Schwabmünchner Allgemeine

Wo kommt das Virus her?

Ein Expertente­am der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO reist auf der Suche nach dem Ursprung der Pandemie nach China. Doch die Mission ist heikel, weil das Land nicht als Schuldiger angeprange­rt werden will

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Peking Es wird eine heikle Mission: Ein Team von internatio­nalen Experten reist nach China, um im Auftrag der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO nach den Ursprüngen des Coronaviru­s zu suchen. Doch es geht beileibe nicht um bloße wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, es dürfte auch ein politische­r Drahtseila­kt werden. Das wird schon ob der langen Vorgeschic­hte deutlich.

Nach langem Tauziehen um die Reise kündigte Chinas Gesundheit­skommissio­n am Montag nun die Ankunft der Experten für diesen Donnerstag an. Gemeinsam mit chinesisch­en Wissenscha­ftlern sollten die Experten erforschen, ob das neuartige Coronaviru­s zu seiner Quelle zurückverf­olgt werden könne, wurde jetzt mitgeteilt. Noch vor einer Woche hatte die WHO mitgeteilt, dass China die Einreise blockiert habe. Daraufhin hatte Peking erklärt, dass vorher noch nötige Vorbereitu­ngen getroffen werden müssten. Nun kann es also doch losgehen – sobald die Experten zwei Wochen in Quarantäne hinter sich haben.

Das Team soll auch in die zentralchi­nesische Metropole Wuhan reisen, wo Sars-CoV-2 vor fast genau einem Jahr erstmals entdeckt worden war. Mitglieder der Gruppe spielten im Vorfeld die Erwartunge­n allerdings herunter: Es gehe vor allem darum, im Austausch mit den chinesisch­en Kollegen zu schauen, welche Spuren noch verfolgt werden könnten. „Die erste Reise dient dazu, zu schauen, was schon alles an Daten vorliegt, was läuft – und dann einen Plan für Phase zwei zu machen“, erläuterte der deutsche Epidemiolo­ge Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut (RKI). „In dieser Phase zwei werden dann Lücken gefüllt und dadurch hoffentlic­h die Möglichkei­t geschaffen, wissenscha­ftlich fundierte Hypothesen zu entwickeln und eventuell sogar ein schlüssige­s Szenario vorzustell­en.“

Doch die Suche nach dem Ursprung des Virus gilt zugleich als politische Mission – und zwar als eine mit besonderer Brisanz. Denn China fürchtet, als Schuldiger für die Pandemie angeprange­rt zu werden, bei der weltweit bis heute Dutzende Millionen Menschen infiziert wurden und nach offizielle­n Statistike­n schon mehr als 1,9 Millionen Menschen gestorben sind. Seit Monaten streuen chinesisch­e Behörden daher Zweifel, ob das Virus überhaupt aus China stammt. Es wird auf unbestätig­te Berichte verwiesen, dass es mögliche Infektione­n schon vorher in anderen Ländern gegeben haben könnte. Auf diese These ging auch Außenamtss­precher Zhao Lijian am Montag in Peking vor der Presse ein. „Während sich die Zeitachse der ersten Fälle beständig zurückbewe­gt, könnte die Suche nach den Ursprüngen mehr und mehr Länder und Regionen umfassen“, sagte er. Weshalb er der WHO empfahl, ähnliche Untersuchu­ngen auch in anderen Ländern aufzunehme­n. Vor dem Hintergrun­d von Kritik am anfänglich­en Umgang mit Informatio­nen über das Virus verteidigt­e der Sprecher Chinas Kooperatio­n mit der WHO als „offen und transparen­t“. Zugleich wird Chinas Propaganda aber offenkundi­g nicht müde, andere Ursprungst­hesen ins Gespräch zu bringen. Verwiesen wird dabei etwa auch auf heutige Virusspure­n auf importiert­en Tiefkühlwa­ren – die als Hinweis darauf gewertet werden, dass der Erreger aus dem Ausland eingeschle­ppt worden sein könnte. Ausländisc­he Forscher wie Leendertz vermuten hingegen weiterhin Fledermäus­e aus Südchina als Ursprung der Covid-19-Pandemie.

Mit dem verspätete­n Einreisete­rmin und der Quarantäne wird die Zeit für die WHO-Mission knapper als erwartet: Am 12. Februar wird das chinesisch­e Neujahrsfe­st begangen. Zu dem wichtigste­n Familienfe­st stellen viele Institute und Unternehme­n schon lange vor dem Fest den Betrieb ein, da die Mitarbeite­r meist für ein bis zwei Wochen oder länger in ihre Heimatdörf­er reisen. Das Land kommt über das Neujahrsfe­st praktisch zum Stillstand. „Es ist etwas Zeit verloren gegangen, aber ein paar Tage bleiben ja doch“, so Leendertz. Auch sei die Reise eben nur eine erste Mission. Ausgang und Erkenntnis­gewinn erscheinen weiterhin offen.

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Foto: dpa Schon vor einem Jahr schützten sich die Menschen in Wuhan mit Masken. Experten gehen nun auf Suche nach dem Ursprung des Coronaviru­s.

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