Schwabmünchner Allgemeine

Für Museen keine Sicherheit­schecks wie am Flughafen

Kunstwerke sind meist wertvolle Objekte. Das lockt aber nicht nur Kulturinte­ressierte an. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, spricht von neuen Bedrohungs­szenarien

- Gerd Roth, dpa

Berlin Nach Attacken auf Kunstwerke in mehreren Museen hat sich der Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, Hermann Parzinger, gegen eine drastische Verschärfu­ng von Kontrollen in Kulturinst­itutionen ausgesproc­hen. „Wir wollen keine Sicherheit­schecks wie am Flughafen. Hoffentlic­h wird es nie so weit kommen“, sagte Parzinger in Berlin. „Wir wollen, dass die Museen als offene Räume wahrgenomm­en werden.“

In den vergangene­n Wochen waren Anschläge auf Museen der berühmten Berliner Museumsins­el, im Kreismuseu­m Wewelsburg in Nordrhein-Westfalen und im Potsdamer Schloss Cecilienho­f bekannt geworden. Die jeweils noch unbekannte­n Täter hatten mit Flüssigkei­t Kunstwerke attackiert.

Parzinger sprach von einer Bedrohung für die Museen. „Es gab in der Vergangenh­eit auch internatio­nal immer wieder Fälle, bei denen es um Anschläge auf Kunstwerke ging, betroffen waren häufig die Moderne oder zeitgenöss­ische Werke. Hier war jetzt auffällig, dass vor allem archäologi­sche Objekte betroffen waren.“

Das stellt die Häuser vor besondere Probleme. „Gerade große Objekte werden meist ohne Vitrine präsentier­t, man kann nicht jeden Sarkophag hinter Panzerglas bringen“, sagte der Chef der Stiftung, zu der unter anderem die Staatliche­n Museen Berlins gehören. „Aber natürlich denken wir auch darüber nach, ob Reliefs, wie etwa im Neuen Museum, in Zukunft noch offen zugänglich sein sollten oder nicht doch hinter Glas geschützt werden müssen.“

Der Prähistori­ker betonte, es werde keinen hundertpro­zentigen Schutz geben. „Aber wir müssen ihn trotzdem immer anstreben.“Die Museen lernten auch leidvoll dazu. „Wenn irgendwo ein neues Bedrohungs­szenario auftritt, gibt es dazu sofort einen engen Austausch der Sicherheit­sfachleute.“

Als Beispiel nannte Parzinger die Folgen des Raubes einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze 2017 in Berlin, deren Materialwe­rt deutlich über der kunsthisto­rischen Bedeutung liegt. „Wir haben eine Taskforce eingesetzt, die ein ganzheitli­ches Risikomana­gement entwickelt, das sämtliche neuen Bedrohungs­szenarien berücksich­tigt“, sagte der 61-Jährige. „Über Jahrzehnte sind unsere Museen kaum in dieser Form in Mitleidens­chaft gezogen worden. Jetzt mit dem Raub der Goldmünze oder dem Einbruch ins Grüne Gewölbe in Dresden haben wir Vorfälle, bei denen es ganz klar um den materielle­n Wert von Objekten geht. Damit entsteht eine neue Dimension der Gefährdung von Kunst und Kultur.“

Gegen die neue Bedrohungs­lage sei gegengeste­uert und gefragt worden: „Wo sind bei uns Bestände, die vielleicht aufgrund ihres reinen Materialwe­rts besonders bedroht sein könnten? Dort haben wir nachgerüst­et.“

Kopfzerbre­chen bereiten dem Präsidente­n der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz zudem Schmierere­ien und ähnliche Übergriffe im öffentlich­en Raum von Museen. „Vandalismu­s zeugt von fehlendem Respekt vor der Kultur“, sagte Parzinger. Auf der Museumsins­el werde der Kolonnaden­hof immer stärker vermüllt. „Mit großem Aufwand wurde ein besonderer Ort geschaffen, man kann es ein Refugium nennen, jederzeit zugänglich. Das Erreichte geht verloren, wenn der gesellscha­ftliche Konsens abhandenko­mmt, der diesen Leistungen Respekt zollt.“

 ?? Foto: Fabian Sommer, dpa ?? Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz. Zu‰ letzt gab es Anschläge auf Kunstwerke in den Museen der Berliner Museumsins­el.
Foto: Fabian Sommer, dpa Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz. Zu‰ letzt gab es Anschläge auf Kunstwerke in den Museen der Berliner Museumsins­el.

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