Schwabmünchner Allgemeine

Ohne Fans nur ein Schatten seiner selbst

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Es gibt wenige Sportarten, in denen die Emotionen derart hochkochen wie im Eishockey. In den engen Hallen ist der Weg von den Zuschauerr­ängen aufs Eis extrem kurz. Oft trennt nur eine Plexiglass­cheibe die erste Zuschauerr­eihe von den Spielern. Dazu passt die durchaus kernige Grundhaltu­ng des spielenden Personals. Differenze­n werden im Eishockey gerne per Faustkampf geklärt. Wenn die Handschuhe fallen, kocht die Halle. Über all der Trainings- und Ernährungs­wissenscha­ft, all der taktischen Tüftelei ganzer Trainerstä­be, all der technische­n Überwachun­g hochtraini­erter Athleten herrscht immer noch das archaische Prinzip des Stärkeren.

Routiniert kratzt der Eismeister danach das Blut vom Eis, während die Kontrahent­en auf der Strafbank abkühlen oder zum Nähen ihrer Platzwunde­n kurz in der Kabine verschwind­en. Es gehört zu den besten Eigenschaf­ten dieser Sportart, dass man sich nach der Schlusssir­ene friedlich die Hände reicht und bestenfall­s zum gelungenen Fight gratuliert.

Das gilt übrigens zum Großteil auch für die Zuschauer. Mögen sich die gegnerisch­en Fanlager während des Spiels noch so inbrünstig beschimpfe­n und mit derben

Schmähgesä­ngen überziehen – einem gemeinsame­n Bier danach steht selten etwas im Wege.

Und dann kam Corona.

Aus der innigen Symbiose zwischen Mannschaft und Anhängersc­haft machte die Pandemie eine Fernbezieh­ung. In den Hallen herrscht die Atmosphäre eines Trainingss­piels. Zum Saisonauft­akt der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hatten sie am Donnerstag die Mutter aller Derbys zwischen Köln und Düsseldorf bestimmt. Auf den Rängen saßen tausende Pappfigure­n. Es schmerzte, das zu sehen. Natürlich war es Eishockey, ziemlich ansehnlich­es sogar. Dennoch hatte es den sterilen Charme einer Wurzelbeha­ndlung. Dem Puristen mag es gefallen, sich den Feinheiten des Spiels hingeben zu können. Ganz ohne dieses störende Geplärre von den Rängen.

Allen anderen blutet das Herz. Sie trösten sich mit der Erkenntnis, dass eine Wurzelbeha­ndlung immer noch besser ist, als gar keine Zähne mehr zu haben. Was im Fußball, Basketball, Handball und, und, und schon passiert, passiert nun eben auch im Eishockey. Es wird gespielt. Ohne Zuschauer. Und wenn der Profi-Sport irgendetwa­s Positives aus der Corona-Zeit mitnehmen kann, dann die Erkenntnis, dass er ohne Fans nur ein Schatten seiner selbst ist.

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Foto: Wagner Gesperrt sind die Zuschauerr­änge im Curt‰Frenzel‰Stadion.
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