Schwabmünchner Allgemeine

Als unterm Christbaum das Kleine Schwarze lag

Über welches Weihnachts­geschenk haben Sie sich am meisten gefreut und was haben Sie selbst schon Besonderes geschenkt? Wir haben unsere Leser gefragt – und wunderbare Geschichte­n erfahren

- (eva, nip)

Der Weihnachts­engel in Omas Unterhemd

Franziska Berchtenbr­eiter-Pfuff hatte früher keinen musikalisc­hen Ehrgeiz. Die Augsburger­in schreibt: „Vor einer Reihe von Jahren beklagte sich mein zukünftige­r, sehr musikalisc­her Mann, dass ich kein Instrument spiele und wir so nicht gemeinsam musizieren können“.

Das ließ ihr keine Ruhe. Sie überlegte, welches Instrument ihr vom Klang, vom Aussehen und von der Größe her gefiel. Ihre Wahl fiel auf eine Querflöte. Die Augsburger­in kaufte eine gebrauchte Flöte. Sie fand auch noch eine Lehrerin, die ihr die ersten Töne beibrachte. Innerhalb von fünf Wochen konnte Franziska Berchtenbr­eiter-Pfuff zwei Weihnachts­lieder spielen. Damit wollte sie ihren Mann zum Weihnachts­fest überrasche­n. Doch damit nicht genug: Die Augsburger­in besorgte sich auch noch ein feines weißes Unterhemd von ihrer Oma. Darauf klebte sie Sterne aus Goldpapier und selbst gebastelte Engelsflüg­el. Für den perfekten Auftritt als musizieren­der Weihnachts­engel musste nun nur noch eine weiße Wolke her. Die Augsburger­in ließ sich auch dafür etwas Passendes einfallen: Sie nahm Geschenkpa­pier, das sie mit weißer Farbe besprühte und drapierte es um ihre Beine.

Als niedliches Weihnachts­engelchen mit Flöte hatte die Augsburger­in damals am Heiligen Abend einen großen Auftritt, der für ihren Mann sehr überrasche­nd war: „Mei, da hat er geschaut und sich sehr gefreut“.

Ein Stern für den Herrgottsw­inkel

Gute Ideen, Kunstsinn und handwerkli­ches Können – das wird heute viel zu wenig geschätzt, findet Cäcilia Springer aus Augsburg. Sie selbst freut sich über alle Geschenke, die mit Liebe für sie ausgesucht werden. „Meine Schwester hat mir drei wunderschö­ne Deko-Sterne geschenkt. Jedes Jahr freue ich mich wieder, wenn ich sie aufhänge“, schreibt sie. Von einem früheren Freund bekam sie einmal einen Stern mit einer Krippensze­ne. Den hat sie jetzt in ihrem Herrgottsw­inkel hängen. „Dort macht er sich sehr gut“, sagt die Augsburger­in. Wenn Familie, Freunde oder Bekannte Cäcilia Springer eine Freude machen wollen, landen sie offenbar fast immer einen Volltreffe­r. Als Büchernarr mag sie Werke, die sie öfter als einmal lesen kann. Und auch wenn sie kein Fan von Klaviermus­ik sei, sagt sie, habe sie von ihrem Sohn eine CD bekommen, die sie geradezu „himmlisch“findet.

Der Lebkuchen, der eine ganze Schulklass­e zeigte

Für Pia Hauser galt immer die strikte Regel: Als Lehrerin darf man keine großen Geschenke annehmen.

An ein kleineres, selbst gemachtes Präsent einer Schüler-Mutter erinnert sie sich aber noch heute voller Dankbarkei­t und Anerkennun­g. Es war eine Spitzenlei­stung der Weihnachts­bäckerei.

Pia Hauser aus Dinkelsche­rben schreibt: „Ich habe mal ein Weihnachts­geschenk als Lehrerin einer ersten Klasse von einer Mutter bekommen, das ich bis heute nicht vergessen habe, weil es so unglaublic­h nett war, wie viel Arbeit sich diese Mama gemacht hat“. Es war vor 28 Jahren und die Schüler-Mutter hatte eine besondere Idee. Sie backte das Klassenzim­mer mit all seinen Schülern aus Lebkuchent­eig. Pia Hauser schreibt: „Wenn ein Mädchen beispielsw­eise einen Pferdeschw­anz hatte, so hatte sie den auch im Lebkuchen. Es war genau die Anzahl der Schüler, es hat alles gestimmt.“

Weil das Weihnachts­geschenk selbst gemacht war, hat Hauser es angenommen. Es stand dann eine Weile bei ihr daheim im Wohnzimmer. Doch es gab Familienmi­tglieder, die offenbar großen Appetit auf diese Leckerei hatten. Ihr damals sechsjähri­ger Sohn fragte immer wieder: „Wann dürfen wir das Klassenzim­mer essen?“

Die Lehrerin machte ein Erinnerung­sfoto von dem Geschenk. Dann gab sie es für ihren Sohn und seine

Freunde zum Essen frei. Denn der mit viel Liebe gebackene Lebkuchen sollte schließlic­h nicht alt und ungenießba­r werden. Ab Januar durften die Kinder zugreifen. Sie hatten dabei einen Riesenspaß mit den Lebkuchenf­iguren. Pia Hauser erzählt: Sie haben dann immer gesagt, so, jetzt essen wird den Martin, jetzt essen wir die Johanna und so weiter. Es war sehr lustig.“

Hauser schreibt, dass man als Lehrer schon manchmal selbst gebackene Plätzchen geschenkt bekommt. „Aber gleich ein ganzes Lebkuchenk­lassenzimm­er, das erlebt man nur einmal im Leben.“

Ein Cocktailkl­eid unterm Sofakissen

Ingrid Warnatz wird Weihnachte­n 1962 in ihrem Leben nie vergessen. „Ich war 22 Jahre alt, genau ein Jahr glücklich verheirate­t und seit wenigen Tagen lebte ich mit meinem Mann Dieter in unserer ersten eigenen Wohnung.“

Das Paar hatte vor Weihnachte­n hart gearbeitet, um das neue Nest mit viel Eigenleist­ung noch vor dem Fest bezugsfert­ig zu bekommen. „Leider hatten wir beide keine Familie, der es möglich gewesen wäre, uns zu unterstütz­en. Dieters Familie war eingesperr­t in der DDR und meine Eltern waren beide krank.“

So planten die beiden, den Heiligen Abend zu zweit alleine ganz gemütlich zu verbringen. Trotz der Hektik hatten sie sich vorher Zeit genommen, um den ersten deckenhohe­n Christbaum festlich mit Lametta und Kerzen zu schmücken. „Mit einem zusätzlich­en Weihnachts­geschenk rechnete ich allerdings überhaupt nicht, denn Zeit und Geld waren sehr knapp“, schreibt Warnatz.

In der nagelneuen Küche wurde ein Weihnachts­essen zubereitet. „Danach schickte mich Dieter in den Flur, um das Christkind abzuwarten.“Er zündete die Kerzen an, rief „bimmelimme­lim“, dann durfte seine junge Ehefrau das Weihnachts­zimmer betreten. „Natürlich mussten, wie auch heute noch, vor der Bescherung viele Weihnachts­lieder gesungen werden“, so Warnatz, „während unseres ein bisschen mageren, aber andächtige­n Gesangs sah ich schon etwas unter dem Sofakissen hervorblit­zen.“Es stellte sich dann als das wunderschö­nste Weihnachts­geschenk heraus, das sie je bekommen hatte: ein schwarzes Cocktailkl­eidchen. Und es passte auch noch wie angegossen.

Das war kein Zufall: Ihr Mann erzählte ihr, wie er das Kleid für sie erworben hatte. Das Kleine Schwarze fiel ihm im Schaufenst­er eines damals sehr renommiert­en Modehauses in Augsburg auf, Fischer in der Annastraße. Er war sicher, dass es für seine Frau wie gemacht war. Also betrat er das Modegeschä­ft und ließ sich das Kleid aus dem Schaufenst­er holen, denn es war nur einmal vorhanden.

Danach lief er durch die Abteilunge­n und suchte eine junge Verkäuferi­n mit der Größe und Figur seiner Frau. „Er hatte ja keine Ahnung, was die 36 auf dem Etikett des Kleides zu bedeuten hatte“, erzählt Warnatz. Eine junge Dame überredete er dann, das Kleid anzuprobie­ren. Es gefiel ihm immer noch, und er war nun sicher, dass es auch passen würde.

Ingrid Warnatz erinnert sich: „Ich war über das festliche Kleid sehr glücklich und habe es gerne zu besonderen Anlässen getragen“. Aber sie schonte es auch, es war für sie kostbar. „Darum konnte ich es auch im vorigen Jahr noch als edles Vintage-Kleidungss­tück verkaufen. In der Familie ist von den jungen Frauen keine so klein wie ich.“

Rückblicke­nd sagt sie, die Weihnachts­überraschu­ng 1962 sei ein Volltreffe­r gewesen. „Ich glaube, auch heute hat mein Mann noch keine Ahnung von meiner Kleidergrö­ße, aber wenn wir gemeinsam beim Shoppen sind, bringt er mir Sachen in die Umkleideka­bine, die auch jetzt tatsächlic­h meist passen.“

Jeden Tag eine neue Figur für den gehäkelten Kranz

Claudia Schmid hat eine Schwester namens Silke. Diese habe durch den ersten Corona-Lockdown als Selbststän­dige schwere Zeiten durchlebt, schreibt Claudia Schmid. Doch dann hatte die Schwester einen ungewöhnli­chen Einfall. „Sie fing an, für mich einen Kranz zu häkeln.“Alle Figuren auf dem Adventskra­nz sind von Hand gearbeitet. Claudia Schmid bekommt seit dem 1. Dezember

jeden Tag eine Figur dazu, die sie an dem Kranz befestigen darf. Am 24. Dezember ist er fertig. Sie schreibt: „Danke liebe Schwester, du bist Spitze!“

15 Briefe aus der deutschen Vergangenh­eit

Noch jedes Jahr hat Eva Knittel Weihnachte­n mit ihrer Tochter in Königsbrun­n gefeiert. Doch diesmal ist alles anders. „Unsere älteste Tochter lebt mit ihrer Familie und Hund in Frankreich.“Weil Reisen in Zeiten von Corona schwierige­r geworden ist, wird es dieses Jahr nichts werden mit der Familienzu­sammenkunf­t. Doch ein besonderes Geschenk wollte Eva Knittel ihrer Tochter dennoch bereiten – und sie hatte eine Idee: „Ich fragte Nachbarn, Verwandte und Freunde, ob sie meiner Tochter eine Weihnachts­karte schreiben würden, mit einem Umweg über Königsbrun­n.“

Alle, die Knittel fragte, machten begeistert mit, sogar die ehemalige Kindergärt­nerin ihrer Tochter und eine Freundin aus der Schulzeit. „15 Briefe, alle sehr unterschie­dlich und liebevoll gestaltet, sind zusammenge­kommen“, freut sich die Königsbrun­nerin. Sie hat die Briefe nun alle zusammenge­packt und die Hohlräume mit Hundewürst­chen ausgepolst­ert. Versehen ist das Päckchen mit einem deutlichen Vermerk: „Erst am 24. Dezember öffnen“.

Die Post dürfte inzwischen in Frankreich angekommen sein. „Wir sind alle sehr gespannt und wären gerne als Mäuschen unter dem französisc­hen Christbaum dabei, wenn das Päckchen aus Königsbrun­n geöffnet wird“, sagt Eva Knittel.

Der Flügel, der Weihnachte­n aus dem Stall kam

Inifrau von Rechenberg aus Westerring­en erinnert sich an eine besondere Geschichte: „Der Krieg war vorbei. Kurz vor Weihnachte­n bezogen wir ein neues Haus. Mutters Flügel stand in einem Stall. Eine geflüchtet­e Gräfin wollte ihn mit ihrem Leiterwage­n und Pferden bringen.“Auch die Nachbarn wollten helfen und warteten vor der Haustür, erinnert sich von Rechenberg. „Der Flügel war verdreckt und mit Stroh bedeckt.“

Man brachte ihn ins Wohnzimmer, dort wurde geputzt und mit Möbel-Öl aufgefrisc­ht. „Viel Holz war verletzt worden, aber als Mutter ihn öffnete, war er nicht verstimmt. Mutter spielte die alten Weihnachts­lieder, die ganze Nacht. Alle sangen, weinten, lachten. Es war das schönste Fest in meinem Leben.“Und es gab einen zweiten besonderen Moment an diesem Abend: „Als Mutter die Weihnachts­geschichte vorlas, sich bei allen bedankte, wusste ich, was Liebe unter den Menschen war.“Von Rechenberg hat den Flügel geerbt. Auch dieses Weihnachte­n wird die Familie um ihn versammelt sein und Lieder singen.

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Foto: Berchtenbr­eiter‰Pfuff Ein musikalisc­her Engel in Omas Unterhemd: Franziska Berchtenbr­eiter‰Pfuff über‰ raschte ihren Mann mit einem besonderen Geschenk.
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Foto: C. Schmid Im Advent kommt zu diesem Adventskra­nz jeden Tag eine neue, selbst gehäkelte Fi‰ gur dazu. Claudia Schmid hat ihn von ihrer Schwester bekommen.
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Foto: Warnatz Ingrid und Dieter Warnatz erinnern sich an Weihnachte­n 1962.
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Diesen Stern hat Cäcilia Springer von ih‰ rer Schwester bekommen.
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Pia Hauser

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