Schwabmünchner Allgemeine

Erste Hilfe trotz Corona‰Gefahr?

Im Notfall zu helfen ist in Zeiten der Pandemie offenbar keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Ein Sanitäter aus Buchloe erklärt, worauf Helfer achten sollten

- VON JOSEF KARG

Augsburg Aus Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s ist die Erste-Hilfe-Bereitscha­ft in der Bevölkerun­g gesunken. Das stellte der Bundesverb­and für Patientenu­nd Versichert­eninteress­en „Das Patientenf­orum“fest, der zugleich aufruft, auch in Pandemie-Zeiten bei Notfällen Erste-Hilfe- und Wiederbele­bungsmaßna­hmen durchzufüh­ren.

Philipp Willmann kennt solche akuten Situatione­n. Der 23-jährige Buchloer ist Notfallsan­itäter und seit einem Jahr Erste-Hilfe-Ausbilder bei ADAC gelbhilft. Willmann weiß: Bei Lebensgefa­hr können die ersten Minuten entscheide­n. „So ist es wichtig, dass Ersthelfer zum Beispiel lebensrett­ende Sofortmaßn­ahmen ergreifen.“Ohne Reanimatio­n sinke, statistisc­h betrachtet, die Überlebens­wahrschein­lichkeit pro Minute um zehn Prozent. Der schnelle Beginn mit Wiederbele­bungsmaßna­hmen kann für die Betroffene­n also über Leben und Tod entscheide­n. Doch man muss wissen, was man tut.

Experte Willmann hat Rat, wie man sich verhalten soll, wenn man als Ersthelfer an einen Unfallort kommt. Einfach weiterzufa­hren sei in keinem Fall eine Alternativ­e, sagt er. Zumindest müsse ein Notruf abgesetzt werden, sonst mache man sich strafbar. Die Deutsche Gesetzlich­e Unfallvers­icherung gibt in Sachen Erste Hilfe klare Vorgaben: „Jeder und jede muss im Rahmen der Zumutbarke­it und ohne erhebliche eigene Gefährdung Erste Hilfe leisten“, heißt es da.

In Corona-Zeiten gelten jedoch noch einmal besondere Regeln.

Fachleute empfehlen bei Personen, die reanimiert werden müssen, auf eine Mund-zu-Mund- beziehungs­weise Mund-zu-Nase-Beatmung zu verzichten, um sich selbst vor einer Infektion zu schützen. So macht der Deutsche Rat für Wiederbele­bung deutlich, dass „Ersthelfer primär eine Herzdruckm­assage durchführe­n sollen“. Die Notwendigk­eit einer Atemspende in dieser Situation sei, so der Rat, „zunächst nachrangig anzusehen“.

Nach Absetzen des Notrufs sollte ein Ersthelfer bei einer bewusstlos­en und nicht atmenden Person also ununterbro­chen eine Herzdruckm­assage durchführe­n, bis profession­elle Helfer eintreffen. Allein dies führe laut Experten zu einer Verdoppelu­ng bis Verdreifac­hung des Überlebens der vom Herz-Kreislauf-Stillstand betroffene­n Menschen. Denn: In Deutschlan­d würden nach wie vor pro Jahr mehr als 70000 Menschen an den Folgen eines HerzKreisl­auf-Stillstand­s außerhalb eines Krankenhau­ses sterben.

Die Durchführu­ng einer sogenannte­n Atemspende sollte laut Verordnung daher immer auch „situations­bezogen sorgfältig“abgewogen werden. Der Buchloer Notfallsan­itäter Philipp Willmann sagt: „Auf Mund-zu-Mund kann verzichtet werden, zum Beispiel bei fremden Personen in der Öffentlich­keit.“An erster Stelle stehe immer die Sicherheit desjenigen, der hilft. Selbstvers­tändlich sollte der Ersthelfer einen Mund-Nasen-Schutz tragen, und – wenn möglich – auch den Mindestabs­tand von eineinhalb Metern wahren. Um Ersthelfer vor Aerosolen zu schützen, lautet bei einer Reanimatio­n schließlic­h die offizielle Empfehlung, „Mund und Nase mit einem luftdurchl­ässigen Tuch zu bedecken“, erklärt Willmann.

Der Notfallsan­itäter sagt im Übrigen auch, dass die meisten Reanimatio­nen außerhalb von Krankenhäu­sern nicht im Straßenver­kehr, sondern in einem ganz anderen Bereich stattfinde­n: zu Hause. Es sind mehr als 60 Prozent.

 ?? Foto: Martin Schutt, dpa ?? Ersthelfer sollen sich in einem Notfall nicht selbst in Gefahr bringen. Das gilt auch in Zeiten einer Pandemie – insbesonde­re auch in Bezug auf eine mögliche Ansteckung mit dem Coronaviru­s.
Foto: Martin Schutt, dpa Ersthelfer sollen sich in einem Notfall nicht selbst in Gefahr bringen. Das gilt auch in Zeiten einer Pandemie – insbesonde­re auch in Bezug auf eine mögliche Ansteckung mit dem Coronaviru­s.

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