China und EU vor dem Ziel
Investitionsabkommen wohl unterschriftsreif
Peking Die Europäische Union und China stehen offenbar kurz vor einem Durchbruch in ihren seit sieben Jahren andauernden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen. Die europäische Handelskammer in China zeigte sich am Freitag in Peking „sehr hoffnungsvoll“, dass „eine politische Vereinbarung in den nächsten Tagen abgeschlossen werden kann“. China bestätigte „wichtige Fortschritte“. „Die Verhandlungen haben die letzte Phase erreicht“, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking. Ziel sind vor allem eine größere Marktöffnung und gerechte Wettbewerbsbedingungen in China.
Der Kammervorsitzende Jörg Wuttke sagte, für die europäischen Unternehmen sei das Investitionsabkommen „von sehr großer Bedeutung“. Ein „ideales“Abkommen sollte den Zugang europäischer Unternehmen zu dem am schnellsten wachsenden Markt der Welt verbessern, so Wuttke. Auch sollte es einen Rahmen schaffen, der ihnen erlaubt, in China gleiche Wettbewerbsbedingungen zu haben, wie sie für chinesische Unternehmen in der EU gelten. Der künftige US-Präsident Biden will beim harten Kurs gegenüber China bleiben und vorerst an Strafzöllen festhalten.
Peking Positive Nachrichten sind dieser Tage schwer zu finden. Die jüngste Umfrage der deutschen Handelskammer in Peking, die kontinuierlich die Auswirkungen der Krise auf heimische Unternehmen in China erfasst, beinhaltet jedoch eine erfreuliche Botschaft: Das Gros deutscher Firmen mit Niederlassung in der Volksrepublik befindet sich längst wieder auf Erholungskurs. Beeindruckende 72 Prozent aller befragten Unternehmen produzieren mittlerweile wieder auf voller Kapazität, fast ebenso viele erwarten im kommenden Jahr eine zusätzliche Steigerung ihrer Umsätze. Praktisch alle Zeichen würden auf eine „anhaltende Regeneration der chinesischen Wirtschaft hindeuten“, sagt Kammervorstandsmitglied Andreas Feege.
Wenn die Volksrepublik ökonomisch brummt, dann profitieren unweigerlich auch Volkswagen, Henkel oder BASF – Chinas mit Abstand wichtigstem Handelspartner in der EU. Zwar ist auch unter den deutschen Wirtschaftsvertretern im Reich der Mitte nicht alles paletti, doch das Jammern liegt zweifelsohne auf hohem Niveau: Laut der Kammerumfrage erholen sich Mittelständler etwas langsamer als die großen Konzerne, zudem hat der Dienstleistungssektor stärker zu kämpfen als beispielsweise der Maschinenbau oder die Automobilbranche. Erst am Freitag meldete etwa Daimler, dass man in China trotz Corona in diesem Jahr zweistellig wachse.
Die größte Herausforderung für rund drei Viertel aller deutschen Firmen stellen Reisebeschränkungen dar: Ausbildungen oder Wartungsmaßnahmen können nicht durchgeführt werden, auch größere Investitionen werden aufgeschoben. De facto lässt die Volksrepublik China nur mehr wenige Ausländer ins Land, angesichts hoher Infektionszahlen in Deutschland wird sich daran auch so schnell nichts ändern. „Um Geschäftsdeals abzuschließen, muss man auch einen persönlichen Eindruck voneinander bekommen. Die Leute hängen von Reisen ab“, sagt Feege. Dennoch belegt der V-förmige Aufschwung heimischer Unternehmen in China auch das Gegenteil – dass es nämlich notfalls auch ohne die eingeflogenen Vorstandschefs aus der Zentrale läuft.
Doch ohne Frage wird China ein für Ausländer zunehmend unattraktiver Ort zum Leben werden. Noch immer sitzen tausende Expats, die Jahrzehnten in Peking oder Shanghai wohnen, seit der Grenzschließung im Frühjahr im Ausland fest. Und diejenigen, die rein dürfen, müssen trotz mehrerer negativer Corona-Tests eine 14-tägige Quarantäne in einem staatlich ausgewählten Hotelzimmer absolvieren. Vor allem aber sorgen Horrorszenarien wie die einer belgischen Familie für Entrüstung: Nachdem das Kleinkind überraschend positiv auf das Virus getestet wurde, trennten es die Behörden mehrere Wochen von seinen Eltern. Ihnen blieb der Zugang zum Quarantäne-Krankenhauszimmer strikt untersagt.
Zwar hat China im Corona-Jahr politisch deutlich an Sympathiepunkte büßen müssen, doch wirtschaftlich gilt die Volksrepublik schon jetzt als der klare – und wahrseit scheinlich einzige – Krisengewinner. Erst im November hatte Peking den bislang höchsten Handelsüberschuss in seiner 70-jährigen Landesgeschichte erzielt. Im Reich der Mitte wird schließlich produziert, was der Westen während der Pandemie benötigt: Smartphones, Fernseher, Masken, Gartenartikel oder Autos. Bis Ende 2020 wird China als einzige große Volkswirtschaft ein Plus verzeichnen können, höchstwahrscheinlich gar ein sattes.
Der internationale Währungsfonds prognostiziert ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von knapp zwei Prozent. Dabei hat das Land im ersten Jahresquartal noch einen historischen Einbruch von 6,8 Prozentpunkten erlitten. Die rasante Erholung belegt, wie wichtig eine Eindämmung der Infektionsgefahr ist, um die Wirtschaft ohne Handbremse wieder hochzufahren. China registriert dank drastischen, manchmal auch drakonischen epidemiologischen Maßnahmen seit Monaten nur mehr wenige Infektionsstränge, die dank lokaler Lockdowns und Massentests bislang rasch wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten. Hinter den geschlossenen Landesgrenzen spielt sich das – wirtschaftliche – Leben der Chinesen wieder wie vor der Krise ab.