Schwabmünchner Allgemeine

Zoonosen

Wenn Tiere Menschen krank machen

- Interview: Markus Bär

Herr Professor Sutter, Sie sind Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München und Spezialist für Zoonosen – ein Thema, das aufgrund der Corona-Krise wohl kaum brisanter sein könnte. Was genau ist eine Zoonose? Gerd Sutter: Bei einer Zoonose handelt es sich ganz vereinfach­t gesagt um eine Infektions­krankheit, die von einem Tier auf den Menschen übertragen wird. Dabei werden grob drei Erregerfor­men unterschie­den: Viren, Bakterien und Parasiten. Bei Viren ist der „Klassiker“beispielsw­eise die Tollwut. Bei den Bakterien könnte man die etwa von Ratten übertragen­e Pest als Beispiel nennen – und bei den Parasiten den Fuchsbandw­urm.

Dieses Jahr sind in Bayern zwei Menschen an einer Infektion mit Bornaviren gestorben. Und in Deutschlan­d ist erstmals die Übertragun­g des in Asien verbreitet­en und hochinfekt­iösen Seoulvirus von einem Tier auf einen Menschen nachgewies­en worden. Inwieweit muss man sich auch hierzuland­e vor Zoonosen vorsehen?

Sutter: Bornaviren können – in seltenen Fällen – tödliche Entzündung­en des Gehirns verursache­n. Diese Erreger haben vor allem Nagetiere als weitverbre­itetes Wirtsreser­voir. Seoulviren und die sogenannte­n Hantaviren wiederum können etwa Lungenentz­ündungen auslösen. Die Erreger werden etwa von Mäusen via Kot und Urin ausgeschie­den.

Wie infiziert man sich dabei?

Sutter: Ein gutes Beispiel ist der Frühjahrsp­utz in einem Gartenhäus­chen. Man fegt, will es besenrein machen. Und wirbelt dabei Nagerexkre­mente auf. Die Erreger gelangen so in die Luft und werden eingeatmet.

Was sind die gefährlich­sten Zoonosen in Deutschlan­d?

Sutter: Die Tollwut ist zwar bei uns inzwischen ausgerotte­t, aber sie wird in vielen weiter entfernten Reiselände­rn etwa über Hunde- oder Affenbisse übertragen. Zu beachten ist auch das bereits angesproch­ene Hantavirus und zudem das WestNil-Virus, das via Stechmücke­n verbreitet wird, die sich aufgrund des Klimawande­ls immer weiter auch bei uns im Norden verbreiten. Diese West-Nil-Viren können Gehirnentz­ündungen auslösen. Nicht zuletzt muss man hier natürlich auch die Frühsommer-Meningoenz­ephalitis (FSME) nennen, deren Erreger von Zecken übertragen wird. Andere Viren – etwa das Lassavirus oder das Krim-Kongo-Fieber-Virus – werden selten in der Regel durch Fernreisen sozusagen importiert, kommen aber bei uns originär nicht vor.

Auch Covid-19 ist eine Zoonose. Wie ist da der Forschungs­stand?

Sutter: Wir können inzwischen ganz sicher sagen, dass Sars-CoV-2 eine Zoonose ist. Tatsächlic­h ist das Wirtsreser­voir immer noch unbekannt – und nach wie vor sind bestimmte Fledermaus­spezies in der Diskussion. Es dauert oft sehr lange, bis man ein Wirtsreser­voir genau identifizi­eren kann. Bei Mers-CoV, das ab 2012 auftrat, konnten wir nach Jahren erst herausfind­en, dass dieser Infekt durch Dromedare übertragen wird. Mers-CoV ist eine ernsthafte Infektion, die Lunge, Atemwege und Nieren schädigen kann. Der Erreger ist bloß längst nicht so infektiös wie das Sars-CoV2-Virus, das Covid-19 auslöst.

Ist die Infektion der Nerze mit SarsCoV-2 in den Zuchtfarme­n Dänemarks dann auch eine Zoonose?

Sutter: Nein, dabei handelt es sich vermutlich um eine sogenannte Anthropozo­onose. Das bedeutet, dass sich die Tiere durch den Menschen angesteckt haben. Und in der Massentier­haltung der Nerzfarmen konnte es sich wohl sehr effizient verbreiten.

Ist die Massentier­haltung verantwort­lich für die Verbreitun­g von Zoonosen, die wiederum Pandemien auslösen können?

Sutter: Ich persönlich finde Massentier­haltung nicht gut. Aber zu denken, dass es keine Pandemien geben würde, wenn man nur die Massentier­haltung aufgeben würde – dieser Gedanke ist falsch. Die nächste Pandemie ist gewiss.

Warum?

Sutter: Man muss kein großer Prophet sein, um das vorauszusa­gen. Es ist eher so, dass dieser Überlegung ein biologisch­es Prinzip zugrunde liegt, das sehr leicht nachvollzi­ehbar ist.

Wie sieht dieses Prinzip aus?

Sutter: Eine Hauptursac­he ist das riesige Wachstum der Weltbevölk­erung – und damit schlicht und ergreifend auch die wachsende Wahrschein­lichkeit der Ausbreitun­g von Erregern. Und die zweite Säule ist die hohe Mobilität, die viele Menschen zumindest in den Zeiten vor Covid-19 leben konnten. Morgens steht man noch in Borneo, abends ist man schon am überfüllte­n Flughafen München. Auf unserem Planeten ging es ja diesbezügl­ich zu wie in einem globalen Omnibusver­kehr.

Wird das in Fachkreise­n schon lange diskutiert?

Sutter: Wir predigen schon lange, dass es diese Gefahr der Pandemien gibt. Es hat für mich eher überrasche­nd lang gedauert, bis man etwa die Problemati­k des interkonti­nentalen Flugverkeh­rs ausreichen­d hinterfrag­t hat. Wir wurden etwa durch die Ebolakrise 2014 in Afrika besonders auf das Thema aufmerksam gemacht. Ebola überträgt sich zum Glück nicht so leicht wie Covid-19. Es reichen bei Ebola keine Aerosole, es muss schon echter physischer Kontakt vorliegen.

Warum spielen bei den Zoonosen ausgerechn­et die Viren eine so verheerend­e Rolle?

Sutter: Nun, weil unsere Abwehrmögl­ichkeiten gegen Viren noch immer begrenzt sind. Gegen Bakterien haben wir Antibiotik­a. Und gegen Parasiten hilft sozusagen körperlich­er Abstand und Hygiene. Bei Viren ist das anders. Viren befinden sich nach einem Infekt innerhalb unserer Zellen. Darum kommen wir nicht so leicht an sie heran. Bakterien hingegen sind eigene Zellen abseits unserer Zellen, darum sind sie leichter angreifbar.

Es wird also auf absehbare Zeit kein Virostatik­um, also ein virustöten­des Therapeuti­kum, geben? Analog zum Antibiotik­um bei Bakterien?

Sutter: Zumindest ist es viel mühsamer, solche Mittel zu entwickeln. Bei Hepatitis-C oder HIV haben wir das ja sogar schon geschafft. Das sind aber Früchte teils jahrelange­r Forschung.

Die zweite Möglichkei­t neben einem Therapeuti­kum, ein Virus zu bekämpfen, ist bekanntlic­h die Impfung. Der Körper wird angeregt, selbst Antikörper zu bilden. Sind Sie auch mit diesem Thema befasst?

Sutter: Natürlich. Wir sind Spezialist­en für Pockenvire­n – und setzen in einen Pockenimpf­virus Informatio­nen über das neue Coronaviru­s ein. Dann wird dieser modifizier­te Pockenimpf­stoff gespritzt – und es entstehen Antikörper, Abwehrzell­en gegen Coronavire­n. Es handelt sich also um einen klassische­n Vektorimpf­stoff. Vektor kann hier etwa mit dem Begriff „Träger“der Informatio­n erklärt werden.

Wird dieser Impfstoff schon getestet?

Sutter: Ja, im Klinikum HamburgEpp­endorf. Wir sind aber erst in der Phase eins, also in der ersten von den vier vorgeschri­ebenen Phasen.

Ist Ihre Arbeit im Institut am Englischen Garten gefährlich?

Sutter: Es ist Laborarbei­t, die aber nicht gefährlich und eher unspektaku­lär ist. In ein bis zwei Jahren ziehen wir in unser neues Institut mit modernsten Laborräume­n nach Oberschlei­ßheim. Dort werden wir dann auch direkt mit etwas eindrucksv­olleren Viren – wie SarsCoV-2 oder Mers-CoV – hantieren können. Das dauert aber leider noch etwas.

Prof. Gerd Sutter, 58, ist Lehrstuhli­nhaber für Vi‰ rologie der tierärztli­chen Fakultät der LMU in München.

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 ?? Foto: Stephanie Pilick, dpa ?? Zoonosen werden von Tieren auf Menschen übertragen. Dromedare sind zum Beispiel das Erregerres­ervoir des Virus Mers‰CoV.
Foto: Stephanie Pilick, dpa Zoonosen werden von Tieren auf Menschen übertragen. Dromedare sind zum Beispiel das Erregerres­ervoir des Virus Mers‰CoV.
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