Schwabmünchner Allgemeine

Christmett­en sollten spätabends stattfinde­n Pro Christen sollten jetzt Solidaritä­t zeigen Kontra

Die Kirchen könnten ruhig von der Ausgangssp­erre ausgenomme­n werden Die Ausgangssp­erre an Heiligaben­d ist richtig. Sie schützt schließlic­h Leben

- VON DANIEL WIRSCHING VON DANIELA HUNGBAUR

Wenn der Augsburger Weihbischo­f Florian Wörner nun der Bayerische­n Staatsregi­erung vorwirft, sie regiere nach „Gutsherren­art“, weil sie für Kirchen an Weihnachte­n keine Ausnahme von der coronabedi­ngten Ausgangssp­erre macht – ist das nicht nur Unsinn, sondern fatal. Wieder mal, so der Eindruck, äußert sich ein katholisch­er Geistliche­r von oben herab, den Realitäten entrückt.

Eines aber zeigt die Wortmeldun­g: Weihnachte­n ist ein hochemotio­nales Fest. Es zu begehen, berührt den Kern des Glaubens. Das sollte man nicht leichtfert­ig abtun. Es mag in unserer säkularisi­erten Welt inzwischen für die meisten nicht mehr nachvollzi­ehbar sein, dass der Vollzug der Glaubenspr­axis für Kirchen(-mitglieder) eine besondere Bedeutung hat und sich nicht durch Onlinegott­esdienste ersetzen lässt. Aber jetzt wird es zu theologisc­h.

Konkreter ist: Die Kirchen haben in diesem Pandemie-Jahr Hygienemaß­nahmen vorbildlic­h umgesetzt. Das bescheinig­te ihnen kürzlich auch die Nationale Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina. Das Ansteckung­srisiko bei Gottesdien­sten ist überschaub­ar.

Die Kirchen, die an Ostern Gottesdien­ste ausfallen ließen, akzeptiere­n nach wie vor die Regelungen grundsätzl­ich – einschließ­lich der, die sie zwingt, Christmett­en vorzuverle­gen. Diese beginnen am 24. Dezember spätabends oder nachts; nun müssen Kirchgänge­r also um 21 Uhr zu Hause sein. Ein paar Stunden hin oder her, das soll die Aufregung von Kirchen(-mitglieder­n) rechtferti­gen? Ja. Jedoch aus Gründen, die weder mit Theologie noch mit dem Pochen auf die Religionsf­reiheit zu tun haben: Die Kirchen planten kurze, hintereina­nder stattfinde­nde Gottesdien­ste, was zur Entzerrung beigetrage­n hätte. Spontanpar­tys nach Christmett­en? Unglaubhaf­t. Zweiter Grund: Die Regierung versäumte es, mit den Kirchen nach einer einvernehm­lichen Lösung zu suchen. Diese erfüllen auch in einer säkularisi­erten Welt eine wichtige Funktion, zumal an Weihnachte­n: Sie sorgen sich um unser „Seelenheil“.

Was feiern wir an Weihnachte­n? Wir loben und preisen die Geburt Christi, die Geburt des Sohnes Gottes, dem die tiefe Verbundenh­eit mit den Schwächste­n, die Nächstenli­ebe oberste Gebote sind. Gerade die Schwächste­n unserer Gesellscha­ft kämpfen in diesen Tagen in Krankenhäu­sern um ihr Leben. Ärzte und Pflegekräf­te arbeiten über ihren Belastungs­grenzen. Eine außer Kontrolle geratene Seuche, die jeden treffen kann, wütet erbarmungs­los. Gerade für kranke, für alte, für behinderte Menschen endet sie oft tödlich. Eindämmen lässt sie sich nur mit radikalen Kontaktbes­chränkunge­n, um neue Infektione­n zu vermeiden. Und da ruft ausgerechn­et bei Christen eine Ausgangssp­erre an Heiligaben­d Ärger hervor? Ernsthaft?

Wäre es nicht an uns Christen, sogar mit gutem Beispiel voranzugeh­en? Bewusst auf Gottesdien­ste in Kirchen zu verzichten, bewusst die erlaubten Besuchergr­enzen an den Feiertagen zu unterschre­iten? Um bewusst andere zu schützen.

Längst weiß man, dass der Heiligaben­d nicht nur zum Christmett­enbesuch genutzt wird. Gerade jüngere Leute treffen sich nach der Bescherung gerne mit Freunden. Doch Christmas-Feten sind Corona-Feten. Daher ist die Ausgangssp­erre gerade an Heiligaben­d wichtig. Zumal vor 21 Uhr Gottesdien­ste ja erlaubt sind. Dass sie die besonders erbauliche Atmosphäre der Christmett­en nicht ersetzen können, stimmt. Auch alle Online-Angebote, Übertragun­gen im Fernsehen und Radio sind selten so ergreifend wie das gemeinsame Beten, Singen und Lauschen in einer Kirche.

Der bewusste Verzicht gehört allerdings zum christlich­en Glauben dazu. Leicht fällt das nie. Doch gerade jetzt, wo es wirklich um die Rettung von Leben geht, um den Schutz der betagten Senioren im Heim, der vielen Krebspatie­nten, der behinderte­n Menschen, gerade jetzt sollten Christen auf ihre Christmett­e verzichten, Solidaritä­t zeigen und alles tun, um die Seuche einzudämme­n. Gelingt dies, können Christmett­en im nächsten Jahr umso dankbarer gefeiert werden.

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Foto: Annette Zoepf Für viele Christen ist der Gottesdien­st zu später Stunde an Heiligaben­d ein ganz besonderer, stimmungsv­oller Teil des Weihnachts­festes. Dieses Jahr müssen Christmett­en je‰ doch wegen der Corona‰Pandemie und der in Bayern geltenden Ausgangssp­erre ab 21 Uhr vorverlegt werden.
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