Nicht jetzt, aber vielleicht später?
Arbeitgeber können ihre Beschäftigten grundsätzlich nicht zu einer Corona-Impfung verdonnern. Aber Dinge ändern sich, wie die Pflicht zur Masern-Impfung zeigt, die in gewissen Berufen Vorschrift ist
Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und andere Kabinettsmitglieder, darunter auch Regierungschefin Angela Merkel (beide CDU), haben bereits Stein und Bein geschworen, dass es eine allgemeine Corona-Impfpflicht in Deutschland nicht geben wird. Doch, was ist mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern? In einigen Berufen sind Impfungen gegen andere Krankheiten als Corona entweder vorgeschrieben oder zumindest Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Sehr lange wurde über die gesetzliche Impfpflicht gegen Masern gestritten – seit Dezember 2019 ist sie Gesetz.
Der Gedanke an eine CoronaImpfpflicht in der Arbeitswelt ist da naheliegend. Für die Bundesregierung ist die Sache bislang eindeutig. Eine Corona-Impfpflicht im arbeitsrechtlichen Sinne gebe es nicht, hieß es am Montag aus dem Arbeitsministerium in Berlin. „Aus dem Arbeitsrecht ergibt sich das nicht“, sagte ein Sprecher. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kommt zu einer ähnlichen Bewertung. „Der Arbeitgeber kann eine solche Impfung grundsätzlich nicht verlangen, es sei denn, sie ist gesetzlich für bestimmte Beschäftigtengruppen vorgeschrieben. Dies ist bei der CoronaSchutzimpfung nicht der Fall“, heißt es beim DGB.
Die Gewerkschafter sind der Meinung, dass der Arbeitgeber keine Maßnahmen gegen diejenigen ergreifen kann, die nicht geimpft sind oder es nicht vorhaben, solange es keine Impfpflicht gibt. Arbeits
bewerten die aktuelle Lage vielfach genauso. Arbeitgeber könnten ihre Mitarbeiter ohne Bestehen einer gesetzlichen Impfpflicht nicht zu einer Impfung verpflichten, sagte etwa der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Michael Fuhlrott, der Er schloss gleichzeitig aber personenbedingte Kündigungen in den wohl
Deutschen Handwerkszeitung.
eher seltenen Fällen nicht aus, in denen ein Arbeitgeber impfunwillige Arbeitnehmer in seinem gesamten Unternehmen nicht mehr beschäftigen kann. Die Lage könnte sich komplett ändern, wenn der Gesetzgeber entgegen der bisherigen Äußerungen irgendwann doch eine allgemeine Corona-Impfpflicht einführen würde. Eine Blaupause wäre die Einführung der verpflichtenden Masern-Impfung. Sie gilt für alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung – wie etwa Krankenhaus, Kita oder Wohngruppe – arbeiten oder dort betreut werden.
Interessant ist die Begründung, die das Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn für die Einführung der viele Jahre heftig umstrittenen Masern-Impfpflicht heranzieht. Spahns Experten greifen weit zurück und verweisen auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Juli 1959. Damals ging es darum, ob das 1874 zur PockenAbwehr erlassene Reichsimpfgesetz und der darin angeordnete Impfzwang mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Richter antworteten mit einem klaren Ja. Die Impfung greife zwar das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit an, hieß es. Doch gelte hier der Gesetzesvorrechtler behalt, wonach in dieses Grundrecht aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden dürfe. „Der Wesensgehalt des Grundrechts der körperlichen Unversehrtheit wird nicht durch einen Eingriff angetastet, dessen Zielsetzung gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist“, erklärte das Gericht.
Dieses Argument könnte auch für eine Corona-Impfung gelten. Auch für eine, die sich wie bei den Masern auf einen bestimmten Personenkreis in der Arbeitswelt bezieht. Auch beim Thema Masern gibt es keinen Zwang zur Impfung. Wer sich nicht impfen lassen will, muss aber die Konsequenzen tragen und notfalls den Job wechseln oder den Gang in die Arbeitslosigkeit antreten.
Darüber hinaus wird es aller Voraussicht nach mindestens in diesem Jahr aus den politischen Parteien heraus keinen Vorstoß für eine Corona-Impfpflicht geben. Das Beispiel Masern hat gezeigt, wie hoch die Emotionen kochen können, sobald das Wort Impfpflicht fällt. Sie würden wohl überkochen, wenn es um das Virus ginge. Einen solchen Ausbruch jedoch wird kein Politiker, wird keine Politikerin riskieren wollen in einem Jahr, in dem sechs Landtagswahlen und eine Bundestagswahl anstehen.