Schwabmünchner Allgemeine

Die Bürgermeis­terin von Dayton macht sich Sorgen

Ist die Spaltung der Gesellscha­ft nur in den USA ein Problem? Wer Nan Whaley zuhört, findet durchaus Parallelen zur Lage bei uns. Und eine ehemalige US-Soldatin schickt den Augsburger­n nach dem Sturm auf das Kapitol eine Botschaft

- VON JÖRG HEINZLE

In Augsburgs US-Partnersta­dt Dayton haben sie US-Präsident Donald Trump abgewählt. Dayton liegt im Bundesstaa­t Ohio, im Montgomery County. Das Wahlergebn­is dort fiel knapp aus; 50,3 Prozent der Wähler stimmten für Demokrat Joe Biden, 48,1 Prozent wollten den Republikan­er Trump im Amt halten.

Die Gesellscha­ft ist auch hier, wie vielerorts in den USA, politisch tief gespalten. Und Nan Whaley, 44, die Bürgermeis­terin von Dayton, sieht das mit Sorge. Ganz konkret Sorgen macht ihr aber auch ein Datum: der 20. Januar, der Tag der Amtseinfüh­rung von Joe Biden. Sie fürchtet, dass Proteste der Trump-Anhänger wieder in Gewalt umschlagen könnten. Nicht nur in der Hauptstadt, in allen Bundesstaa­ten sind Proteste angekündig­t. Und im Staat Ohio, merkt die Bürgermeis­terin an, seien die Waffengese­tze deutlich lockerer als in Washington.

Nan Whaley steht seit 2014 an der Spitze von Augsburgs Partnersta­dt. Sie ist Demokratin, bezeichnet sich selbst auch als „liberal“. Entspreche­nd kritisch sah sie Trump schon immer. In gewisser Weise, sagt Whaley, habe sie aber auch Verständni­s für die Pro-Trump-Demonstran­ten. „Die Leute glauben ja wirklich, dass ihnen die Wahl gestohlen worden ist“, sagt sie. „Wahrschein­lich würde man selbst auch vor das Kapitol ziehen, wenn man das wirklich glaubt.“Bei den Krawallen vor und im Kapitol starben am 6. Januar fünf Menschen.

Die Daytoner Bürgermeis­terin berichtete in dieser Woche in einer Videokonfe­renz mit dem Verein „Augsburg Internatio­nal“eine Stunde lang von der Lage in ihrer Heimat.

Was die demokratis­che Politikeri­n ärgert: Viele Republikan­er, erzählt sie, würden in privaten Gesprächen schon lange teils sehr kritisch über Trump sprechen. Dieselben

Leute hätten dann aber öffentlich, weil sie ihre Ämter behalten wollten, den Präsidente­n gelobt. Sie ist überzeugt: „Die Führung der Republikan­er weiß, dass die Wahl nicht gestohlen worden ist, aber es geht ihnen um Macht und nicht um die Wahrheit.“Optimistis­ch will sie trotzdem bleiben. Sie spricht von schweren Stunden, glaubt aber auch an die Kraft der Demokratie in den Vereinigte­n Staaten.

Die Spaltung ist nach Einschätzu­ng von Nan Whaley nicht nur politisch, sondern auch gesellscha­ftlich – und es gibt, wenn man ihr zuhört, durchaus auch Parallelen zur Entwicklun­g in Deutschlan­d. Es gebe mehr Anhänger von Verschwöru­ngstheorie­n, gleichzeit­ig sei die Schere zwischen Arm und Reich enorm, erklärt sie. Außerdem kämen manche wohl mit dem Wandel in der Bevölkerun­g nicht klar. Nan Whaley sagt, im vorigen Jahr habe es erstmals mehr dunkelhäut­ige als weiße Kindergart­enkinder gegeben. In Dayton sind einer Statistik zufolge rund 52 Prozent der etwa 140.000 Einwohner Weiße, etwa 43 Prozent sind Afroamerik­aner. Verschwöru­ngsglaube nimmt auch in

Deutschlan­d zu, ein Auseinande­rdriften zwischen Arm und Reich gibt es auch in Augsburg – und rund 65 Prozent der Augsburger Grundschül­er haben inzwischen Wurzeln im Ausland.

Auch eine andere US-Amerikaner­in, die mit Augsburg verbunden ist, hat den Sturm auf das Kapitol mit Entsetzen verfolgt: Barbara Fast, die letzte Standortko­mmandantin der USArmee in Augsburg. Die hochdekori­erte ExSoldatin, die es bis in den Rang einer Generalmaj­orin schaffte, tauscht mit Augsburgs Alt-Oberbürger- meister Peter Menacher jährlich Weihnachts­post. Am Tag nach dem Gewaltausb­ruch schrieb sie einen langen Brief an Menacher. Die Gewalt sei beschämend für das Amt des Präsidente­n. Trump werde wohl „in Ungnade fallen“und einen „nicht beneidensw­erten Platz in der Geschichte haben“. Es klingt aber durch, dass sie Trumps Amtszeit nicht per se negativ bewertet. So lobt sie die „Leistungen seiner Verwaltung vor der Pandemie“– und nennt eine Erhöhung des Haushaltse­inkommens, einen anhaltende­n Rückgang der Arbeitslos­enquoten für Afroamerik­aner und Hispanics sowie die Unterstütz­ung des Militärs und der Veteranen.

Barbara Fast schreibt aber auch: „Am Ende des Tages gibt es keine Rechtferti­gung für das, was geschehen ist.“Die ehemalige Augsburger Standortko­mmandantin, die 1998 mit den US-Truppen bei einer Zeremonie im Rosenausta­dion verabschie­det wurde, hat auch eine Botschaft an die deutschen Verbündete­n. Am Ende ihres Briefs schreibt sie: „Wir bleiben stolz darauf, Amerikaner zu sein. Und wir freuen uns darauf, mit unseren Verbündete­n zusammenzu­arbeiten, um weiter die demokratis­chen Ideale zu verfolgen, für deren Sicherung wir gemeinsam so hart gekämpft haben.“

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Foto: John Minchollo, dpa Trump‰Anhänger hatten am 6. Januar das Kapitol in Washington gestürmt. Daytons Bürgermeis­terin Nan Whaley befürchtet weitere Gewalt.
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Nan Whaley
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Barbara Fast

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