Christmetten sollten spätabends stattfinden Pro Christen sollten jetzt Solidarität zeigen Kontra
Die Kirchen könnten ruhig von der Ausgangssperre ausgenommen werden Die Ausgangssperre an Heiligabend ist richtig. Sie schützt schließlich Leben
Wenn der Augsburger Weihbischof Florian Wörner nun der Bayerischen Staatsregierung vorwirft, sie regiere nach „Gutsherrenart“, weil sie für Kirchen an Weihnachten keine Ausnahme von der coronabedingten Ausgangssperre macht – ist das nicht nur Unsinn, sondern fatal. Wieder mal, so der Eindruck, äußert sich ein katholischer Geistlicher von oben herab, den Realitäten entrückt.
Eines aber zeigt die Wortmeldung: Weihnachten ist ein hochemotionales Fest. Es zu begehen, berührt den Kern des Glaubens. Das sollte man nicht leichtfertig abtun. Es mag in unserer säkularisierten Welt inzwischen für die meisten nicht mehr nachvollziehbar sein, dass der Vollzug der Glaubenspraxis für Kirchen(-mitglieder) eine besondere Bedeutung hat und sich nicht durch Onlinegottesdienste ersetzen lässt. Aber jetzt wird es zu theologisch.
Konkreter ist: Die Kirchen haben in diesem Pandemie-Jahr Hygienemaßnahmen vorbildlich umgesetzt. Das bescheinigte ihnen kürzlich auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Das Ansteckungsrisiko bei Gottesdiensten ist überschaubar.
Die Kirchen, die an Ostern Gottesdienste ausfallen ließen, akzeptieren nach wie vor die Regelungen grundsätzlich – einschließlich der, die sie zwingt, Christmetten vorzuverlegen. Diese beginnen am 24. Dezember spätabends oder nachts; nun müssen Kirchgänger also um 21 Uhr zu Hause sein. Ein paar Stunden hin oder her, das soll die Aufregung von Kirchen(-mitgliedern) rechtfertigen? Ja. Jedoch aus Gründen, die weder mit Theologie noch mit dem Pochen auf die Religionsfreiheit zu tun haben: Die Kirchen planten kurze, hintereinander stattfindende Gottesdienste, was zur Entzerrung beigetragen hätte. Spontanpartys nach Christmetten? Unglaubhaft. Zweiter Grund: Die Regierung versäumte es, mit den Kirchen nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Diese erfüllen auch in einer säkularisierten Welt eine wichtige Funktion, zumal an Weihnachten: Sie sorgen sich um unser „Seelenheil“.
Was feiern wir an Weihnachten? Wir loben und preisen die Geburt Christi, die Geburt des Sohnes Gottes, dem die tiefe Verbundenheit mit den Schwächsten, die Nächstenliebe oberste Gebote sind. Gerade die Schwächsten unserer Gesellschaft kämpfen in diesen Tagen in Krankenhäusern um ihr Leben. Ärzte und Pflegekräfte arbeiten über ihren Belastungsgrenzen. Eine außer Kontrolle geratene Seuche, die jeden treffen kann, wütet erbarmungslos. Gerade für kranke, für alte, für behinderte Menschen endet sie oft tödlich. Eindämmen lässt sie sich nur mit radikalen Kontaktbeschränkungen, um neue Infektionen zu vermeiden. Und da ruft ausgerechnet bei Christen eine Ausgangssperre an Heiligabend Ärger hervor? Ernsthaft?
Wäre es nicht an uns Christen, sogar mit gutem Beispiel voranzugehen? Bewusst auf Gottesdienste in Kirchen zu verzichten, bewusst die erlaubten Besuchergrenzen an den Feiertagen zu unterschreiten? Um bewusst andere zu schützen.
Längst weiß man, dass der Heiligabend nicht nur zum Christmettenbesuch genutzt wird. Gerade jüngere Leute treffen sich nach der Bescherung gerne mit Freunden. Doch Christmas-Feten sind Corona-Feten. Daher ist die Ausgangssperre gerade an Heiligabend wichtig. Zumal vor 21 Uhr Gottesdienste ja erlaubt sind. Dass sie die besonders erbauliche Atmosphäre der Christmetten nicht ersetzen können, stimmt. Auch alle Online-Angebote, Übertragungen im Fernsehen und Radio sind selten so ergreifend wie das gemeinsame Beten, Singen und Lauschen in einer Kirche.
Der bewusste Verzicht gehört allerdings zum christlichen Glauben dazu. Leicht fällt das nie. Doch gerade jetzt, wo es wirklich um die Rettung von Leben geht, um den Schutz der betagten Senioren im Heim, der vielen Krebspatienten, der behinderten Menschen, gerade jetzt sollten Christen auf ihre Christmette verzichten, Solidarität zeigen und alles tun, um die Seuche einzudämmen. Gelingt dies, können Christmetten im nächsten Jahr umso dankbarer gefeiert werden.