Schwabmünchner Allgemeine

Lage in den Asylheimen spitzt sich zu

Immer mehr Bewohner in Quarantäne. Helferin berichtet von bedrückend­en Zuständen

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Die Lage in den Asylunterk­ünften im Kreis Augsburg spitzt sich weiter zu. Immer mehr Menschen, die dort leben, stecken sich mit Corona an. „Das Virus hat leichtes Spiel“, sagt Elisabeth Sedlacek. Denn dort, wo viele Menschen auf engstem Raum zusammenle­ben, ist eine Eindämmung praktisch unmöglich. Die Flüchtling­shelferin aus Ehingen berichtet von großer Angst unter den Flüchtling­en.

Die Unterkunft dort ist nur eine von mehreren im Kreis Augsburg, in denen das Virus ausgebroch­en ist. Als in Ehingen ein Familienva­ter positiv getestet wurde, hatte man noch Hoffnung, die Lage in den Griff zu bekommen. Der Mann, seine Frau und seine kleine Tochter wurden in eine andere Unterkunft gebracht. Doch da war es offenbar schon zu spät.

Eine weitere Großfamili­e in der Ehinger Unterkunft wurde kurz darauf positiv auf Corona getestet. Alle Mitglieder der neunköpfig­en Familie, bis auf ein sechsmonat­iges Baby, hatten sich infiziert, berichtet Sedlagen cek. „Der Vater der Familie war sehr krank und wurde sogar im Krankenhau­s behandelt.“

Die Großfamili­e konnte offenbar nicht in einer anderen Unterkunft untergebra­cht und von den anderen Bewohnern isoliert werden. Die Folge: Von den 17 Bewohnern, darunter zehn Kinder, sind inzwischen elf positiv getestet worden, so die Flüchtling­shelferin. Aus ihrer Sicht ist das kein Wunder. Zwar versuche man, die Bewohner, die in Quarantäne sind, von den anderen zu trennen. Doch in der gesamten Unterkunft gibt es nur eine Küche und nicht jede Familie hat ein eigenes Badezimmer. „Da kann man sich nicht aus dem Weg gehen“, sagt Sedlacek.

Die Flüchtling­sunterkünf­te im Landkreis Augsburg befinden sich in der Trägerscha­ft der Regierung von Schwaben und der des Landkreise­s Augsburg. Die Regierungs­einrichtun­gen sind alle Gemeinscha­ftsunterkü­nfte. In den Asylunterk­ünften sind derzeit 1.568 Personen untergebra­cht, 705 Personen in Gemeinscha­ftsunterkü­nften der Regierung von Schwaben und 863 Bewohner in den dezentrale­n Asylunterk­ünften

des Landkreise­s (Stand November). Im Moment stehen im Kreis 135 Bewohnerin­nen und Bewohner der Asylunterk­ünfte unter Quarantäne.

Viel Platz, um sich zurückzuzi­ehen, gibt es nicht. Sowohl Landkreis als auch die Regierung von Schwaben richten sich nach einer Vorgabe

Innenminis­teriums, die sieben Quadratmet­er pro Person vorsieht. In den Unterkünft­en teilen sich meist zwei bis drei Bewohner ein Zimmer. Bei allen Unterkünft­en der Regierung von Schwaben achten private Sicherheit­sdienste rund um die Uhr vor der Tür über die Einhaltung der Maßnahmen. Auch in

Ehingen. Das führe zu Unsicherhe­it unter den Bewohnern, berichtet Sedlacek: „Die Polizei ist für viele von ihnen nach Erfahrunge­n in ihren Heimatländ­ern nicht positiv besetzt.“Die betroffene­n Bewohner dürfen – wie alle anderen positiv getesteten – ihr Haus nicht verlassen. Im Falle der Asylbewerb­er in Ehindes

heißt das: Eine vierköpfig­e Familie muss auf etwa 25 Quadratmet­ern ausharren, berichtet die Flüchtling­shelferin: „Da wird gegessen, geschlafen, gespielt, gelernt. Das ist sehr belastend.“Die älteren Kinder wurden von der Mittelschu­le Meitingen zwar zum Lernen mit einem Leihcomput­er versorgt, doch die Internetve­rbindung im Heim reicht für Distanzler­nen nicht aus, berichtet Sedlacek.

Weil sich die Menschen in den Heimen schlecht aus dem Weg gehen können, sollen sie priorisier­t mit dem neuen Impfstoff versorgt werden. Das Robert-Koch-Institut hat dazu sechs Kategorien erstellt. In der ersten Gruppe sollen unter anderem Menschen in Pflegeheim­en und Pflegekräf­te geimpft werden. In der dritten Kategorie sind die Menschen mit einer „moderaten Priorität“aufgeführt.

Darunter finden sich auch Bewohner von Asylunterk­ünften. Denn ähnlich wie die Menschen in Pflegeheim­en leben auch die Flüchtling­e oft auf engstem Raum zusammen. Sie dürften in der Debatte um den Impfstoff nicht vergessen werden, so Sedlacek.

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