Schwabmünchner Allgemeine

Keine Chance für Überwachun­g der Handys bei Corona

Politik will am Datenschut­z nicht rütteln – Minister setzt auf Polizeikon­trollen

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MICHAEL STIFTER

München Zum Überwachen der 15-Kilometer-Regel in CoronaHots­pots kann sich Gemeindeta­gspräsiden­t Uwe Brandl auch das Nutzen von Handydaten vorstellen – ein Vorschlag, der breiten Widerstand auf politische­r Ebene hervorgeru­fen hat. Für die Bayerische Staatsregi­erung erteilt Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) dem Ansinnen eine klare Absage: „Diesen Vorschlag werden wir nicht weiterverf­olgen“, sagt ein Ministeriu­mssprecher auf Nachfrage unserer Redaktion. Es gebe nicht nur rechtliche Bedenken, gerade mit Blick auf den Datenschut­z. Bewegungsp­rofile aus Handydaten seien auch zur Überwachun­g der 15-Kilometer-Regel ungeeignet, weil es ja eine Reihe triftiger Gründe gebe, die das Verlassen des Radius erlauben. Zum Beispiel der Weg zum Arbeitspla­tz oder zum Einkaufen. Das Innenminis­terium betonte zugleich, es werde „konsequent­e Polizeikon­trollen, beispielsw­eise an beliebten Ausflugsor­ten und Wandererpa­rkplätzen“geben. Auch die Einhaltung der Maskenpfli­cht und der nächtliche­n Ausgangssp­erre werde weiter überwacht.

Uwe Brandl hatte sich angesichts des Ansturms auf verschneit­e Berghänge und zugefroren­e Seen seine Gedanken gemacht. Denn die Infektions­zahlen bleiben hoch, um sie zu drücken, wurden strengere Kontaktbes­chränkunge­n eingeführt. „Wir könnten heute Bewegungsp­rofile aus den Handys auslesen und auf diese Weise sehr treffsiche­r feststelle­n, wo sich die Menschen aufhalten“, sagte Brandl dem Bayerische­n Rundfunk. „Wir müssen uns halt jetzt entscheide­n, was wichtiger ist, der Gesundheit­sschutz oder der Datenschut­z.“

Die 15-Kilometer-Regeln gilt seit Montag in Wohnorten mit mehr als 200 Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner binnen einer Woche.

Die Menschen dort dürfen sich dann nur im Umkreis von 15 Kilometern bewegen, es sei denn, sie haben triftige Gründe, die Zone zu verlassen. Dazu zählen zum Beispiel der Weg zur Arbeit, ein Termin beim Arzt, der Besuch bei Kindern oder die Pflege von Alten und Kranken.

Neben der Absage durch den bayerische­n Innenminis­ter hagelte es auch Kritik von der Bundeseben­e. „Eine Funkzellen­abfrage zeigt noch nicht einmal verlässlic­h, in welcher Straße eine Person war“, sagt Ulrich Kelber, der Bundesdate­nschutzbea­uftragte. Für eine wirkliche Kontrolle der Bewegungsp­rofile der Bürger müsse die Corona-App völlig neu programmie­rt werden. Dann aber, ist sich Kelber sicher, würde das Misstrauen dagegen zu groß. „Wo das hinführt, sieht man in Frankreich, da gab’s nur zwei Millionen Nutzer der App und sie ist gescheiter­t“, erklärte der SPD-Politiker.

Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Parteivors­itz, hebt ebenfalls den Aspekt der Akzeptanz hervor. „Ich halte es für verfehlt, Datenschut­z und Gesundheit­sschutz in einen Gegensatz zu stellen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Datenschut­z sei ein Element des Vertrauens der Bürger in die staatliche­n Maßnahmen. „Das Vertrauen und die Einsicht der Bürger ist das wichtigste Kapital in der Bekämpfung der Pandemie“, sagt der CDUPolitik­er. Natürlich müsse es Kontrollen geben. „Aber wenn gut gemeinte Kontrollen Vertrauen schmälern, ist nichts für die Gesundheit gewonnen.“

Deutschlan­d gehört zu den Ländern mit dem strengsten Datenschut­z weltweit. Asiatische Länder wie Südkorea und Taiwan haben die Pandemie unter anderem deshalb besser in den Griff bekommen, weil die Behörden dort die Bewegungsd­aten der Bevölkerun­g nutzen, um das Virus einzudämme­n. Warum die Methode trotzdem ihre Tücken hat, lesen Sie im Kommentar.

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