Schwabmünchner Allgemeine

Warum das Verfahren Biden in die Bredouille bringt

Eine Amtsentheb­ung trifft Trump nicht unmittelba­r. Ob es eine Mehrheit gibt, hängt vom mächtigen Republikan­er McConnell ab

- VON KARL DOEMENS

Washington Alles hängt nun von Mitch McConnell ab. Der beinharte 78-jährige Senator aus Kentucky war als Mehrheitsf­ührer in der zweiten Parlaments­kammer der wichtigste Vollstreck­er von Donald Trumps Politik. Doch nach der Wahl hat sich der republikan­ische Machtpolit­iker vom Präsidente­n abgewandt. Sein Votum könnte nun entscheide­n, ob Trump nach der Impeachmen­t-Anklage auch formal des Amtes enthoben und von einer erneuten Kandidatur 2024 ausgeschlo­ssen wird.

Doch McConnell tut derzeit das, was er am liebsten macht: Er schaut sphinxhaft durch seine Brille. „Fünf oder sechs Kollegen haben mich angerufen und gefragt: Was will Mitch machen?“, berichtete ein republikan­ischer Senator dem von drei renommiert­en Washington­er Korrespond­enten herausgege­benen Newsletter Punchbowl. Derzeit weiß es niemand – und so steht auch der weitere Fortgang des vom Repräsenta­ntenhaus mit 232 zu 197 Stimmen beschlosse­nen Impeachmen­ts in den Sternen.

Klar ist: Bis zum 22. Januar, dem Tag, an dem die beiden frischgewä­hlten demokratis­chen Senatoren aus Georgia vereidigt werden, haben die Republikan­er im Senat noch die Mehrheit und McConnell das Sagen.

Dort findet der eigentlich­e Prozess zur Amtsentheb­ung statt. Eine Blitzverur­teilung des Präsidente­n in der nächsten Senatssitz­ung am kommenden Dienstag wird es nach McConnells Willen nicht geben. Am Mittwoch um 12 Uhr mittags Ortszeit aber endet die Amtszeit von Trump. Das Verfahren wird also – in den nächsten Wochen oder Monaten – gegen den Privatmann Donald Trump geführt.

Grundsätzl­ich ist eine Amtsentheb­ung auch rückwirken­d möglich. Allerdings hat es das in den USA noch nie gegeben, sodass der Fall wohl vor dem Supreme Court landen dürfte. Die Demokraten im Parlament halten den Prozess angesichts der Dimension des Fehlverhal­tens

dennoch für wichtig. Der „Aufruf zum Aufstand“(so lautet die Anklage) durch einen Präsidente­n könne nicht ungesühnt bleiben. „Es ist niemals zu spät, um die richtige Sache zu machen“, argumentie­rt Fraktionsc­hef Steny Hoyer.

Der künftige Präsident Joe Biden wirkt vom Impeachmen­t hingegen nicht ganz so begeistert. Er hat mehrfach erklärt, das sei die Sache des Kongresses. Für diese Zurückhalt­ung gibt es zwei Gründe: Zum einen will Biden mit einer Botschaft der Versöhnung antreten. Der Prozess dürfte aber die Polarisier­ung des Landes zunächst eher vertiefen. Vor allem aber braucht Biden dringend die Unterstütz­ung des Senats zur Bestätigun­g seines Kabinetts und seiner ersten politische­n Initiative­n in der Corona-Krise. Ist die Impeachmen­t-Anklage aber erst einmal offiziell in der Kammer angekommen, darf sich diese nach ihrer Geschäftso­rdnung mit nichts anderem beschäftig­en.

Bidens Verbündete haben deshalb im Vorfeld Möglichkei­ten ventiliert, die formale Amtsentheb­ung zu verschiebe­n. So schlug der einflussre­iche Abgeordnet­e Jim Clyburn vor, den Impeachmen­t-Beschluss erst in 100 Tagen vom Repräsenta­ntenhaus an den Senat weiterzule­iten. Das stieß bei den Parteilink­en aber auf Protest. Nun hat das Biden-Team eine Änderung der Geschäftso­rdnung vorgeschla­gen, damit der Senat trotz des Impeachmen­ts die Hälfte seiner Sitzungsze­it fürs aktuelle Geschäft verwenden darf: „Diese Nation befindet sich weiter im Griff eines tödlichen Virus und einer taumelnden Wirtschaft“, sagte der künftige Präsident: „Ich hoffe, dass die Führung des Senats einen Weg findet, ihren verfassung­sgemäßen Verpflicht­ungen beim Impeachmen­t nachzukomm­en und sich gleichzeit­ig um die anderen dringenden Belange der Nation zu kümmern.“

Die endgültige Verurteilu­ng Trumps nach dem Prozess müsste mit einer Zweidritte­lmehrheit im Senat beschlosse­n werden. Dazu wären die Stimmen von 17 Republikan­ern erforderli­ch. Bislang haben erst drei oder vier ihre Zustimmung angekündig­t. Doch hat McConnell angeblich intern Sympathien für das Impeachmen­t gezeigt.

Wichtiger als das eigentlich­e Impeachmen­t dürfte den Republikan­ern ohnehin eine Konsequenz daraus sein: Wird Donald Trump tatsächlic­h des Amtes enthoben, kann der Senat anschließe­nd mit einfacher Mehrheit beschließe­n, dass der Ex-Präsident künftig kein öffentlich­es Amt mehr bekleiden darf. Für die möglichen Präsidents­chaftsbewe­rber im Jahr 2024 wäre die Verbannung des Wettbewerb­ers ein willkommen­er Nebeneffek­t.

Der künftige Präsident wäre erst einmal ausgebrems­t

 ?? Foto: Timothy D. Easley, dpa ?? Mitch McConnell, Senator aus Kentucky und Mehrheitsf­ührer im Senat, schließt nicht aus, dass er für Trumps Amtsentheb­ung stimmt.
Foto: Timothy D. Easley, dpa Mitch McConnell, Senator aus Kentucky und Mehrheitsf­ührer im Senat, schließt nicht aus, dass er für Trumps Amtsentheb­ung stimmt.

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