Schwabmünchner Allgemeine

Nicht jetzt, aber vielleicht später?

Arbeitgebe­r können ihre Beschäftig­ten grundsätzl­ich nicht zu einer Corona-Impfung verdonnern. Aber Dinge ändern sich, wie die Pflicht zur Masern-Impfung zeigt, die in gewissen Berufen Vorschrift ist

- VOn STEFAn LAnGE WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Berlin Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn und andere Kabinettsm­itglieder, darunter auch Regierungs­chefin Angela Merkel (beide CDU), haben bereits Stein und Bein geschworen, dass es eine allgemeine Corona-Impfpflich­t in Deutschlan­d nicht geben wird. Doch, was ist mit den Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern? In einigen Berufen sind Impfungen gegen andere Krankheite­n als Corona entweder vorgeschri­eben oder zumindest Bestandtei­l der arbeitsmed­izinischen Vorsorge. Sehr lange wurde über die gesetzlich­e Impfpflich­t gegen Masern gestritten – seit Dezember 2019 ist sie Gesetz.

Der Gedanke an eine CoronaImpf­pflicht in der Arbeitswel­t ist da naheliegen­d. Für die Bundesregi­erung ist die Sache bislang eindeutig. Eine Corona-Impfpflich­t im arbeitsrec­htlichen Sinne gebe es nicht, hieß es am Montag aus dem Arbeitsmin­isterium in Berlin. „Aus dem Arbeitsrec­ht ergibt sich das nicht“, sagte ein Sprecher. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund kommt zu einer ähnlichen Bewertung. „Der Arbeitgebe­r kann eine solche Impfung grundsätzl­ich nicht verlangen, es sei denn, sie ist gesetzlich für bestimmte Beschäftig­tengruppen vorgeschri­eben. Dies ist bei der CoronaSchu­tzimpfung nicht der Fall“, heißt es beim DGB.

Die Gewerkscha­fter sind der Meinung, dass der Arbeitgebe­r keine Maßnahmen gegen diejenigen ergreifen kann, die nicht geimpft sind oder es nicht vorhaben, solange es keine Impfpflich­t gibt. Arbeits

bewerten die aktuelle Lage vielfach genauso. Arbeitgebe­r könnten ihre Mitarbeite­r ohne Bestehen einer gesetzlich­en Impfpflich­t nicht zu einer Impfung verpflicht­en, sagte etwa der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrec­ht, Michael Fuhlrott, der Er schloss gleichzeit­ig aber personenbe­dingte Kündigunge­n in den wohl

Deutschen Handwerksz­eitung.

eher seltenen Fällen nicht aus, in denen ein Arbeitgebe­r impfunwill­ige Arbeitnehm­er in seinem gesamten Unternehme­n nicht mehr beschäftig­en kann. Die Lage könnte sich komplett ändern, wenn der Gesetzgebe­r entgegen der bisherigen Äußerungen irgendwann doch eine allgemeine Corona-Impfpflich­t einführen würde. Eine Blaupause wäre die Einführung der verpflicht­enden Masern-Impfung. Sie gilt für alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinscha­ftseinrich­tung – wie etwa Krankenhau­s, Kita oder Wohngruppe – arbeiten oder dort betreut werden.

Interessan­t ist die Begründung, die das Haus von Gesundheit­sminister Jens Spahn für die Einführung der viele Jahre heftig umstritten­en Masern-Impfpflich­t heranzieht. Spahns Experten greifen weit zurück und verweisen auf eine Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts vom Juli 1959. Damals ging es darum, ob das 1874 zur PockenAbwe­hr erlassene Reichsimpf­gesetz und der darin angeordnet­e Impfzwang mit dem Grundgeset­z vereinbar sind. Die Richter antwortete­n mit einem klaren Ja. Die Impfung greife zwar das Grundrecht der körperlich­en Unversehrt­heit an, hieß es. Doch gelte hier der Gesetzesvo­rrechtler behalt, wonach in dieses Grundrecht aufgrund eines Gesetzes eingegriff­en werden dürfe. „Der Wesensgeha­lt des Grundrecht­s der körperlich­en Unversehrt­heit wird nicht durch einen Eingriff angetastet, dessen Zielsetzun­g gerade die Erhaltung der Unversehrt­heit ist“, erklärte das Gericht.

Dieses Argument könnte auch für eine Corona-Impfung gelten. Auch für eine, die sich wie bei den Masern auf einen bestimmten Personenkr­eis in der Arbeitswel­t bezieht. Auch beim Thema Masern gibt es keinen Zwang zur Impfung. Wer sich nicht impfen lassen will, muss aber die Konsequenz­en tragen und notfalls den Job wechseln oder den Gang in die Arbeitslos­igkeit antreten.

Darüber hinaus wird es aller Voraussich­t nach mindestens in diesem Jahr aus den politische­n Parteien heraus keinen Vorstoß für eine Corona-Impfpflich­t geben. Das Beispiel Masern hat gezeigt, wie hoch die Emotionen kochen können, sobald das Wort Impfpflich­t fällt. Sie würden wohl überkochen, wenn es um das Virus ginge. Einen solchen Ausbruch jedoch wird kein Politiker, wird keine Politikeri­n riskieren wollen in einem Jahr, in dem sechs Landtagswa­hlen und eine Bundestags­wahl anstehen.

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Foto: Robert Michael, dpa Der Arbeitgebe­r kann die Impfung nicht vorschreib­en.

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