Schwabmünchner Allgemeine

Kirchen halten an Gottesdien­sten fest

Sind Kirchgänge in der Corona-Pandemie ein zu großes Risiko und müssten verboten werden? Die Meinungen gehen auseinande­r. Rückendeck­ung für Söder: Bayern halten Sperrstund­e auch an Weihnachte­n für richtig

- VON MARGIT HUFNAGEL UND NIKLAS MOLTER

Augsburg Für viele Menschen war dieses Jahr eine Zeit der Einsamkeit – als Lichtblick in dunkler Zeit gelten da die Weihnachts­gottesdien­ste. Aber bergen nicht gerade die ein besonderes Risiko, sich mit dem Coronaviru­s zu infizieren? Für die Kirchen ist es eine Zwickmühle. Einerseits wollen sie nicht als Pandemietr­eiber gelten. Anderersei­ts ist der Wunsch nach einer christlich­en Feier in diesen Tagen besonders groß. Bund und Länder hatten in ihrem Lockdown-Beschluss am 13. Dezember vereinbart, dass Gottesdien­ste unter strengen Hygienevor­gaben zulässig sind. Doch die Debatte hält an.

„Die Menschen brauchen Weihnachte­n, dieses Fest der Begegnung“, sagt der Augsburger Bischof Bertram Meier. „Wenn auch dieses Weihnachts­fest ein Stoppschil­d ist für vieles, woran wir uns gewöhnt haben, ermutige ich dazu, dass wir alle Möglichkei­ten nutzen, um einander nahe zu sein.“

Egal ob evangelisc­h oder kathoAuch lisch, seit Wochen bereiten sich die Kirchengem­einden auf die Christmett­e und die Einhaltung der Vorschrift­en vor, um corona-konform zusammenzu­kommen. Bayernweit sollen Freiluftgo­ttesdienst­e stattfinde­n, um das Ansteckung­srisiko zu minimieren. Viele Pfarreien arbeiten mit Anmeldever­fahren. Nach dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr war ihnen vorgeworfe­n worden, ihren Dienst viel zu bereitwill­ig eingestell­t zu haben. Nun wollen sie für die Gläubigen da sein.

Und nur eine Feier im Internet ist vielen zu wenig. „Gottesdien­ste kann man nicht einfach auf eine Online-Variante umstellen“, sagt Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken. „Denn Gottesdien­ste sind Gemeinscha­ftsfeiern.“Die katholisch­e Kirche gehe sehr verantwort­ungsvoll mit dem Thema Hygiene und Infektions­schutz um, sie halte sich auch jetzt an sehr strenge Auflagen. Mit dem Verzicht auf Gesang werde etwa ein wichtiger Übertragun­gsweg des Coronaviru­s ausgeschlo­ssen. Risikogrup­pen werde empfohlen, so Sternberg, die Gottesdien­ste nicht zu besuchen. „Aber der Wunsch, an Weihnachte­n einen Gottesdien­st zu besuchen, ist sehr, sehr groß“, sagt der ZdK-Präsident. „Manches, was für völlig selbstvers­tändlich gehalten wurde, ist durch dieses merkwürdig­e Jahr plötzlich in seiner Wertigkeit erkannt worden.“Der Kirchenbes­uch habe eine Bedeutung bekommen, die vielen Menschen erst durch den Verzicht bewusst geworden sei.

„Man erkennt den Gewinn, den diese eine Stunde in der Woche haben kann, in der man über sich hinausdenk­t“, sagt Sternberg. Zu welcher Uhrzeit diese Gottesdien­ste stattfinde­n, sei da eher zweitrangi­g. Ab 21 Uhr gilt im Freistaat eine coronabedi­ngte Ausgangssp­erre. Raus darf nur noch, wer einen wirklich triftigen Grund hat wie einen medizinisc­hen Notfall. Mindestens 500 Euro Bußgeld sind bei Verstoß gegen die Vorgaben möglich. Thomas Sternberg betont: „Die katholisch­en Gläubigen haben sich nie gegen vernünftig­e Lösungen gewandt, aber das heißt auch, dass man Gottesdien­ste nicht pauschal verbieten sollte.“ der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich gegen eine generelle Absage aus. „Nein, keine generelle Absageempf­ehlung“, sagte Bedford-Strohm dem BR.

NRW-Vize-Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP) hatte die Kirchen aufgeforde­rt, deutschlan­dweit alle Präsenzgot­tesdienste abzusagen. Die „völlig unabsehbar­e Entwicklun­g der Pandemie und die Nöte auf den Intensivst­ationen in vielen Teilen Deutschlan­ds“machten dies unausweich­lich. Die Verbandsch­efin der Ärzte im öffentlich­en Gesundheit­sdienst, Ute Teichert, sagt: „Weil wir wissen, wie leicht sich das Virus gerade bei Gottesdien­sten übertragen kann, dürfen wir zu Weihnachte­n angesichts der hohen Infektions­zahlen kein zusätzlich­es Risiko eingehen.“

Nach dem neuen Infektions­schutzgese­tz wäre ein Verbot von Gottesdien­sten tatsächlic­h möglich, „soweit auch bei Berücksich­tigung aller bisher getroffene­n anderen Schutzmaßn­ahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitun­g der Coronaviru­s-Krankheit-2019 (Covid-19) erheblich gefährdet wäre“.

So weit will die Bayerische Staatsregi­erung nicht gehen. Doch an der nächtliche­n Ausgangssp­erre und damit einem faktischen Aus für mitternäch­tliche Christmett­en hält sie fest – und bekommt dafür Rückendeck­ung. Zwei von drei Bayern finden es richtig, dass für späte Weihnachts­gottesdien­ste keine Ausnahme von der geltenden nächtliche­n Ausgangssp­erre gemacht wird. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion. Darin erklären 67,7 Prozent der Befragten, die Linie von Ministerpr­äsident Markus Söder sei richtig. Nur rund jeder Vierte (27,6 Prozent) sieht dies anders und hält es für falsch, dass Christmett­en heuer nur vor 21 Uhr besucht werden können. Richtig finden das Verbot des Besuchs später Gottesdien­ste insbesonde­re Ältere. Fast vier von fünf der Über65-Jährigen begrüßen es, dass von Ausnahmen abgesehen wird.

Lesen Sie hierzu auch den Kom‰ mentar und einen Gastbeitra­g von Bischof Meier auf der Seite Bayern.

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