Wann wirkt der harte Lockdown?
Noch steigt die Zahl der Neuinfektionen an. Doch eine Mathematikerin ist zuversichtlich, dass sich das ändert
Augsburg Seit einer Woche gilt in Deutschland der harte Lockdown. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, nachts gelten strenge Ausgangssperren und tagsüber soll das Haus niemand verlassen – außer es liegt ein triftiger Grund vor. Doch noch steigt die Zahl der Corona-Infizierten weiter und am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut einen neuen Höchstwert bei den Todesfällen. 962 Menschen sind binnen 24 Stunden am Coronavirus verstorben. Wann also lässt sich an den Corona-Zahlen ablesen, ob der Lockdown wirkt? Wann sinken sie?
Um vorherzusagen, wie sich die Zahlen in der Corona-Pandemie entwickeln werden, haben verschiedene Wissenschaftler Modellrechnungen erstellt. Eine von ihnen ist Maria Barbarossa. Die Mathematikerin arbeitet am Frankfurt Institute for Advanced Studies und hat zusammen mit ihrem Kollegen Jan Fuhrmann ein Modell erstellt, mit dessen Hilfe sich die Zahlen der Pandemie prognostizieren lassen. Sie sagt: „Bis der harte Lockdown einen Effekt zeigt, vergehen mindestens zehn bis 14 Tage.“Die Zahl der Todesopfer sinke erst weitere drei Wochen später. „Menschen, die an Covid-19 sterben, sterben meistens mehrere Tage nach Auftreten der Symptome.“Das heißt: „Wenn der harte Lockdown eine deutschlandweit signifikante Kontaktreduktion
ab dem 16. Dezember erbracht hat, werden erst nach Weihnachten die Fallzahlen sinken“, sagt Barbarossa. Wenn. Denn, ob das wirklich so eintritt, können die Mathematiker noch nicht sagen. Barbarossa: „Die Maßnahmen wirken sich so gut aus, wie wir uns alle dran halten.“
Und gerade, was das betrifft, ist Thorsten Lehr nicht ganz so optimistisch. Lehr ist Professor für klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes und hat mit einem Team ebenfalls einen Simulator entwickelt. Dieser soll vorhersagen, wie die Pandemie verläuft. Lehr sagt: „Erste Erfolge des Lockdowns werden wir leider nicht so schnell sehen.“Ein Grund: Weihnachten.
Denn für die Tage zwischen dem 24. Dezember und dem 26. Dezember sind viele der strengen CoronaRegeln zumindest ein bisschen lockerer. Das heißt: Es sind auch wieder mehr Kontakte möglich. Lehr sagt daher: „Wenn ich mir die aktuellen Zahlen anschaue, die Aktivitäten an Weihnachten dazuzähle und die neue Variante des Virus im Hinterkopf habe, dann habe ich da meine Zweifel, dass wir im Januar oder Anfang Februar einen Inzidenzwert von 50 in Deutschland erreichen.“Das ist das erklärte Ziel des harten Lockdowns, der vorerst bis 10. Januar gilt. Der Inzidenzwert in Deutschland – also die Zahl der innerhalb einer Woche neu an Corona erkrankten Personen gerechnet auf 100 000 Einwohner – soll auf 50 sinken. Am Dienstag lag er bei 195,1.
Barbarossa ist etwas zuversichtlicher, aber die Mathematikerin sagt auch: Noch ist vieles recht ungewiss. Wenn die Lockerungen zu Weihnachten damit einhergehen, dass vor Weihnachten alle ihre Kontakte heruntergefahren haben, dann werde der „Weihnachtseffekt“wohl nicht so dramatisch ausfallen wie zunächst befürchtet. „Von der Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt ganz entscheidend ab, wie lange es dauert, bis die Inzidenz wieder unter den Zielwert von 50 pro 100000 Einwohner und sieben Tage fällt. Das lässt sich im Moment noch nicht prognostizieren“, sagt Maria Barbarossa.