte November eigentlich sämtliche Sportstätten Bayerns geschlossen sein müssten. Doch es gibt sie, jene Ausnahmen, die den ohnehin schon bestehenden Graben zwischen Breiten- und Leistungssport bedauerlicherweise noch tiefer werden lassen.
Denn während der Breitensport seit der Komplettschließung zum Stillstand verdammt ist, dürfen Profisportler weiterhin ihrem Beruf nachgehen. Dazu gehören in unserer Region nicht nur der FußballBundesligist FC Augsburg oder in der Deutschen Eishockey-Liga die Augsburger und die Ingolstädter Panther. Auch Nachwuchsathleten mit Profivertrag und alle Aktiven aus bayerischen und schwäbischen Kadern dürfen aufgrund der Ausnahmeregel weiterhin trainieren – Kanuten, Fechter, Turner.
Sie alle sind mehr als dankbar dafür. Denn eine Zwangspause über mehrere Monate hinweg hätte zur Folge, dass die deutschen Sportler international auf lange Zeit hin nicht mehr konkurrenzfähig wären. Die Nachwuchstalente, bei denen jedes Jahr in der sportlichen Entwicklung entscheidend ist, könnten den Trainingsrückstand nicht mehr aufholen. Qualifikationen für Weltund Europameisterschaften und auch die Olympischen Spiele wären dahin. Deshalb profitieren sie mit Recht von der Ausnahmeregelung.
Doch das ohnehin schon angespannte Verhältnis zum Breitensport wird dadurch nicht besser. Schon vor Corona-Zeiten gab es Klagen, dass der Profisport sowohl von staatlichen Stellen als auch von privaten Sponsoren mehr gefördert und geschätzt werde als der Breitensport und die ihm verbundenen kleinen Vereine. Während die Ehrenamtlichen täglich Klinken putzen, um ein paar hundert Euro für ihre Teams zu sammeln, profitieren die großen Kaliber wie Fußball oder Formel 1 von opulenten Fernsehgeldern. Die Randsportarten und die kleinen Vereine hingegen werden mit ihren Sorgen und Nöten ziemlich alleingelassen.
Die Hürden für Unterstützungsgelder sind so groß, dass bisher die wenigsten auf eine Geldspritze hoffen können. Doch Vereine müssen ihre Sportstätten auch dann instand halten, wenn die Mitglieder nicht aktiv sind. Dazu kommen zum Jahreswechsel überdurchschnittlich hohe Kündigungszahlen, was die Dachorganisation, der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV), bereits bestätigt hat. Wenn über Monate hinweg kein Angebot genutzt wird, braucht ein Mitglied schon eine gehörige Portion Treue, um den jährlichen Beitrag zu zahlen.
Selbst den erfinderischen Vereinen, die mit digitalen Angeboten ihre Mitgliederbindung aufrechterhalten wollten, warf man Knüppel zwischen die Beine. Denn einerseits erhielten Schulkinder bis vor kurzem zwar noch Sportunterricht in den Vereinshallen, den Übungsleitern aber war es strikt verboten, alleine in einer sonst leeren Sportstätte Trainingsvideos zu streamen.
Vorgaben, die bei den Vereinen zu Recht auf Unverständnis stoßen. Ebenso wie die Tatsache, dass sie mit großem finanziellen Aufwand schlüssige Hygienekonzepte entwickelten, denen die Politik dann aber kein Vertrauen entgegenbrachte. Selbst Outdoor-Anlagen wurden geschlossen. Doch wenn im Leistungssport Lösungen möglich sind, müsste das durchaus auch in verschiedenen Bereichen des Breitensports gelingen. Vielleicht nicht unbedingt im harten Lockdown, doch sicherlich in der Zeit danach.
Kündigungszahlen steigen über den Jahreswechsel