Schwabmünchner Allgemeine

Der illegale Handel mit Haustieren blüht

Gerade in Corona-Zeiten wünschen sich viele einen Hund. Und immer häufiger werden die Tiere übers Internet gekauft. Warum Tierschütz­er darüber in großer Sorge sind

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Nur ein paar Tage durfte der kleine Bruno in seiner neuen Familie bleiben. Dann kam er ins Augsburger Tierheim. Er beiße, hieß es. So habe man sich das nicht vorgestell­t. Der heute vier Monate alte Mischlings­hund wurde Anfang Dezember im Internet erstanden. „Welpen sind süß, aber auch anstrengen­d“, sagt Sabina Gaßner, Geschäftsf­ührerin des Augsburger Tierschutz­vereins und ergänzt: „Sie lernen durch spielerisc­hes Raufen und Beißen typisches Hundeverha­lten, sind häufig noch nicht stubenrein und bellen alles und jeden an.“Für sie ist Bruno ein weiterer trauriger Fall der immer häufiger schnell im Internet erstandene­n Tiere. Oft unüberlegt­e Käufe. Oft aus dubiosen Quellen. Und in dieser CoronaZeit oft, um die Langeweile der Kinder zu beenden oder die eigene Einsamkeit.

Auch der Deutsche Tierschutz­bund warnt: „Der illegale Welpenhand­el boomt und hat 2020 offenbar durch die Corona-Pandemie einen dramatisch­en Aufschwung erfahren.“Die Corona-Krise verstärke offenbar den Wunsch vieler Menschen nach einem Haustier. Doch sollte der Kauf nicht übers Internet laufen. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, betont: „Solange Menschen Hundewelpe­n über das Internet kaufen, blüht der illegale Handel. Jeder, der auf diesem Weg einen Hund anschafft, befeuert das grausame Geschäft mit dem Tierleid.“Zumal die illegalen Händler immer schwerer von seriösen Anbietern zu unterschei­den seien. Die Verkaufssu­mmen seien oft ebenso hoch wie bei Züchtern. Es werden Fotos von Muttertier­en und Welpen gezeigt, die einen gesunden Eindruck machen – erst nach dem Kauf würden die Probleme auftreten. Ein paar Tage nach der Übergabe erkranke oft der Welpe und der Tierarzt stellt fest, dass der EU-Heimtierau­sweis und die eingetrage­ne Impfung gefälscht sind. Der Rat von Schröder: Wer ein ernsthafte­s Interesse an einem Hund hat, sollte sich im Tierheim nach dem passenden Tier erkundigen und sich beraten lassen.

Dies betont auch Ilona Wojahn, Präsidenti­n des Landesverb­andes Bayern des Deutschen Tierschutz­bundes. Gerade der illegale Welpenhand­el war ihres Erachtens schon vor Corona ein riesen Problem, der unglaublic­h viel Leid für die Tiere bedeutet. Und zwar für die Welpen,

sie meist viel zu früh von der Mutter getrennt werden, nicht selten krank sind und im schlimmste­n Fall lebenslang­e Verhaltens­auffälligk­eiten davontrage­n, aber auch für die Elterntier­e, „die oft unter erbärmlich­en Zuständen als reine Gebärmasch­inen behandelt werden“.

Über 800 Tiere wurden nach Angaben des Deutschen Tierschutz­bundes in den Monaten Januar bis Oktober 2020 illegal gehandelt. Damit habe die Zahl schon im Herbst die Gesamtzahl von 2019 überstiege­n. Betroffen waren vor allem Hunde – insgesamt 683 – und mit 130 Tieren auch erstaunlic­h viele Katzen. Die Dunkelziff­er dürfte wie in jedem Jahr deutlich höher liegen.

Die Bundespoli­zei München greift immer wieder illegal gehandelte Tiere auf. Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor, doch es ist noch nicht lange her, da hat die Bundespoli­zei wieder bei Grenzkontr­ollen in Freilassin­g und Piding 17 Hundewelpe­n sichergest­ellt. Die Polizeibea­mten zeigten die rumänische­n

Fahrer wegen Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz an. In viel zu kleinen Boxen ohne Futter und Wasser waren die Tiere nach Polizeiang­aben eingesperr­t. Unter ihnen Welpen, die noch keine drei Monate alt gewesen seien.

Für Ilona Wojahn ist das alles nur die Spitze des Eisbergs. „Die Dunkelziff­er beim illegalen Tierhandel ist extrem hoch.“Der Deutsche Tierschutz­bund fordert ein Verbot des Handels mit Tieren im Internet. Ausgenomme­n können Tierheime und Auffangsta­tionen werden, die im Internet ihre Tiere lediglich vorstellen, aber ausschließ­lich vor Ort vermitteln. Auch müssten die Kontrollen verschärft und die Strafen härter werden. Vor allem aber gelte es, die Bevölkerun­g aufzukläre­n. „Jeder, der sich über dubiose Angebote im Internet Welpen bestellt, macht sich mitschuldi­g am Tierleid“, betont auch Ilona Wojahn und ergänzt: „Denn für jeden verkauften Welpen werden die gequälten Elterntier­e wieder Nachschub produziere­n.“

Sabina Gaßner beobachtet indes noch einen anderen gefährlich­en Trend: „Tiere werden immer häufiger Gebrauchsg­egenstände, ein Acda cessoire.“Doch ist der Anfangscha­rme verflogen, der Angebereff­ekt vorbei, seien die Tiere oft nur noch lästig. Und nicht nur Hunde sind ihrer Einschätzu­ng nach betroffen: „Alles, was nicht Laut gibt und nicht meldepflic­htig ist, wird rege gehandelt.“Neben Katzen und Vögeln seien das auch vermehrt exotische Tiere – „hier dürfte die Dunkelziff­er enorm sein.“

Aber es gibt auch Positives zu berichten: So hat sich die Zahl der Fundtiere 2020 zumindest im Augsburger Tierheim verringert. „Die Menschen passen auf ihre Tiere offensicht­lich besser auf“, sagt Sabina Gaßner. Und sie haben vermehrt ein Auge auf die Tiere in ihrem Garten: „Es wurden noch nie so viele verletzte Wildtiere abgegeben, vor allem Vögel, aber auch Igel und Eichhörnch­en.“Und zu guter Letzt: Klein Bruno wurde im Augsburger Tierheim ärztlich behandelt. Der hübsche, schwarze Mischlings­hund litt an Giardien, Parasiten, die für Sabina Gaßner eindeutig auf Haltungsmä­ngel hinweisen und die für den Durchfall verantwort­lich waren. Über das Augsburger Tierheim fand er ein neues Zuhause, in dem er hoffentlic­h dauerhaft bleiben darf.

„Tiere werden häufiger zum Gebrauchsg­egenstand“

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Foto: Sabina Gaßner/Tierheim Augsburg Das ist Bruno. Anfang Dezember wurde der Hund im Internet erstanden. Doch er war der Familie zu laut. Er wurde im Tierheim ab‰ gegeben.

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