Weihnachten, die ganz stille Nacht
Auch für die Kirchen gibt es keine Ausnahmen mehr: Wegen der Ausgangssperre ab 21 Uhr müssen an Heiligabend die Christmetten verlegt oder abgesagt werden. Was das für die Gemeinden bedeutet und wie sie nun wieder einmal neu planen
„Sehr, sehr verwundert“sei er darüber gewesen, dass die Bayerische Staatsregierung so wenige Tage vor Weihnachten die Ausnahmeregelungen für die nächtlichen Christmetten nach 21 Uhr zurückgenommen habe. So äußerte sich der katholische Bischof Bertram Meier in einer ersten Reaktion auf diese neue Vorgabe. Schmerz, Verwirrung, Aufseufzen über all das, was jetzt innerhalb weniger Tage wieder umorganisiert werden muss, oder auch ein pragmatisches „Es ist nun, wie es ist“– ein solches Stimmungsbild ergibt sich bei der Nachfrage in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden. Was heißt das für ihre Planungen?
„Es ist sehr mühsam!“, sagt Bernd Weidner, Pfarrer der katholischen Pfarreiengemeinschaft Oberhausen, wo in drei Kirchen um 22 Uhr und um 22.30 Uhr Christmetten hätten stattfinden sollen. Jetzt wird als einzige abendliche Christmette eine um 19.30 Uhr in St. Konrad stattfinden. Riesig sei der Aufwand, der realistisch gesehen kaum zu leisten sei: Wie soll es das Pfarrbüro schaffen, Hunderte von Leuten, die bereits ihre Plätze in mehreren Gottesdiensten der vier Kirchen reserviert haben, anzurufen und umzubuchen? Woher die Ordner, die Musiker, die Mitarbeiter bekommen, die an diesem Abend lie
auch in ihren Familien feiern wollen? Und dies alles, damit möglichst wenige Menschen aus dem Haus gehen und zu den Gottesdiensten kommen. „Wie paradox!“, sagt der spürbar genervte Pfarrer.
Die Kirchengemeinden sind gerade dabei, ihre ausgeklügelten Weihnachtsgottesdienst-Pläne am
24. Dezember wieder aufzuschnüren und neu zu ordnen. Glücklich jene, die so große Kirchenräume haben, dass sie von vorneherein auf eine Platzreservierung verzichtet haben. So kann Thomas Schmeckenbecher, Pfarrer der evangelischen St.-Ulrich-Kirche, gelassen bleiben: Die Christmette um 22.30 Uhr entfällt ersatzlos. Was bleibt, sind die fünf OpenAir-Gottesdienste, etwa auf der Amberger Wiese oder dem Parkplatz am Zoo – kurze Gottesdienst-Formate, bei denen der Pfarrer mit einem kleinen Bläserteam auf der Ladefläche eines Lastwagens mit der Weihnachtsbotschaft zu den Menschen kommt, nicht umgekehrt. „Wir müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren“, sagt der Ulrichspfarrer. Er hat keine Sorge, dass sich die Botschaft von der Geburt Jesu nicht auch fröhlich auf den verschiedensten Ebenen verkündigen ließe. Am Nachmittag des
24. Dezember wird die Ulrichskirche geöffnet sein fürs persönliche und stille Gebet. Schmeckenbecher: „Auch das hilft, dass die weihnachtliche Botschaft auf uns wirken kann.“
Natürlich ist da auch der Schmerz. Natürlich ist da auch die große Enttäuschung. Weil ein tieferer Sinn in diesem nächtlichen Gotber tesdienst liegt. „Diese Nacht ist etwas Besonderes“, hebt der evangelische Stadtdekan Michael Thoma hervor. „Hochbesinnlich“sei diese Christmette zur „Geburtsstunde“Jesu, oft musikalisch gestaltet, vor allem aber mit dem gemeinsam gesungenen „Stille Nacht“. Sie wird still sein, denn Gemeindegesang ist auch verboten. In St. Anna wird die Christmette nun auf 18.30 Uhr vorgezogen, und die Christvesper um 17 Uhr, die zunächst im Freien, im Annahof, hätte stattfinden sollen, wird in die Kirche verlegt. Bei alledem, versichert Michael Thoma, „liegt uns die Gesundheit unserer Mitmenschen am Herzen, wir wollen als Kirche dazu unseren Beitrag leisten“.
„Bis tief in die Nacht“hat Markus Mikus, Pfarrer der katholischen Gemeinden St. Georg und St. Albert in Haunstetten, mit seinen Verantwortlichen konferiert, um zu schauen, wie sie die nächtlichen Christmetten umplanen konnten: Es wird nur noch je eine nächtliche Christmette um 19.30 Uhr geben, „sodass alle vor 21 Uhr zu Hause sein können“, so Mikus. „Sehr, sehr schmerzlich“sei für ihn die Verschiebung der Christmette, deren besonderer Zeitpunkt „tief in unserer Geschichte und Tradition verwurzelt ist“. „Hier wird verschoben, was uns Christen wichtig ist“, meint Mikus. Die Kirchen sind für den Pfarrer „eine Art Andockstelle für die Menschen, wo sie ihre Akkus wieder aufladen können“. Gesund bleiben – das hat für Mikus auch damit zu tun, dass „der Mensch nicht an Geist und Seele erkrankt“. Diese Hoffnung will sich der Pfarrer bewahren. So sagt er mit großer Bestimmtheit: „Wir werden Weihnachten feiern!“
Alle aktuellen Änderungen der Gottesdienst-Zeiten sind auf den jeweiligen Internet-Portalen der Kirchengemeinden einzusehen.