Isoliert im Flüchtlingsheim: Eine Familie bittet um Hilfe
Es ist das etwas andere Weihnachten: In der abgeschirmten Flüchtlingsunterkunft in Untermeitingen, die seit einer Woche mit infizierten Menschen aus Schwaben belegt wird, wird das große Fest anders ablaufen
Untermeitingen Fuad Moradov aus Aserbaidschan wurde mit seiner Frau, den beiden Kindern und seiner Mutter von Kempten in die Quarantäne-Einrichtung nach Untermeitingen gebracht. Dort leben andere Flüchtlinge, die positiv auf Covid-19 getestet wurden. Die Familie von Fuad Moradov hat keine Symptome. Aber trotzdem liegen die Nerven blank.
Das Essen sei schlecht, behauptet der 45-Jährige, der vor knapp vier Jahren nach Deutschland gekommen ist. Zum Frühstück gebe es Tee, etwas Brot und Margarine, zuletzt nur Reis mit Gemüse. „Fast niemand isst es mehr“, sagt Moradov. In den ersten Tagen habe es nur Konserven mit Putenfleisch gegeben. Er und andere Bewohner hätten schon Kontakt zu den Verantwortlichen aufgenommen, um ihre Probleme zu schildern. Aber niemand habe ihnen zuhören wollen. „Wir sind doch auch nur Menschen“, sagt Fuad Moradov. „Wir werden ignoriert.“In der Unterkunft, die mit bis zu 60 Menschen belegt werden soll, habe es schon Streit wegen der Versorgung gegeben.
Die Regierung von Schwaben teilt auf Nachfrage mit, dass ein Verpflegungsdienstleister in der Quarantäne-Einrichtung für Vollverpflegung sorgt. Es gebe täglich zwei warme Mahlzeiten. Mittags könnten die Bewohner die für sie in Menüschalen angelieferten Gerichte in dafür zur Verfügung stehenden Mikrowellen erwärmen.
Zum Frühstück und zum Abendessen würden Lunchpakete ausgegeben, abends zusätzlich zum Lunchpaket eine warme Suppe. In den Paketen befinden sich nach Auskunft der Regierung verschiedene Brotsorten, Margarine, süße Aufstriche wie Konfitüre, Wurst und Käse. Darin enthalten seien auch zweierlei Sorten Obst sowie Gemüse. Das Gemüse werde ebenso wie Joghurt und Pudding je nach Wunsch der Bewohner individuell zusammengestellt. Für Kinder und Erkrankte würden laut Regierung von Schwaben spezielle für sie geeignete Lebensmittel zur Verfügung gestellt.
Fuad Moradov bestreitet, dass es Gemüse gibt. Nur jeden Tag Obst in Form von Bananen. Auch den Betreuer, der ihnen täglich von 9 bis 17.30 Uhr zur Seite stehen soll, habe er noch nicht gesehen. Wohl aber den Sicherheitsdienst, der aufpasst, dass niemand die Unterkunft verlässt. In medizinischen Notfällen sorge der Wachdienst dafür, dass die Flüchtlinge umgehend Hilfe erhalten. Laut Regierung von Schwaben führen zusätzlich Ärzte eines von der Regierung beauftragten Dienstleisters in der Unterkunft bei Bedarf Sprechstunden für die Bewohner durch.
Die Moradovs aus Aserbaidschan sind nach knapp einer Woche in der Quarantäne-Einrichtung erschöpft. Vor allem die Großmutter, sagt Fuad Moradov. Sie weine jede Nacht. Im großen Schlafsaal mit etwa 30 Betten, in dem die Familie mit anderen untergebracht ist, sei an Nachtruhe nicht zu denken. Sie sei als einzige in der Familie negativ getestet worden, habe bislang ein eigenes Zimmer bewohnt und müsse jetzt trotzdem in Quarantäne. Der Familienvater versteht, dass Infizierte unbedingt isoliert werden müssen. Aber die Umstände seien so aufreibend. In den ersten Tagen in Untermeitingen habe es noch nicht einmal Kopfkissen gegeben. Die Regierung von Schwaben, die für die Unterkunft und die Versorgung der Asylbewerber zuständig ist, bestätigt: Kopfkissen hätten in den ersten Tagen noch nicht zur Verfügung gestanden, würden aber seit Wochenanfang an die Bewohner ausgegeben. In allen Schlafsälen und sonstigen Wohn- und Aufenthaltsräumen sei rund um die Uhr eine normale Raumtemperatur gewährleistet. Die Hausverwaltung und die vor Ort eingesetzte Betreuung würden auf entsprechende Wohnbedingungen achten.
Wie es für Familie Moradov, die nach Drohungen Aserbaidschan verlassen hatte, jetzt weitergeht? Das ist ungewiss. Sicher ist nur: Sie werden wieder in ihre alte Heimat zurückreisen. Aber wann? „Wir wissen es nicht“, lässt Fuad Moradov über seine 13-jährige Tochter mitteilen, die sehr gut deutsch spricht. „Wir wissen ja nicht einmal, ob irgendjemand weiß, dass wir hier sind.“