Wann bekommt Daniel endlich sein Spenderherz?
Der schwer kranke Bub aus Schwabmünchen ist gerade drei Jahre alt geworden und wartet an Heiligabend seit genau 760 Tagen im Krankenhaus in München-Großhadern auf ein Spenderorgan. Nur eine Maschine hält ihn am Leben
An Heiligabend ist der schwerkranke dreijährige Bub aus Schwabmünchen seit 760 Tagen im Krankenhaus.
Schwabmünchen Sein Kinderzimmer in Schwabmünchen, kennt er nicht mehr. Einen Sandkasten, eine Badewanne oder den Zoo auch nicht. Daniels Leben spielt sich hauptsächlich in einem Patientenzimmer im neunten Stock des Uniklinikums München-Großhadern in der Kinderkardiologie ab. Dort wartet der schwer herzkranke Bub an Heiligabend genau seit 760 Tagen auf ein Spenderherz. Bislang vergeblich. Eine Maschine, die über einen Schlauch mit Daniels Brustkorb verbunden ist, hält ihn am Leben, schränkt seinen Bewegungsradius aber auf etwa zwei Meter ein.
Daniel kommt im Jahr 2017 als gesundes Baby zur Welt. Doch im zarten Alter von zehn Monaten verschlechtert sich sein Zustand plötzlich. Was Ärzte und Eltern anfangs für eine Bronchitis halten, entpuppt sich als dilatative Kardiomyopathie. Dabei handelt es sich um einen Herzfehler. Der linke Herzmuskel, insbesondere die Herzkammer, ist stark erweitert. Eine seltene Erkrankung. Dreimal wird Daniel operiert. Ohne Besserung. Das Herz bleibt schwach.
Nur ein Spenderherz kann Daniel helfen. Doch während die Ärzte in Großhadern schon einigen anderen Kindern in den vergangenen Monaten und Jahren Spenderherzen transplantiert haben, wartet Daniel noch immer auf ein Organ. Bislang gab es kein geeignetes Herz für Daniel. Viele Faktoren, wie die Blutgruppe und die Größe des Organs, entscheiden darüber, ob ein Patient ein Spenderherz zugeteilt bekommt. Etwa 30 bis 35 Kinderherzen werden pro Jahr in Deutschland transplantiert.
Daniels Schicksal bewegt mittlerweile das ganze Land. Zahlreiche Fernsehsendungen, Zeitungen und Radiosender berichten seit mehr als zwei Jahren über ihn. Jüngst titelte SternTV über Daniel: „Leben am Schlauch“. Treffender kann man sein Schicksal nicht in drei Worte fassen.
Mutter Diana Dietrich gibt die Hoffnung nicht auf, dass Daniel bald ein Spenderherz bekommt. „Jeder Tag ist ein Tag näher am Ziel“, sagt sie. Jeden Tag, seit Oktober 2018, verbringt Diana den ganzen Tag bei Daniel im Krankenhaus, nachts schläft sie im Elternwohnheim gleich gegenüber des Uniklinikums.
Der Vater löst sie nach der Arbeit oft ab. Zu Hause in Schwabmünchen ist Diana nur noch selten.
Doch anstatt „nur“durchzuhalten, setzt sie sich unermüdlich für Organspende ein und informiert 50.000 Freunde und Follower täglich auf Instagram und 10.000 auf der Facebook-Seite namens „Herzbube Daniel“über den Zustand ihres Sohnes.
Erst vor wenigen Tagen, am 19. Dezember, feiert er seinen dritten Geburtstag. Natürlich im Krankenhaus. Ernüchtert schreibt Diana am Abend im Netz: „Wie stellt man sich einen Kindergeburtstag vor? Zuallererst mal nicht im Krankenhaus. Am Geburtstag sollte man keinen Verbandswechsel bekommen. Man sollte nicht in den Finger gepikst werden. Der Zugang sollte nicht genau an dem Tag kaputtgehen und neu gelegt werden müssen.
Daniel sollte nicht an seinem Geburtstag weinen und Angst haben. Er sollte nicht festgehalten werden und vor lauter Stress schwitzen müssen. Doch das alles war leider so. Es war nötig. Nötig um ihn bestmöglich zu versorgen. Jeder hätte es sich anders gewünscht. Das ist einfach nicht fair. Nicht an seinem Geburtstag und nicht an irgendeinem anderen Tag.“
Geschenke, Deko, Kuchen oder viele Gäste spielen plötzlich keine Rolle mehr. „Das alles ist sooo unwichtig“, sagt die 37-Jährige. Sie wünscht ihrem Sohn einfach nur, endlich wieder zur Ruhe kommen zu können, da ihn medizinische Probleme und Behandlungen in den vergangenen Wochen immer wieder belastet haben. Er hatte Keime in der Kanüle, die in seinen Brustkorb gewandert sind. „Von dem anderen großen Wunsch rede ich gar nicht erst. Er ist allgegenwärtig. Wir hoffen jeden Tag. Jede Stunde. Jede Minute. Einfach immer“, sagt sie. Doch wann der rettende Anruf kommt, dass ein passendes Spenderherz gefunden ist, bleibt ungewiss. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt zwischen einem und drei Jahren in Deutschland. Bei manchen geht es schneller, einige warten auch viel länger. Seit das Coronavirus durch das Land zieht, ist die Situation für Diana, Daniel und seinen Vater noch schwieriger geworden. Besuche von Freunden und Verwandten im Krankenhaus sind zur Ausnahme geworden und dürfen nur nach einem negativen Test erfolgen. Mädelsabende oder gemeinsame Abendessen im Elternwohnheim finden gar nicht mehr statt. „Man will sich ja keiner Gefahr aussetzen. Wir können uns noch nicht einmal eine normale Grippe leisten.“Eine
Ansteckung mit Influenza oder dem Coronavirus wäre für Daniel gefährlich.
Und so werden auch der Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage einsam in der Kinderkardiologie im neunten Stock des Uniklinikums. „Daniel, der Papa und ich werden im Krankenhaus sein an Heiligabend. Es wird wohl ein Tag wie jeder andere. Ich verdränge Weihnachten lieber. Wegen der Ausgangssperre ab 21 Uhr ist auch kein kurzer abendlicher Besuch bei der Familie mehr möglich, nachdem Daniel eingeschlafen ist“, sagt Diana Dietrich. Sie klingt deprimiert am Telefon. Die Situation macht ihr immer mehr zu schaffen. „Es ist wie in einem Hamsterrad. Es zieht einen emotional runter. Und es ist anstrengend nach so langer Zeit, trotzdem gibt man die Hoffnung nie auf. Aber es ist echt verdammt hart.“