Schwabmünchner Allgemeine

Ein Elfmeter machte Manninger zum Helden

Der Torhüter ebnete den Weg zum Klassenerh­alt. An seine Zeit beim FCA denkt er gerne – trotz des Endes (Serie/Teil 4)

- VON JOHANNES GRAF

Mai 2013. Letzter Spieltag in der Fußball-Bundesliga. Die Sonne scheint, die Arena ist ausverkauf­t. Alles ist bereitet für das Endspiel gegen den Abstieg, das sich der FC Augsburg in einer überrasche­nden Rückrunde verdient hat. Neun Punkte hatte der FCA in der Hinserie unter Trainer Markus Weinzierl geholt. Allein, dass Weinzierl nach einer solchen Zwischenbi­lanz über Weihnachte­n hinaus das Sagen haben würde, hatte überrascht. Statt des Trainers hatte der Bundesligi­st zweimal innerhalb einer Saison den Manager gewechselt. Auf Manfred Paula folgte Jürgen Rollmann, im Januar übernahm Stefan Reuter.

Das Tor des FCA hütete damals Alexander Manninger. Der Österreich­er hatte bei europäisch­en Topklubs wie Arsenal London oder Juventus Turin unter Vertrag gestanden, im Abstiegska­mpf sollte er seine Erfahrung einbringen. Manninger erinnert sich an diese Zeit, in der Mannschaft standen Paul Verhaegh, Sascha Mölders, Tobias Werner oder Ragnar Klavan. In der Winterpaus­e hatten sie sich eingeschwo­ren, gegen Greuther Fürth wollten sie Unmögliche­s möglich machen. Über Monate habe man auf dieses Spiel hingearbei­tet, schildert Manninger. „Hätten wir zuvor ein Spiel mehr verloren, hätte sich diese Gelegenhei­t nicht ergeben.“Manninger wählt gar einen philosophi­schen Ansatz, es hätte gewirkt, als wäre alles vorbestimm­t gewesen. „Es hat so sollen sein. Das war etwas Einzigarti­ges“, sagt der Österreich­er.

Vor der Begegnung war die Ausgangsla­ge klar: Der FCA musste gewinnen, um erstmals in dieser Spielzeit auf einen Nichtabsti­egsplatz zu klettern. Mitten hinein in diese Mischung aus Optimismus, Überzeugun­g und Vorfreude platzte eine Elfmetersi­tuation. Keine drei Minuten waren gespielt, als Klavan einen Strafstoß verursacht­e.

Fürths Edgar Prib trat an, vollstreck­te und jubelte. Weil Fürther Spieler den Strafraum zu früh betreten hatten, musste Prib aber wiederhole­n. Was folgte, ist Augsburger Bundesliga­geschichte. Manninger hielt und ballte die Faust, hinter ihm, auf der Nordtribün­e, jubelten die Anhänger lauter als nach den späteren Treffern von Werner, JanIngwer Callsen-Bracker und DongWon Ji. Von dieser Szene ging ein Energiesch­ub aus, der in ein 3:1 und den Ligaverble­ib mündete.

Noch heute bekomme er manchmal Gänsehaut, wenn er an diese Szene denke, erzählt Manninger. Etliches hat der Torhüter zwischen den Pfosten erlebt, in den größten Stadien Europas hat er Bälle gefangen, doch diese Sekunden in Augsburg wird er nie vergessen. Manninger betont: „Im Sport gibt es solche Momente, die dich prägen. Und das war einer der prägendste­n Momente in meiner Karriere.“

Der Torhüter wurde an diesem Tag zum Helden, musste gegen Ende seiner Zeit in Augsburg allerdings erfahren, dass Dankbarkei­t vergänglic­h ist. Als sich der FCA im Sommer 2016 von seinem Torhüter trennte, gab der Klub kein gutes Bild ab. Erst zwei Tage vor dem letzten Saisonspie­l teilten Verantwort­liche dem Spieler mit, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen. Manninger war damals 38 Jahre alt, fühlte sich aber fit und wollte noch ein Jahr spielen. Er hätte sich mehr Wertschätz­ung und einen anderen Abschied gewünscht.

Wie so oft im Fußball, tat sich eine andere Tür auf. Statt seine Karriere zu beenden, holte ihn Trainer Jürgen Klopp als dritten Torwart zum FC Liverpool. Manninger kam nie zum Einsatz, möchte aber auch diese Erfahrunge­n nicht missen.

Seit seinem Abschied hat Manninger die Augsburger Arena nie mehr besucht. Das hat nichts mit den Begleitums­tänden zu tun, Manninger denkt gerne an seine dreieinhal­b Jahre beim FCA zurück. Als Ersatzmann von Marwin Hitz erlebte er die Höhepunkts­piele in der Europa League, mit einem Lachen erzählt er aber auch von eisigkalte­n Duschen nach dem Training im Rosenausta­dion. Wie sich der Klub stetig weiterentw­ickelt hat, das freue ihn, betont er.

Heute führt der 43-Jährige ein zurückgezo­genes Leben in seiner Geburtssta­dt Salzburg, die großen Bühnen des Fußballs hat er längst verlassen. Wenn er sich mit Rasen beschäftig­t, dann als Hausverwal­ter oder Golfspiele­r.

Der Österreich­er will nicht ausschließ­en, dass er nochmals im Profifußba­ll tätig wird – er kann sich vorstellen, Spieler und Vereine bei Transfers zu beraten –, allgemein hat sein Interesse aber nachgelass­en. Sein Fußball, den er als Arbeit verstand, hat sich verändert. Aus Manningers Sicht geht es verstärkt um Unterhaltu­ng und Show. „Mir fehlt nichts“, beteuert er. „Fußball ist nicht mehr das Wichtigste.“Der gelernte Schreiner setzt sich jetzt mit Dingen auseinande­r, mit denen er in den nächsten 20 Jahren Spaß und Erfolg haben kann.

Aktuell treiben ihn – wie sollte es anders sein – das Corona-Virus und die Folgen der Pandemie um. Manninger hofft auf die baldige Rückkehr zur Normalität, auf Lockerunge­n in allen Lebensbere­ichen. Und versetzt sich dabei in die Lage der jetzigen Profis. Leere Ränge und Geisterspi­ele setzt der ehemalige Nationalsp­ieler in Bezug zu seinem gehaltenen Elfmeter gegen Fürth. Grundsätzl­ich ändere sich durch das Fehlen der Zuschauer nichts am Erfolg, meint er. Aber ohne die enthusiast­ischen Fans und die Energie, die von den Rängen kam, hätte er diesen einen Moment niemals so intensiv erlebt. „Die Freude mit anderen zu teilen, das fällt jetzt weg. Als Spieler ist das sehr schade.“

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Foto: Ulrich Wagner Erst hielt Alexander Manninger einen Strafstoß, später machte der FCA den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerh­alt perfekt.

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