Was der Kultusminister anscheinend nicht wusste
Die Schulen sind zu. Distanzunterricht wollte man ihnen vor Weihnachten nicht zumuten, heißt es zunächst aus München. Aber der Landkreis ist vorbereitet
Landkreis Augsburg Zu früh gefreut haben sich wohl schon eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schüler im Augsburger Land. Gerade die älteren unter ihnen hatten die Anweisung aus dem Kultusministerium vom späten Montagnachmittag, dass nun bis auf die Abschlussklassen doch kein Distanzunterricht mehr stattfinden sollte bis zum vorgezogenen Beginn der Weihnachtsferien mit mehr oder weniger als noch längeren Ferien gleichgesetzt.
Oder was sollte der neue Begriff vom eigenverantwortliches Distanzlernen sonst bedeuten, dachten sie wohl? Doch es blieb nicht lange bei der Entscheidung. Bereits am Dienstagmittag war das Kultusministerium noch einmal umgeschwenkt: Wenn die Schulen das wollten, könnten sie für alle Jahrgangsstufen auch Distanzunterricht anbieten. Da war schon klar: Viele Schulen im Augsburger Land hätten das ohnehin getan – auch gegen die Anweisung aus München.
Denn vorbereitet waren sie alle. Am Anfang stand da die Ausgabe von Leihgeräten an Schülerinnen und Schüler, welche diese benötigen. So wie an der Mittelschule in Gersthofen oder an der Parkschule in Stadtbergen. Eine ganze Reihe von Gemeinden und Städten im Augsburger Land haben solche Geräte
angeschafft, das Landratsamt ebenfalls. Am Dienstagmorgen hatte Schulleiter Jürgen Brendel von der Parkschule aus Stadtbergen noch gemutmaßt, woran es also liegen könnte, dass zunächst Distanzunterricht, also ein typischer Schultag mit Online-Schulstunden, Aufgaben und Korrekturen, ja sogar Schülerreferaten und Abfragen, nicht mehr vorgesehen war. Ob es wohl an der Instabilität der bayernweiten Lernplattform Mebis lag?
Das ist eine Vermutung, die im Laufe der Diskussion auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD im Landtag, die Stadtbergerin Simone Strohmayr, geäußert hatte. Erst in der vergangenen Woche war das System komplett zusammengebrochen. Eine Erfahrung, die man an der Parkschule in ähnlicher Weise in Stadtbergen kennt. Dort wurde Mebis im Lernversuch „Lehrreich 2.0“seit 2014 getestet. Schon damals nannte Lehrer Bernhard Pietzowski Mebis „schwerfällig“. In den Jahren hat sich wenig getan – und die Einschätzung von damals gilt weiter: Zu benutzerunfreundlich, zu schwerfällig und zu langsam nennt Schulleiter Jürgen Brendel Mebis immer noch. Die Schule benutzt inzwischen eine andere Software.
Man habe mit der Entscheidung gegen Distanzunterricht Druck von den Schulen nehmen wollen, hieß es schließlich am Montag noch aus dem Kultusministerium. Und am Dienstag
gab es eine weitere Erklärung: Dass die Schulen gleichzeitig eine Notbetreuung für jüngere Schüler und Distanzunterricht organisieren müssen, das habe man ihnen nicht zumuten wollen. Doch auch daran hatten die Schulen gedacht: Sportlehrer, die im Moment keinen Unterricht geben, sollten das etwa an der Realschule Neusäß übernehmen, so Konrektor Andreas Thomik. Oder man setze Betreuungskräfte aus dem Ganztagsbereich ein, so Schulamtsleiter Thomas Adleff.
Dass der so lange mit „Kraft und Kommunikation“vorbereitete Distanzunterricht zunächst doch nicht kommen sollte, hatte auch den Leiter der Realschule Zusmarshausen, Jürgen Seipt-Wunderwald, „sehr überrascht“. Schließlich habe man sich seit dem Herbst auf alle möglichen Fälle vorbereitet: Für einzelne Schüler in Quarantäne, für abwesende Klassen oder eine komplette Schulschließung gibt es Konzepte. Schließlich habe man doch im Frühjahr gemerkt, dass man den Schülerinnen und Schülern unbedingt einen festen Plan für den Schultag mitgeben müsse, so Seipt-Wunderwald. Übrigens: Auch an der Realschule in Zusmarshausen spielt Mebis keine Rolle. Dort wird das Microsoft-Programm „Teams for Education“verwendet.
Damit hat der Landkreis Augsburg die staatlichen Schulen seit 2017 ausgestattet und gibt für die Lizenzen jährlich 85.000 Euro aus. Erst im Frühjahr war auch der Freistaat, wohl um die Instabilität seiner eigenen Plattform Mebis wissend, auf Teams umgeschwenkt und hatte jenen Schulen, es waren 350 in Bayern, die nicht über solche Lizenzen ihrer Träger verfügten, das Programm zunächst bis Ende 2020 zur Verfügung gestellt. Noch vor wenigen Wochen schien das Auslaufen der Lizenzen eine unumstößliche Tatsache. Erst in der vergangenen Woche, zeitgleich mit dem Absturz von Mebis, gab das Kultusministerium nach: Alle Schulen dürfen nun Teams bis Ende April 2021 weiter nutzen.
Jetzt eben auch für den Distanzunterricht vor Weihnachten bis zum Freitag dieser Woche. Jürgen Brendel von der Parkschule in Stadtbergen ärgert sich aber, dass solche Entscheidungen praktisch nur Stunden vor Inkrafttreten verkündet würden. Ein anderer Schulleiter hatte sich inzwischen in einem Elternbrief bei den Eltern entschuldigt, dass bereits angesetzte Klassenkonferenzen nun wieder abgesagt werden müssten. Jetzt kann er einen Neuen schreiben, dass sie doch stattfinden. SPD-Politikerin Simone Strohmayr fasst es so zusammen: Die Staatsregierung gestehe ihr eigenes Scheitern ein.
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