Schwabmünchner Allgemeine

Karl-Theodor zu Guttenberg muss im Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen

Der Europäisch­e Gerichtsho­f erklärt die Betrugssof­tware bei Dieselauto­s für illegal. Der deutschen Autoindust­rie droht ein Fiasko, das enorm viel Geld verschling­en könnte

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/Luxemburg Die deutschen Autokonzer­ne werden von einem Gespenst heimgesuch­t, das sie schon abgeschütt­elt glaubten. Doch am Ende des ohnehin harten CoronaJahr­es schreckt der 2015 aufgedeckt­e Diesel-Skandal die Chefetagen von Daimler, Volkswagen und BMW ein weiteres Mal. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat geurteilt, dass das Frisieren der Abgasreini­gung bei den Motoren keine legale technische Optimierun­g war, sondern eine rechtswidr­ige Manipulati­on. Unmittelba­r im Anschluss an den Richterspr­uch ploppten Forderunge­n auf, die für die Konzerne sehr teuer werden könnten.

Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Oliver Krischer, verlangte von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), dass er verpflicht­ende Nachrüstun­gen am Abgassyste­m der Autos verfügen solle. „Scheuer muss Konsequenz­en ziehen und endlich die von ihm seit Jahren blockierte Hardware-Nachrüstun­g bei allen betroffene­n Modellen auf Kosten der Hersteller durchsetze­n“, sagte Krischer unserer Redaktion. Andernfall­s würden milliarden­schwere Schadeners­atzklagen gegen die Bundesregi­erung drohen, „da sie den nun gestoppten Betrug legalisier­t hatte“.

Die drei deutschen Hersteller, aber auch Opel, hatten sich in der

zunächst hartnäckig dagegen gewehrt, nachträgli­ch eine funktionie­rende Reinigung der Abgase mit Harnstoff (AdBlue) in die älteren Wagen einzubauen. Sie setzten vor allem darauf, die Motoren mit den wesentlich günstigere­n Updates der Steuerungs­software in Ordnung zu bringen, um Fahrverbot­e in Innenstädt­en zu vermeiden. Später stimmten die Unternehme­n zähneknirs­chend zu, bis zu 3000 Euro für den Umbau zu übernehmen. Die Nachfrage der Autofahrer danach war aber gering. Nur wenige tausend entschiede­n sich dafür. In Deutschlan­d sind noch Millionen Diesel mit der Schadstoff­klasse Euro 4 und Euro 5 unterwegs. Laut den Daten des Kraftfahrt­bundesamte­s waren es zu Beginn des Jahres 2020 noch 8,8 Millionen Diesel der Abgasklass­e Euro 5 und älter. Die derzeitige Abgasklass­e Euro 6 wurde im Herbst 2015 eingeführt.

Neben den Nachrüstun­gen könnte auf die Autobauer nach dem Richterspr­uch zu der manipulier­ten Abgasreini­gung eine neue Klageflut zurollen. „Diese Form der Manipulati­on war illegal. Für betroffene Pkw-Halter standen die Chancen nie besser, erfolgreic­h Schadeners­atzansprüc­he durchzuset­zen“, sagte der Rechtsanwa­lt Claus Goldenstei­n. Seine Kanzlei betreut nach eigenen Angaben über 20000 Dieselfahr­er und ist auf die Thematik spezialisi­ert. Allerdings ergibt sich aus dem Urteil kein automatisc­her Anspruch auf Entschädig­ung. DieselBesi­tzer müssen ihre Ansprüche vor den nationalen Gerichten einklagen, verfügen nun aber über eine höchstrich­terliche Grundlage.

Bei den Autobauern gab man sich bewusst entspannt. Volkswagen als Unternehme­n, das seine Kunden getäuscht hat und von dem der Diesel-Skandal ausging, misst künftigen Klagen kaum Chancen bei. „Der EuGH hat die Rechtsauff­assung bestätigt, der die deutschen Gerichte hier ohnehin schon folgen“, sagte ein Sprecher. VW hat sich mittlerwei­le mit hunderttau­senden Dieselfahr­ern geeinigt und Kompensati­onen gezahlt, nicht zuletzt durch die Musterklag­e der Verbrauche­rzentrale. Die Wolfsburge­r warnten davor, dass Anwälte versuchen könnten, Kasse zu machen.

Ihnen spielt in die Karten, dass der Bundesgeri­chtshof am selben Tag wie der EuGH ein Urteil zum Diesel-Komplex verkündete. Demnach haben Dieselfahr­er keinen Anspruch auf Schadeners­atz, wenn sie erst im Jahr 2019 oder später gegen VW geklagt haben. Bei Daimler sagte ein Konzernspr­echer: „Das Urteil ist ein VW-Urteil, zu dem wir uns nicht äußern.“Auch gegen die Stuttgarte­r wurden immer wieder Klagen erhoben wegen des VerVergang­enheit dachts auf illegale Abschaltei­nrichtunge­n in der Abgasreini­gung der Motoren. Das Kraftfahrt­bundesamt sah es als gegeben an, dass Daimler getrickst hatte. Und BMW erklärte: „Wir sind jetzt nicht verdächtig, zu den Betrügern zu gehören.“

Der Autokonzer­n aus München stand im Abgasskand­al nicht so stark im Fokus wie die Konkurrenz aus Stuttgart und Wolfsburg, weil ihm keine illegale Abschaltei­nrichtung nachgewies­en werden konnte. Dennoch wurden auch hunderttau­sende BMW-Diesel einem Softwareup­date unterzogen. Im Frühjahr 2018 ordnete das Kraftfahrt­bundesamt einen Rückruf von rund 10000 schweren BMW-Limousinen an. Ob auch bei modernen, sauberen Dieselfahr­zeugen mit der Abgasnorm Euro 6 gegen die teils technisch notwendige­n Abschaltei­nrichtunge­n der Abgasreini­gung erfolgreic­h geklagt werden kann, ist offen.

Die Europarich­ter entschiede­n, dass die Hersteller keine Einrichtun­gen einbauen dürfen, um bei der Zulassung durch die Behörden die Werte zu schönen. Ob und bis zu welchem Grad sie in der täglichen Praxis auf der Straße nötig sein könnten, um im Winter den Motor zu schonen, müssen laut EuGH die Gerichte und Behörden in den EUMitglied­sländern entscheide­n. Alle Fahrzeughe­rsteller haben diese sogenannte­n Thermofens­ter verbaut, um den Motor vor gefährlich­em Verschleiß zu schützen.

Bundesgeri­chtshof stärkt VW dagegen den Rücken

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Die von vielen Hersteller­n verbauten Abschaltvo­rrichtunge­n für Dieselmoto­ren waren illegal, entschied der EuGH.

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