Ohne Fans nur ein Schatten seiner selbst
Es gibt wenige Sportarten, in denen die Emotionen derart hochkochen wie im Eishockey. In den engen Hallen ist der Weg von den Zuschauerrängen aufs Eis extrem kurz. Oft trennt nur eine Plexiglasscheibe die erste Zuschauerreihe von den Spielern. Dazu passt die durchaus kernige Grundhaltung des spielenden Personals. Differenzen werden im Eishockey gerne per Faustkampf geklärt. Wenn die Handschuhe fallen, kocht die Halle. Über all der Trainings- und Ernährungswissenschaft, all der taktischen Tüftelei ganzer Trainerstäbe, all der technischen Überwachung hochtrainierter Athleten herrscht immer noch das archaische Prinzip des Stärkeren.
Routiniert kratzt der Eismeister danach das Blut vom Eis, während die Kontrahenten auf der Strafbank abkühlen oder zum Nähen ihrer Platzwunden kurz in der Kabine verschwinden. Es gehört zu den besten Eigenschaften dieser Sportart, dass man sich nach der Schlusssirene friedlich die Hände reicht und bestenfalls zum gelungenen Fight gratuliert.
Das gilt übrigens zum Großteil auch für die Zuschauer. Mögen sich die gegnerischen Fanlager während des Spiels noch so inbrünstig beschimpfen und mit derben
Schmähgesängen überziehen – einem gemeinsamen Bier danach steht selten etwas im Wege.
Und dann kam Corona.
Aus der innigen Symbiose zwischen Mannschaft und Anhängerschaft machte die Pandemie eine Fernbeziehung. In den Hallen herrscht die Atmosphäre eines Trainingsspiels. Zum Saisonauftakt der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hatten sie am Donnerstag die Mutter aller Derbys zwischen Köln und Düsseldorf bestimmt. Auf den Rängen saßen tausende Pappfiguren. Es schmerzte, das zu sehen. Natürlich war es Eishockey, ziemlich ansehnliches sogar. Dennoch hatte es den sterilen Charme einer Wurzelbehandlung. Dem Puristen mag es gefallen, sich den Feinheiten des Spiels hingeben zu können. Ganz ohne dieses störende Geplärre von den Rängen.
Allen anderen blutet das Herz. Sie trösten sich mit der Erkenntnis, dass eine Wurzelbehandlung immer noch besser ist, als gar keine Zähne mehr zu haben. Was im Fußball, Basketball, Handball und, und, und schon passiert, passiert nun eben auch im Eishockey. Es wird gespielt. Ohne Zuschauer. Und wenn der Profi-Sport irgendetwas Positives aus der Corona-Zeit mitnehmen kann, dann die Erkenntnis, dass er ohne Fans nur ein Schatten seiner selbst ist.