Schwabmünchner Allgemeine

Backe backe Brötchen

Kein Supermarkt, immer weniger Einwohner. Ein Ort in Bayern will das nicht länger hinnehmen und eröffnet eine Stadtbäcke­rei

- Von Irena Güttel, dpa

Wolframs‰Eschenbach Es ist ein hübsches Städtchen im Norden Bayerns, dieses Wolframs-Eschenbach. Die mittelalte­rlichen Häuser in der Altstadt sind herausgepu­tzt, die Umgebung ist beschaulic­h. Besonders stolz ist man hier auf den Minnesänge­r Wolfram von Eschenbach, auf die verhältnis­mäßig vielen Touristen – und seit Neuestem auch auf die Bäckerei. Zwei Jahre lang stand diese leer. Nun hat die Stadt das Geschäft selbst in die Hand genommen. In Bayern – und nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds wahrschein­lich auch bundesweit – ist das einmalig.

Wer in der 3200-Einwohner-Gemeinde bislang frische Brötchen haben wollte, musste in den Nachbarort fahren oder sich mit den Backwaren aus dem Discounter am Stadtrand begnügen. Bürgermeis­ter Michael Dörr wollte das nicht. Doch einen Nachfolger für die Bäckerei fand er nicht. Für 50000 Euro ließ die mittelfrän­kische Stadt das alte

Geschäft deshalb umbauen und einrichten. Seit September verkauft sie dort Brot, Brötchen und Kuchen. Drei Monate nach der Eröffnung sieht sich Dörr bestätigt: „Die Bäckerei wird wirklich gut angenommen“, sagt er. Natürlich bekomme sie auch die Corona-Krise zu spüren. Trotzdem: „Wir sind weit über dem Ziel, was wir uns vorgenomme­n haben.“In drei Jahren will Dörr mit der Stadtbäcke­rei den ersten Gewinn machen.

Wolframs-Eschenbach ist nicht der einzige Ort in Deutschlan­d ohne Bäckerei. Die Zahl der Handwerksb­äckereien sank nach Angaben des Zentralver­bands des Deutschen Bäckerhand­werks von rund 13600 im Jahr 2012 auf fast 10 500 im vergangene­n Jahr. Dass aber eine Kommune die Bäckerei übernimmt, ist nach Angaben des Landes-Innungsver­bands für das bayerische Bäckerhand­werk ein absoluter Einzelfall – der auf keinen Fall Schule machen sollte. Das widersprec­he dem

Grundsatz und dem Ethos des freien Handwerks, betont Landesinnu­ngsmeister Heinrich Traublinge­r.

Doch gerade die kleinen Kommunen auf dem Land stecken in einer Zwickmühle. Apotheke, Metzger, Bäcker und der Tante-EmmaLaden machen zu. Die Jungen ziehen weg, und die Alten bleiben zurück in Dörfern, wo der Bus nur wenige Male am Tag in den nächsten Ort mit Lebensmitt­elgeschäft fährt.

Der bayerische Gemeindeta­g sieht kommunale Engagement­s wie in Wolframs-Eschenbach allerdings kritisch. „Die öffentlich­e Hand soll nicht tun, was die Privatwirt­schaft erfüllen oder sogar besser machen kann“, sagt Direktor Wilfried Schober. Eine Gemeinde dürfe nur etwas unternehme­n, wenn es dem öffentlich­en Zwecke oder der Daseinsvor­sorge diene. Ob frische Brötchen und Torten dazugehöre­n? Andreas Funke, Professor für öffentlich­es Recht von der Universitä­t in Erlangen, ist zumindest skeptisch. Einen festgelegt­en Katalog, was zur Daseinsvor­sorge zähle, gebe es aber nicht. „Das ist eine hochpoliti­sche Frage, was die Gemeinden machen dürfen und was nicht“, sagt er.

Die Bäckerei will WolframsEs­chenbach jedenfalls nicht auf Dauer betreiben, neben einem Bürgerlade­n mit Postfilial­e führt die Stadt bereits mehrere kommunale Unternehme­n. „Mittel- oder langfristi­g können wir uns vorstellen, dass eine Mitarbeite­rin oder ein Pächter das übernimmt“, sagt Dörr.

Dass ein kommunales Unternehme­n auch erfolgreic­h laufen kann, zeigt das Beispiel der mittelfrän­kischen Stadtbraue­rei Spalt. Seit 1879 gehört diese der Kommune. „In den letzten 20 Jahren haben wir immer Gewinn gemacht“, sagt Bürgermeis­ter und Geschäftsf­ührer Udo Weingart (CSU). Die Brauerei zu privatisie­ren – daran denkt die Stadt nicht einmal.

 ??  ??
 ?? Archivfoto: Nicolas Armer, dpa ?? Weil der Ort jahrelang keinen Nachfolger fand, eröffnete die Stadt Wolframs‰Eschen‰ bach einfach selbst eine Bäckerei.
Archivfoto: Nicolas Armer, dpa Weil der Ort jahrelang keinen Nachfolger fand, eröffnete die Stadt Wolframs‰Eschen‰ bach einfach selbst eine Bäckerei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany