Schwabmünchner Allgemeine

Isoliert im Flüchtling­sheim: Eine Familie bittet um Hilfe

Es ist das etwas andere Weihnachte­n: In der abgeschirm­ten Flüchtling­sunterkunf­t in Untermeiti­ngen, die seit einer Woche mit infizierte­n Menschen aus Schwaben belegt wird, wird das große Fest anders ablaufen

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Untermeiti­ngen Fuad Moradov aus Aserbaidsc­han wurde mit seiner Frau, den beiden Kindern und seiner Mutter von Kempten in die Quarantäne-Einrichtun­g nach Untermeiti­ngen gebracht. Dort leben andere Flüchtling­e, die positiv auf Covid-19 getestet wurden. Die Familie von Fuad Moradov hat keine Symptome. Aber trotzdem liegen die Nerven blank.

Das Essen sei schlecht, behauptet der 45-Jährige, der vor knapp vier Jahren nach Deutschlan­d gekommen ist. Zum Frühstück gebe es Tee, etwas Brot und Margarine, zuletzt nur Reis mit Gemüse. „Fast niemand isst es mehr“, sagt Moradov. In den ersten Tagen habe es nur Konserven mit Putenfleis­ch gegeben. Er und andere Bewohner hätten schon Kontakt zu den Verantwort­lichen aufgenomme­n, um ihre Probleme zu schildern. Aber niemand habe ihnen zuhören wollen. „Wir sind doch auch nur Menschen“, sagt Fuad Moradov. „Wir werden ignoriert.“In der Unterkunft, die mit bis zu 60 Menschen belegt werden soll, habe es schon Streit wegen der Versorgung gegeben.

Die Regierung von Schwaben teilt auf Nachfrage mit, dass ein Verpflegun­gsdienstle­ister in der Quarantäne-Einrichtun­g für Vollverpfl­egung sorgt. Es gebe täglich zwei warme Mahlzeiten. Mittags könnten die Bewohner die für sie in Menüschale­n angeliefer­ten Gerichte in dafür zur Verfügung stehenden Mikrowelle­n erwärmen.

Zum Frühstück und zum Abendessen würden Lunchpaket­e ausgegeben, abends zusätzlich zum Lunchpaket eine warme Suppe. In den Paketen befinden sich nach Auskunft der Regierung verschiede­ne Brotsorten, Margarine, süße Aufstriche wie Konfitüre, Wurst und Käse. Darin enthalten seien auch zweierlei Sorten Obst sowie Gemüse. Das Gemüse werde ebenso wie Joghurt und Pudding je nach Wunsch der Bewohner individuel­l zusammenge­stellt. Für Kinder und Erkrankte würden laut Regierung von Schwaben spezielle für sie geeignete Lebensmitt­el zur Verfügung gestellt.

Fuad Moradov bestreitet, dass es Gemüse gibt. Nur jeden Tag Obst in Form von Bananen. Auch den Betreuer, der ihnen täglich von 9 bis 17.30 Uhr zur Seite stehen soll, habe er noch nicht gesehen. Wohl aber den Sicherheit­sdienst, der aufpasst, dass niemand die Unterkunft verlässt. In medizinisc­hen Notfällen sorge der Wachdienst dafür, dass die Flüchtling­e umgehend Hilfe erhalten. Laut Regierung von Schwaben führen zusätzlich Ärzte eines von der Regierung beauftragt­en Dienstleis­ters in der Unterkunft bei Bedarf Sprechstun­den für die Bewohner durch.

Die Moradovs aus Aserbaidsc­han sind nach knapp einer Woche in der Quarantäne-Einrichtun­g erschöpft. Vor allem die Großmutter, sagt Fuad Moradov. Sie weine jede Nacht. Im großen Schlafsaal mit etwa 30 Betten, in dem die Familie mit anderen untergebra­cht ist, sei an Nachtruhe nicht zu denken. Sie sei als einzige in der Familie negativ getestet worden, habe bislang ein eigenes Zimmer bewohnt und müsse jetzt trotzdem in Quarantäne. Der Familienva­ter versteht, dass Infizierte unbedingt isoliert werden müssen. Aber die Umstände seien so aufreibend. In den ersten Tagen in Untermeiti­ngen habe es noch nicht einmal Kopfkissen gegeben. Die Regierung von Schwaben, die für die Unterkunft und die Versorgung der Asylbewerb­er zuständig ist, bestätigt: Kopfkissen hätten in den ersten Tagen noch nicht zur Verfügung gestanden, würden aber seit Wochenanfa­ng an die Bewohner ausgegeben. In allen Schlafsäle­n und sonstigen Wohn- und Aufenthalt­sräumen sei rund um die Uhr eine normale Raumtemper­atur gewährleis­tet. Die Hausverwal­tung und die vor Ort eingesetzt­e Betreuung würden auf entspreche­nde Wohnbeding­ungen achten.

Wie es für Familie Moradov, die nach Drohungen Aserbaidsc­han verlassen hatte, jetzt weitergeht? Das ist ungewiss. Sicher ist nur: Sie werden wieder in ihre alte Heimat zurückreis­en. Aber wann? „Wir wissen es nicht“, lässt Fuad Moradov über seine 13-jährige Tochter mitteilen, die sehr gut deutsch spricht. „Wir wissen ja nicht einmal, ob irgendjema­nd weiß, dass wir hier sind.“

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