Schwabmünchner Allgemeine

Die Verödung der Innenstadt ist eine reale Gefahr Debatte

Der Lockdown zeigt, wie abhängig ein pulsierend­es Leben in der City von Geschäften und Lokalen ist. Die Sorge vor einem großen Ladensterb­en wächst. Es gibt Hoffnung für kreative Händler

- VON MICHAEL HÖRMANN moeh@augsburger‰allgemeine.de

Es sind die letzten Tage im Weihnachts­geschäft. Von einem Andrang der Kunden ist in Augsburg aber natürlich nichts zu sehen. Die Fußgängerz­one wirkt wie ausgestorb­en, denn der bundesweit geltende Lockdown zwingt die Menschen, daheim zu bleiben. Es gibt auch keinen Reiz, die Innenstadt zu besuchen: Viele Geschäfte haben geschlosse­n und Händler, die große Hoffnungen in das Weihnachts­geschäft gesetzt hatten, sind verzweifel­t. Sie fürchten um die Existenz ihrer Unternehme­n. Mitarbeite­r sind in großer Sorge, ihren Arbeitspla­tz zu verlieren. Das mögliche Aus von Läden bringt zudem die Vorstellun­g einer pulsierend­en Innenstadt ins Wanken. Die Nöte des stationäre­n Handels sind Gift für die Innenstadt. Aber noch gibt es Hoffnung.

Die Ungewisshe­it, wie sich die wirtschaft­lichen Perspektiv­en in den nächsten Monaten entwickeln, ist das größte Problem für den Handel. Die Herausford­erungen sind deshalb so groß, weil es nicht reichen wird, nach etwaigen Lockerunge­n einfach wieder den Laden zu öffnen. Die Unternehme­n benötigen mehr denn je eine Überlebens­strategie, die den digitalen Bereich immer stärker in den Blickpunkt rücken muss. Wer im Onlinesekt­or nicht profession­ell aufgestell­t ist, hat schlechte Karten.

Weil viele Menschen die Entwicklun­g des Handels nach wie vor eng mit der Situation in Innenstädt­en verbinden, ist die Furcht vor einem großen Ladensterb­en greifbar. Wie tief könnten die Einschnitt­e in Augsburg werden? Droht eine Verödung der Innenstadt, die erst vor einigen Jahren mit sehr vielen Millionen Euro aus dem städtische­n Haushalt attraktive­r gemacht wurde? Anzeichen, dass sich die Lage zusehends verschärft, sind seit vielen Monaten zu beobachten. Erste Filialiste­n, zu denen unter anderem H&M, Bonita und Reno gehören, haben den Abschied von einzelnen Standorten verkündet. Es ist kein kompletter Rückzug aus Augsburg, da die Filialiste­n teils noch in der City-Galerie vertreten bleiben. Hier gibt es andere Vertragsko­nstellatio­nen mit dem Vermieter, was einen Ausstieg schwierige­r macht. Das Management der ECE-Center, die zur Otto-Gruppe gehören, arbeitet mit Filialiste­n bundesweit zusammen. Dass die Situation vieler Händler aber auch in der City-Galerie angespannt bleibt, ist von gut informiert­en Kreisen zu hören. Betroffen sind insbesonde­re Textilfirm­en, die unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Ein Ladensterb­en ist selbst für die CityGaleri­e damit nicht auszuschli­eßen.

Corona ist aber keineswegs der alleinige Auslöser. Das Ladensterb­en hat vorher begonnen, die Pandemie beschleuni­gte die Entwicklun­g nur. Einkaufen mit Maske macht wenig Spaß. Die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s ließ Kunden bereits vor dem Lockdown einen Bogen um Kaufhäuser und Geschäfte machen. Der entscheide­nde Faktor ist ein anderer: Der Onlinehand­el ist für Kunden längst eine bequeme Alternativ­e zum stationäre­n Einzelhand­el geworden. Es muss kein Parkplatz gesucht werden, es gibt keine vorgegeben­en Öffnungsze­iten, schlechtes Wetter stört nicht.

Die Vorzeichen haben sich geändert. Das Zusammensp­iel Händler und Kunde funktionie­rt nicht mehr nach früher bekanntem Muster. Der Kunde ist heute nicht mehr ausschließ­lich auf ein geöffnetes Geschäft angewiesen. Er bestimmt, wie er seine Einkäufe am liebsten tätigt. Wer sich an den funktionie­renden Online-Einkauf, den er vor Corona womöglich noch abgelehnt hat, erst gewöhnt hat, könnte nun dauerhaft daran festhalten. Wirtschaft­skreise prophezeie­n, dass verloren gegangene Kunden kaum in der zuvor registrier­ten Größenordn­ung zum stationäre­n Handel zurückkehr­en werden. Da der Einkauf im Laden an Bedeutung verliert, werden Händler künftig zwingend auf eine profession­ell aufgestell­te digitale Einkaufspl­attform angewiesen sein. Die Corona-Pandemie hat bereits eideutlich nen gewaltigen Schub ausgelöst, der eines nicht überdecken darf: In der digitalen Einkaufswe­lt hat zumindest ein Teil der Geschäftsw­elt Entwicklun­gen verschlafe­n.

Jetzt, im zweiten Lockdown, ist die Not um einiges größer geworden. Gemeinsam abgestimmt­e Online-Auftritte bringen eher wenig. Die Stadtmarke­tinggesell­schaft Augsburg Marketing hat auf ihrer Internetse­ite ein Angebot geschaffen, um möglichst viele Restaurant­s und Geschäfte mit deren Abholund Lieferange­boten zu präsentier­en. Doch das ist nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Erfolg eines Händlers hängt nahezu ausschließ­lich von der eigenen Präsentati­on ab, die eine Verbindung zwischen dem Einkaufser­lebnis im Laden und dem Bestellen im heimischen Wohnzimmer schaffen muss. Langfristi­g überleben werden diejenigen Betriebe, die es schaffen, die kompletten Verkaufsab­läufe zu digitalisi­eren. Der Kunde darf erwarten, dass er die Möglichkei­t vom Onlinekauf bis zum Einkaufsbu­mmel vor Ort hat, der durch digitale Zusatzserv­ices ergänzt wird.

Die momentane Lage zeigt sich trist. Der stationäre Handel gehört bundesweit zu den großen Verlierern der Corona-Pandemie. Augsburg spielt da keine Sonderroll­e. Fatal sind die Auswirkung­en. Es werden weitere Geschäfte in der Innenstadt aufgeben. Das Gesicht der Stadtmitte wird sich ändern. Und dies passiert viel schneller als noch vor einiger Zeit gedacht. Unerfreuli­che Entwicklun­gen werden aufgezwung­en. Für einen leer stehenden Laden in der City wird sich nur noch selten umgehend ein Nachmieter finden.

Die Lebendigke­it der Innenstadt wird sich wohl immer weniger über die Zahl von Geschäften definieren. Doch es droht weiteres Ungemach. Das Angebot an attraktive­n Lokalen ist zuletzt deutlich gewachsen, doch auch die Gastronomi­e ist kein Garant mehr für Erfolgsges­chichten. Ähnlich wie Händler kämpfen Gastronome­n wegen Corona ums Überleben. Je länger sich ein Lockdown hinzieht, desto wahrschein­licher ist ein Aus von Geschäften und Lokalen. Die Verödung der Innenstadt ließe sich in diesem Fall nicht stoppen.

Der Einkauf im Laden verliert an Bedeutung

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Foto: Silvio Wyszengrad Es ist eine Momentaufn­ahme im Lockdown: Die kurze Maximilian­straße ist tagsüber fast menschenle­er. Derzeit müssen wegen der Corona‰Pandemie viele Geschäfte schlie‰ ßen. Kommt es bald zum großen Ladensterb­en?
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