Schwabmünchner Allgemeine

Anne Frank und Zwangsarbe­iter werden Thema

In dem früheren KZ-Außenlager soll ein „Lernort Frieden“entstehen. Die Stadt tut sich aber schon mit einer Zwischenlö­sung schwer – auch weil die Messerschm­itt-Stiftung kein Geld zusagt

- VON EVA MARIA KNAB

Weil sie Juden sind, müssen die Franks 1942 untertauch­en. In einem Versteck schreibt Anne Frank ihre Gedanken in einem Tagebuch nieder. Das Schicksal des jüdischen Mädchens bewegt Menschen weltweit. Ihre Aufzeichnu­ngen gelten heute als historisch­es Dokument aus der Zeit des Holocaust. Im kommenden Frühjahr wird das Leben und Sterben der Anne Frank zum Thema einer Wanderauss­tellung in der „Halle 116“. Bis in einem Jahr soll außerdem eine Interims-Schau zur NS-Zeit in Augsburg fertig sein. In dem Gebäude im Stadtteil Pfersee soll langfristi­g ein Lernort für Frieden entstehen. Auf dem Weg dorthin kämpft die Stadt aber weiterhin mit der Finanzieru­ng.

Die Halle 116 ist ein geschichts­trächtiger Ort in Augsburg. Die Nationalso­zialisten brachten in dem früheren KZ-Außenlager von Dachau 4000 Häftlinge unter, die unter menschenun­würdigen Bedingunge­n vor für die Messerschm­itt AG Zwangsarbe­it leisten mussten. Nach dem Krieg nutzten die US-Truppen das Kasernenge­bäude. Laut Beschluss des Stadtrats soll ein Teil der historisch bedeutsame­n Halle 116 als Erinnerung­s- und Lernort eingericht­et werden. Inhaltlich­er Leitfaden ist ein Konzept des Historiker­s Philipp Gassert. Vor einem Jahr wurde das Gebäude angekauft. Das große Problem: Der Stadt fehlt das nötige Geld, das Vorhaben in einem größeren Umfang zu realisiere­n. Allein die Gesamtsani­erung der weitläufig­en Halle wird mit rund zwölf Millionen Euro veranschla­gt. Das gilt derzeit als nicht finanzierb­ar. Wegen der Corona-Pandemie fehlen der Stadt Einnahmen, viele weitere Vorhaben stehen auf der Warteliste.

Stadtdirek­torin Melanie Haisch sagte am Dienstag im Kulturauss­chuss des Stadtrates: „Natürlich hätten wir gerne den großen Wurf, aber das ist finanziell nicht möglich.“Trotzdem soll die Halle 116 als Erinnerung­sort bald mit Leben erfüllt werden. Zum Start im kommenden Frühjahr ist die Wanderauss­tellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“geplant. Diese Schau richtet sich insbesonde­re an Schüler und Jugendlich­e. Sie musste wegen der Corona-Pandemie zweimal verschoben werden. Parallel soll in der Halle eine Sonderauss­tellung über die letzten Kriegsmona­te 1945 in Deutschlan­d zu sehen sein.

Darüber hinaus laufen die Vorbereitu­ngen für eine längerfris­tige Interims-Ausstellun­g, die Ende 2021 eröffnen soll. Sie füllt die Zeit, bis das Konzept für den künftigen Lernort Frieden steht. Als Schwerpunk­te des Interims sind die KZund Zwangsarbe­it in Schwaben sowie die von den Amerikaner­n eingeleite­te Demokratis­ierung und Liberalisi­erung der Gesellscha­ft nach 1945 geplant.

Doch auch bei der Realisieru­ng des Interims gibt es Probleme: Die Kosten sind mit 158.000 Euro veranschla­gt, der Eigenantei­l der Stadt liegt bei 75.000 Euro. Bislang hatte man in der Verwaltung mit einem Zuschuss aus dem bayerische­n Kulturfond­s gerechnet. Nach Auskunft der Regierung von Schwaben ist diese Förderung nicht möglich, weil die Halle 116 kein Museum ist. Nun hofft die Stadt auf Mittel aus dem Kultusmini­sterium. „Ärgerlich“ist aus Sicht der Stadtdirek­torin, dass auch die Messerschm­itt-Stiftung bislang keine Fördermitt­el zugesagt hat, und das, obwohl die früheren Flugzeugwe­rke Zwangsarbe­iter beschäftig­t hatten.

Stadträtin Sieglinde Wisniewki (SPD) ist skeptisch, ob die Stadt genügend Geld für das Interim einsammeln kann. „Zwangsarbe­it ist ein schwierige­s Thema und Geld haben wir auch keins, ich wünsche uns ein gutes Gelingen.“Peter Grab (WSA) sprach an, dass der Stadt auch das Geld für die künftige große Dauerausst­ellung fehle. Für ihn stellt sich die Frage, ob man die Mittel für das Interim lieber sparen und gleich in eine große Lösung invesallem tieren sollte. Stadträte von CSU und Grünen sehen das anders. „Alle wollen, dass Leben in die Bude kommt“, so Matthias Fink (CSU). Alle an dem Projekt beteiligte­n Bürgergrup­pen müssten gleicherma­ßen mitgenomme­n werden. Verena von Mutius-Bartholy (Grüne) sagte mit Blick auf die gesamte Hallengröß­e, richtig sei, jetzt den Kopfbau einer Nutzung zuzuführen.

Allerdings gibt es noch eine andere Aufgabe zu erledigen. Was die baulichen Probleme in der Halle 116 angeht, hat ein Architektu­rbüro im Auftrag der Kulturverw­altung inzwischen die Kosten für eine Teilsanier­ung ermittelt. Sie werden mit fünf Millionen Euro veranschla­gt. Stadtdirek­torin Haisch machte aber auch noch einmal deutlich, was all den Ausgaben am Ende als Nutzen gegenübers­teht. Danach hat die Halle 116 das Potenzial, zu einem Dokumentat­ionszentru­m für die NS-Zeit und Nachkriegs­geschichte zu werden, das es so nirgends in Deutschlan­d gibt.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Die Halle 116 in Pfersee soll zum „Lernort Frieden“werden. Im kommenden Frühjahr startet eine Ausstellun­g zum Leben der Anne Frank.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Die Halle 116 in Pfersee soll zum „Lernort Frieden“werden. Im kommenden Frühjahr startet eine Ausstellun­g zum Leben der Anne Frank.

Newspapers in German

Newspapers from Germany