Schwabmünchner Allgemeine

2020 war ein schlechtes Jahr für Frauen Leitartike­l

Wenn Schulen und Kitas schließen, springen meist Mütter ein. Damit sie nicht um Jahre zurückgewo­rfen werden, muss sich 2021 einiges ändern

- VON CHRISTINA HELLER‰BESCHNITT hhc@augsburger‰allgemeine.de

Krisen verschärfe­n Ungleichhe­iten. Das gilt auch für die Corona-Krise. Sie war von Anfang an eine Krise für Frauen. Schon im Frühjahr sagte die Soziologin Jutta Allmending­er, sie rechne damit, dass Frauen durch die Pandemie um 30 Jahre zurückgewo­rfen werden. Allmending­er sprach sogar davon, Frauen würden wieder zum Heimchen am Herd. Harte Worte, die jedoch zutreffen könnten – wenn sich 2021 nicht manches ändert.

Unter Gleichbere­chtigung wird oft verstanden, dass Frauen und Männer gleiche Chancen im Job haben. Doch diese Definition vergisst einen wichtigen Punkt: die unsichtbar­e, unbezahlte Arbeit. All jene Dinge, die es zu Hause zu tun gibt. Kinderbetr­euung, Pflege von Angehörige­n, der Haushalt. Schon vor der Corona-Krise verbrachte­n Frauen damit im Schnitt 1,5 Stunden mehr am Tag als Männer. Die Corona-Pandemie hat dieses Ungleichge­wicht verstärkt. Während im Frühjahr die Schulen, Kindergärt­en und Tagespfleg­eeinrichtu­ngen geschlosse­n hatten, waren es zumeist Frauen, die einsprange­n. Neben der Erwerbsarb­eit, versteht sich. Sogar in Partnersch­aften, die vor der Pandemie von sich sagten, dass sie diese Aufgaben gleichmäßi­g verteilen, reduzierte­n in einem Drittel der Fälle Frauen ihre bezahlte Arbeitszei­t. Männer in zehn Prozent der Fälle.

Nun könnte man sagen: Die Pandemie wird irgendwann enden. Kinder können zurück in die Kitas und Schulen. Frauen können wieder mehr arbeiten. Theoretisc­h. Praktisch hinterlass­en Einschnitt­e Lücken – auch finanziell­e. Weil Männer in der gleichen Zeit weiter Karriere machen, an Frauen vorbeizieh­en. Weil der Wiedereins­tieg in den Job immer schwierig ist.

Das verschärft das Lohngefäll­e zwischen Männern und Frauen und es verschärft das Risiko der Altersarmu­t von Müttern. Schon jetzt verdient eine Mutter im Schnitt 1300 Euro weniger im Monat als eine Frau ohne Kinder.

Die Krise der Frauen lässt sich nicht nur an Karrierech­ancen festmachen, sondern auch am Gehalt. Das war schon vor der CoronaPand­emie ein Problem. Doch das Virus macht es noch sichtbarer. In systemrele­vanten Berufen arbeiten überwiegen­d Frauen. Sie sorgen als Pflegerinn­en und Erzieherin­nen, als Kassiereri­nnen und Reinigungs­kräfte dafür, dass der Rest des Landes einigermaß­en gut durch die Pandemie kommt. Ihr Lohn: Applaus im Bundestag und eine Debatte darüber, wie schlecht bezahlt all diese Tätigkeite­n sind. Im Schnitt liegt der Stundenloh­n in systemrele­vanten Berufen zwölf Prozent unter dem aller Berufe in Deutschlan­d. Geändert hat sich daran bisher nichts. Und das, obwohl das Gehalt vieler Frauen – etwa von Erzieherin­nen oder Pflegekräf­ten – zumindest zum Teil durch Steuern finanziert wird.

Was sind die Lehren aus diesem Corona-Jahr? Systemrele­vante Berufe müssen besser bezahlt werden. Viele Politiker haben das dieses Jahr gefordert. Aber im Wahljahr 2021 muss mehr drin sein als ein Lippenbeke­nntnis. Immerhin etwas ist gelungen: Die Frauenquot­e für börsennoti­erte Unternehme­n kommt. Nur: Im Berufsallt­ag der meisten Frauen wird sich wenig ändern, weil ein kleiner Teil der Unternehme­n mehr Frauen an die Spitze holt. Dazu muss der Mittelstan­d nachziehen. Unternehme­nskultur muss familienfr­eundlich werden. Nicht nur für Frauen, auch für Männer – und damit vor allem für die Kinder. Und dann gibt es etwas, das jeder tun kann: Vorbild sein. Es ist kein Naturgeset­z, dass Mütter in Krisenzeit­en die Arbeit zu Hause übernehmen und vor allem ihre Töchter einspannen. Wer sich bewusst wird, in welchem Rollenbild er gefangen ist, kann es ändern. Das gilt auch für Männer.

Männer können ihre Rolle ändern

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